Fulda – Das Abstimmungsdebakel von Frankfurt hat die Gräben offen zutage treten lassen: Mit ihrem Nein zu einem Grundsatzpapier zur katholischen Sexualmoral haben Reformgegner unter den katholischen Bischöfen bei der Synodalversammlung nicht nur Vertreter von Laienorganisationen, sondern auch viele Mit-Oberhirten vor den Kopf gestoßen. Der Schock wirkt nach und dürfte auch die Beratungen bei der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe beherrschen, die an diesem Montag (26. September) in Fulda beginnt. Während Befürworter mahnen, sich nicht vom Reformweg abbringen zu lassen, halten konservative Bischöfe dagegen.
„Unsere Kirche braucht dringend grundlegende Reformen, um anschlussfähig zu bleiben an unsere Zeit und an die Lebenswirklichkeit der Menschen”, erklärt etwa die Benediktinerin Philippa Rath, eines der profiliertesten Mitglieder der Synodalversammlung. Sie ist überzeugt: Die katholische Kirche braucht mehr Teilhabe und Mitverantwortung aller, mehr Transparenz und Gewaltenteilung, Entklerikalisierung auf allen Ebenen, eine erneuerte Sexualmoral und vor allem Geschlechtergerechtigkeit.
„Dass dies auch viele Bischöfe zunehmend so sehen und einem weiteren Glaubwürdigkeitsverlust entgegenwirken wollen, daran glaube ich fest”, sagt die Ordensschwester. Das habe auch die vergangene vierte Synodalversammlung trotz des Rückschlags bei der Abstimmung am ersten Tag gezeigt. „Die Debatten- und Gesprächskultur jedenfalls hat deutlich an Ehrlichkeit und Offenheit gewonnen.” Auch seien wichtige Textvorlagen mit großen Mehrheiten verabschiedet worden. Jetzt sei es wichtig, dies auch in die Herbst-Vollversammlung hineinzunehmen.
„Entscheidungen mit Signalwirkung”
Ähnlich zuversichtlich hatte sich auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, gezeigt. In Frankfurt seien „Entscheidungen mit Signalwirkung” getroffen worden, erklärte der Limburger Bischof, der als treibende Kraft des Reformprozesses gilt, zum Abschluss der Versammlung - wenngleich er aus seiner Enttäuschung über den Fehlstart keinen Hehl machte.
Insgesamt geht es beim Synodalen Weg um vier Bereiche: Um den Umgang mit Macht, die Position der Frau, die Sexualmoral und den Zölibat, also die verpflichtende Ehelosigkeit der Priester. Schafft es Bätzing in Fulda, den Rückhalt für die Reformen unter den 67 Bischöfen der deutschen Diözesen auszubauen? Oder vertiefen sich gar die Gräben? Vorab will sich der DBK-Vorsitzende zu seinen Erwartungen für das Treffen nicht äußern. In Frankfurt hatte er aber bereits klargemacht, dass er sich von Widerständen nicht unterkriegen lassen und das Feld nicht jenen überlassen wolle, „die sich nicht bewegen wollen”.
Klar ist: Die Zeit drängt und Bätzing kann jeden Mitstreiter gebrauchen, wie nicht nur die Rekordzahl von Kirchenaustritten im vergangenen Jahr deutlich macht - im November will er bei seinem Besuch in Rom auch Papst Franziskus über die Lage in Deutschland berichten. Nicht nur der Vatikan beäugt die Reformbemühungen in Deutschland schon seit Beginn mit größtem Misstrauen, auch Konservative aus Deutschland wie der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer gelten als Gegenspieler. Offene Kritik kam vor einigen Wochen auch vom Passauer Bischof Stefan Oster, der die Sorge vor einer Verschärfung der Glaubenskrise durch den Synodalen Weg äußerte.
Es gilt verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen
Aber nicht nur mit den Reformgegnern muss Bätzing im Gespräch bleiben - es gilt auch, verlorenes Vertrauen von Laien-Organisationen nach dem Eklat von Frankfurt zurückzugewinnen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, das zusammen mit der DBK den Synodalen Weg organisiert, hat bereits klargemacht, dass es die Bischöfe nicht einfach davonkommen lassen will: Man erwarte „eine Klarstellung” zum Respekt vor queeren Menschen, wie das Gremium kürzlich erklärte. Dass der Grundsatztext zur Sexualmoral am Votum von 21 Oberhirten gescheitert ist, die dagegen votierten, habe nicht nur diejenigen verletzt, die sich beim Synodalen Weg engagieren. „Die Spitze der katholischen Laienbewegung ist zutiefst davon überzeugt, dass die römisch-katholische Kirche kein Ort der Diskriminierung sein darf”, so das ZdK-Präsidium.
Auslöser für den seit 2019 laufenden Synodalen Weg war die massive Vertrauenskrise durch den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche - und auch bei diesem Thema steht die katholische Kirche weiter massiv in der Kritik: So legte erst vor wenigen Tagen eine Studie etliche Verstöße im Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt im Bistum Osnabrück offen. Diese seien, obgleich vielfach durch ihre Erfahrungen für ihr gesamtes Leben beeinträchtigt, bürokratisch und abweisend behandelt worden, wie der Juraprofessor Hans Schulte-Nölke feststellte.
Zu diesen und anderen Vorwürfen wird bei der Herbst-Vollversammlung der Trierer Bischof Stephan Ackermann letztmalig als Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz Stellung beziehen. Befassen müssen sich mit den Geschehnissen seine Nachfolger - Ackermann gibt das Amt nach zwölf Jahren ab, die Aufarbeitung des Skandals um den vielfachen sexuellen Missbrauch an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in der katholischen Kirche wird neu geregelt. Wer diese Aufgaben künftig verantwortet, ist bisher offen - der Trierer Bischof selbst hatte sich für „eine neue und breiter aufgestellte Verantwortungsstruktur” ausgesprochen, um der Komplexität und Dimension des Themas gerecht zu werden.
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