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Hamburger Corona-StudieLangzeitschäden auch bei mildem Verlauf

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Lungentest (Symbolbild)

Hamburg – Zwar gab es die inzwischen grassierende Omikron-Variante noch nicht, als sich die Teilnehmer der Hamburger Studie mit dem Coronavirus infizierten. Doch da die neue Mutante mehr Menschen ansteckt, aber offenbar in der Regel zu leichteren Verläufen führt, könnten die Ergebnisse besonders wichtig sein. Einige Fragen und Antworten:

Was wurde in der Studie untersucht?

Die Wissenschaftler unterzogen seit Mitte 2020 insgesamt 443 Menschen von 45 bis 74 Jahren rund zehn Monate nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion einer siebenstündigen Untersuchung samt MRT von Herz und Hirn. Auch Ultraschall wurde eingesetzt. Herz-Kreislauf- und Gefäßsystem, Lunge und Nieren wurden auf mögliche Folgeschäden überprüft. Und anhand von Fragebögen wurde die Lebensqualität ein Dreivierteljahr nach der Erkrankung erhoben.

Die Studienteilnehmer hatten höchstens mäßige Symptome, niemand musste intensivmedizinisch versorgt werden. Die Befunde wurden mit einer Kontrollgruppe Nichtinfizierter verglichen. Der UKE zufolge handelt es sich um die bislang „weltweit größte Gesundheitsstudie“ zu Corona-Schäden.

Wie lauten diezentralen Befunde?

Manches klingt zunächst nicht so dramatisch: Die Lungenfunktion der Covid-Genesenen war um etwa drei Prozent reduziert, der Atemwegswiderstand leicht erhöht, heißt es. Die Herzuntersuchungen ergaben „eine durchschnittliche Abnahme der Pumpkraft um ein bis zwei Prozent“ sowie Anzeichen für eine höhere Belastung des Herzens. Ferner wurde eine Abnahme der Nierenfunktion um etwa zwei Prozent festgestellt.

Das seien überwiegend „Beeinträchtigungen der Organfunktionen in kleinem Maße, insbesondere von Niere und Herz“, sagt Professor Stefan Blankenberg, Co-Autor der Studie und ärztlicher Leiter des Universitären Herz- und Gefäßzentrums Hamburg, im Gespräch mit unserer Redaktion. Man bemerke die Schäden nicht unbedingt, allenfalls eine leichte Luftnot. Aber: „Wenn die Beeinträchtigungen selbst nach der Behandlung bleiben, kann dies zu schwerwiegenderen Erkrankungen der Organe in zehn oder auch erst in 20 Jahren führen.“ Daher rät der Mediziner bei Beschwerden: „Bitte unbedingt beim Arzt die Funktionswerte von Herz und Niere bestimmen lassen und gegebenenfalls über eine Therapie sprechen.“

Sind diese Folgeschäden denn wirklich gefährlich?

Große Sorgen macht den Wissenschaftlern ein zweiter zentraler Befund: „Es wurden deutlich vermehrte Zeichen einer Beinvenenthrombose neun Monate nach einer SARS-CoV-2 Infektion beobachtet“, so Blankenberg. In der Studie ist von „zwei- bis dreifach häufigeren Zeichen“ zu lesen. Was mitunter nur mit geschwollenen Beinen einhergehe, berge aber ein echtes Risiko: „Bei Beinvenenthrombosen besteht eine erhöhte Gefahr einer Lungenembolie, also einem Infarkt der Lunge, bis hin zur Todesfolge, wenn ein kleines Blutgerinnsel in die Lunge wandert“, so der Arzt.

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Lungenembolien sind häufige Todesursachen. Wie viele Todesfälle auf Beinvenenthrombosen nach Corona-Infektionen zurückzuführen seien, ob es einen relevant höheren Anteil als vor der Pandemie gebe, sei bislang zwar nicht zu sagen. „Mein Eindruck ist aber, dass diese Gefahr bislang unter dem Radar läuft.“ Blankenberg verweist auf die höhere Sterblichkeit durch Corona, die inzwischen belegt ist.

Auch andere Infektionskrankheiten, etwa die Influenza, können womöglich Organschäden verursachen. Ein Vergleich zwischen Grippe und Corona ist aufgrund der Daten der neuen Studie aber nicht möglich.

Macht die Corona-Impfung einen Unterschied?

Die von den Forschern festgestellten Organschäden gab es nur bei Ungeimpften. Das liegt zunächst daran, dass zum Zeitpunkt der Erkrankungen ab Mitte 2020 noch keine Impfstoffe verfügbar waren. Blankenberg geht aber davon aus, dass Geimpfte kaum solche Beeinträchtigungen erleiden. „Das ist jedoch eine logische Schlussfolgerung und kann aus unseren Daten nicht unmittelbar bewiesen werden“, sagt er. Die Impfung führe zu einem Gedächtnis des Immunsystems, das dann vor der Erkrankung schütze, erklärt er. Sie greife nicht die Organe an, wie es das Virus selbst jedoch tut.

Muss die Politik angesichts dessen handeln?

Die Erkenntnis, dass selbst ein milder Krankheitsverlauf mittelfristig zur Schädigung diverser Organe führen kann, „hat höchste Bedeutsamkeit gerade auch im Hinblick auf die aktuelle Omikron-Variante, die mehrheitlich mit milderen Symptomen einherzugehen scheint“, sagt Raphael Twerenbold, Wissenschaftlicher Studienzentrumsleiter und Kardiologe im Universitären Herz- und Gefäßzentrum des UKE.

Sein Kollege Blankenberg bringt es auf den Punkt: „Die klare Schlussfolgerung aus unseren Ergebnissen: Die Politik muss aus medizinischer Sicht alles daran setzen, die Ungeimpften vor einer Corona-Infektion zu bewahren, um sie vor Organschäden zu schützen.“