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Atomreaktor in Belgien„Pannenmeiler“ Tihange 2 geht für immer vom Netz

Lesezeit 3 Minuten
Belgiens umstrittenster Atomreaktor

Tihange 2 ist Geschichte

Belgiens umstrittenster Atomreaktor ist ab Mittwoch Geschichte: Dann hat der Betreiber Engie den zweiten Block im Kernkraftwerk Tihange nach genau 40 Jahren Laufzeit abgeschaltet.

Das endgültige Ende war für exakt 23.59 Uhr geplant: Dann sollte mit Ablauf des Monats Januar Belgiens umstrittenster Atomreaktor abgeschaltet werden, nach 40 Jahren Laufzeit. Am Dienstag ab 18.30 Uhr werde der Meiler Tihange 2 schrittweise heruntergefahren und solle dann pünktlich „eine Minute vor Mitternacht vom Netz gehen“, hatte ein Sprecher des Betreibers Engie zuvor erklärt. Deutsche Politiker und Atomkraftgegner sprechen von einem großen Erfolg. Sie kämpften jahrelang für das Aus des Kraftwerks am Ufer der Maas, rund 50 Kilometer von der deutschen Grenze.

Walter Schumacher vom Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie berichtet, in seinem Umfeld hätten einige bis zuletzt nicht an die Abschaltung geglaubt. Der pensionierte Mathematiker engagiert sich seit Jahren für das Ende des „Riss-Reaktors“ bei Lüttich, wie er bei Atomkraftgegnern heißt. Im Reaktordruckbehälter hatten Experten bereits im Jahr 2012 tausende haarfeine Risse gefunden. Schumacher und die anderen Aachener Aktivisten fürchteten nach seinen Worten, der Meiler Tihange 2 könne „bersten“ und dann eine radioaktive Wolke nach Westen ziehen, „die Aachen vernichtet“.

Ungemach drohte auch von einem belgischen Reaktor gleicher Bauart bei Antwerpen. Doch Doel 3 ging bereits Ende September vergangenen Jahres endgültig vom Netz. Mit der Abschaltung der beiden Pannenreaktoren geht nicht nur eine Ära der Angst, sondern auch mehr als ein Jahrzehnt juristischer Streitigkeiten zu Ende. Denn Belgien ließ die „Riss-Reaktoren“ zunächst weiterlaufen, ohne die Nachbarländer anzuhören und ohne die Umweltverträglichkeit zu prüfen – widerrechtlich, wie unter anderem der Europäische Gerichtshof urteilte. In Deutschland stieß dies auf Kritik bis hin zur Bundesregierung, auch in Luxemburg und den Niederlanden protestierten Atomkraftgegner.

Krischer: Nicht nur NRW wird durch das Aus sicherer

Nicht nur Nordrhein-Westfalen wird durch das Aus für die Pannenmeiler sicherer, wie Landesumweltminister Oliver Krischer (Grüne) betont. Einen Wermutstropfen sieht der Grünen-Politiker allerdings. Denn eigentlich wollte Belgien in zwei Jahren ganz aus der Kernkraft aussteigen und damit dem deutschen Beispiel folgen. Das sah ein bereits 2003 beschlossenes Ausstiegs-Gesetz vor. Doch der Ukraine-Krieg und die Energiekrise haben auch im Nachbarland zu einer Zeitenwende geführt. Horrende Gas- und Stromrechnungen sowie die Furcht vor flächendeckenden Stromausfällen veranlassten die Regierung von Ministerpräsident Alexander De Croo, die Notbremse zu ziehen.

In Belgien regiert eine „Ampel plus“ aus Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten sowie flämischen Christdemokraten, dort wurde die Atomdebatte zeitweise noch erregter geführt als in Deutschland. Zu Jahresbeginn folgte dann die Grundsatzeinigung: Die Brüsseler Regierung verabredete mit dem Atompark-Betreiber Engie, die Laufzeit für zwei Reaktoren um zehn Jahre zu verlängern, also bis 2035. Bei ihrer Abschaltung haben sie dann 50 Jahre auf dem Buckel.

In Aachen sorgt das Reaktor-Aus zwei Wochen vor Karneval für gute Laune. Karnevalesk klingt auch das Motto der Feiern, die die Atomkraftgegner in der Domstadt angekündigt haben. Es lautet: „Tihange zwei: aus und vorbei.“ (afp)