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„Menschenrechtliches Armutszeugnis“Wofür Amnesty International die Bundesregierung kritisiert

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ACHTUNG: SPERRFRIST 19. FEBRUAR 20:15 UHR. ACHTUNG SPERRFRIST ZUR VERÖFFENTLICHUNG 19.02.25 20:15 UHR GMT. - 19.02.2025, Berlin: ACHTUNG SPERRFRIST ZUR VERÖFFENTLICHUNG 19.02.2025. 20:15 UHR GMT. Bundeskanzler Olaf Scholz (l, SPD) steht neben Friedrich Merz, Unions Kanzlerkandidat und CDU Bundesvorsitzender, beim letzten TV-Duell vor der Bundestagswahl bei Welt TV und Bild. Das Gespräch wird nachmittags "Live on Tape aufgezeichnet und abends ausgestrahlt. Foto: Michael Kappeler/dpa-Pool/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz, nächster Kanzler und CDU-Bundesvorsitzender, sind für viele Kritikpunkte von Amnesty International verantwortlich. (Archivbild)

In ihrem Jahresbericht rügt die Menschenrechtsorganisation unter anderem den Koalitionsvertrag von CDU und SPD.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International macht Deutschland schwere Vorwürfe. In ihrem Jahresbericht zur Lage der Menschenrechte weltweit 2024 kritisiert sie, die Bundesregierung habe sich bei der Flüchtlings- und Migrationspolitik im vergangenen Jahr von einer „rassistischen und migrationsfeindlichen Rhetorik“ beeinflussen lassen. Das sei vor allem nach den Messerangriffen in Mannheim und Solingen der Fall gewesen. Diese Rhetorik habe sogar die Gesetzgebung beeinflusst.

Das „Sicherheitspaket“ der Ampel-Regierung, das im Oktober verabschiedet wurde, enthält laut Amnesty Regelungen, die „Kriminalität mit rassistischen Zuschreibungen, ethnischer Zugehörigkeit und Nationalität“ verknüpfen. Die Asylleistungen für Menschen, die eigentlich nach der Dublin-Verordnung in einem anderen EU-Land hätten bleiben sollen, sind aus Sicht der Menschenrechtsorganisation „unverhältnismäßig“ stark auf zwei Wochen eingekürzt worden. 

Amnesty beklagt unverhältnismäßige Härte gegen friedliche Proteste

Eine höhere Gefahr für „Racial Profiling“ sieht Amnesty bei den im September eingeführten Grenzkontrollen, also der verdachtsunabhängigen Kontrolle aufgrund äußerlicher Merkmale wie Hautfarbe oder Religion. Weiter bemängelt Amnesty, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nach dem Machtwechsel in Syrien die Bearbeitung von Asylanträgen aussetzte. Rund 50.000 Menschen sind nun in der Schwebe und können unter anderem keiner Arbeit nachgehen. 

Amnesty kritisiert außerdem die zunehmende Kriminalisierung von Klimaschützern in Deutschland. Im Mai wurden in Brandenburg fünf Aktivisten der „Letzten Generation“ wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Die Organisation spricht auch von „exzessiver Gewalt“, die Polizei und Behörden bei Klimaprotesten angewandt hätten.

Auch das unverhältnismäßig harte Vorgehen gegen pro-palästinensische Protestierende bemängelt der Bericht. Rüstungsexporte sieht Amnesty ebenfalls kritisch: Forderungen von UN-Experten, Waffenlieferungen nach Israel auszusetzen, ignoriere Deutschland. Amnesty wirft Israel in dem Bericht vor, mit dem Vorgehen im Gazastreifen im Krieg gegen die radikalislamische Hamas einen „Völkermord“ zu begehen. Das weist die israelische Regierung hingegen stets zurück.

Amnesty: „Wer Sicherheit will, muss Menschenrechte verwirklichen“

Besorgt zeigt sich Amnesty auch über die Pläne der künftigen Regierung aus Union und SPD. Der vorgelegte Koalitionsvertrag kündigt eine „Zeitenwende in der inneren Sicherheit“ an – das aber bediene „rassistische Feindbilder, instrumentalisiert das Aufenthalts- und Migrationsrecht, bläht Überwachung auf und greift die Zivilgesellschaft an“, so Generalsekretärin Julia Duchrow. Dabei erwarte die Organisation von der deutschen Regierung, weltweit ein Sprachrohr für Menschenrechte zu sein.

„Wer Sicherheit will, muss Menschenrechte verwirklichen“, heißt es in einem Pressestatement von Duchrow. Kritisiert werden im Amnesty-Bericht auch die deutschen Pläne zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung sowie jene zur Abschaffung des Lieferkettengesetzes. Das soll eigentlich sicherstellen, dass bei ausländischen Produkten für den deutschen Markt Arbeits- und Umweltstandards eingehalten werden.

Weiter werde behauptet, Familien stünden bei Schwarz-Rot im Mittelpunkt. „Gleichzeitig gehen sie im Asylrecht gegen Familiennachzug vor.“ Das Urteil der Generalsekretärin klingt vernichtend: „Dieses Regierungsprogramm ist ein menschenrechtliches Armutszeugnis und ein Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit“, so Duchrow. Amnesty International hat zum deutschen Koalitionsvertrag auch eine separate Analyse veröffentlicht. Für den 408-seitigen Jahresbericht der Organisation wurden hingegen 150 Länder untersucht. (mit dpa/afp)