Streit um angebliche „Lex Tönnies“Gibt es Corona-„Sonderrechte“ beim Fleischkonzern?
Düsseldorf – Die SPD-Landtagsfraktion fordert von der Landesregierung Aufklärung, ob der Fleischkonzern Tönnies vom Kreis Gütersloh Quarantäne-Sonderrechte bekommt. Der WDR hatte unter Bezugnahme auf Gesundheitsamts-Mitarbeiter aus Gütersloh berichtet, dass Tönnies dort als „Spezialfall“ gelte und sich Mitarbeiter nach einem Corona-positiven PCR-Test schon nach zwei und nicht, wie vorgeschrieben, nach sieben Tagen, „freitesten“ und wieder zur Arbeit gehen können. Das NRW-Gesundheitsministerium billige diese Praxis sogar.
„Das ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich um den Arbeits- und Gesundheitsschutz bemühen. Keine Erzieherin, kein Lehrer wird nach zwei Tagen in die Arbeit entlassen“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Josef Neumann. Es könne nicht sein, dass ausgerechnet Tönnies von Kreis- und Landesbehörden eine „Extrawurst“ bekomme.
Laumann soll zu Vorwürfen Stellung nehmen
Die SPD forderte Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) auf, in der nächsten Sitzung des Gesundheitsausschusses am 16. März zu den Vorwürfen Rede und Antwort zu stehen. Für den Fall, dass die Antworten nicht zufriedenstellend ausfallen, droht die Fraktion mit einer Sondersitzung.
SPD-Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat geht davon aus, dass die Vermutungen, es könne bei der Quarantäne eine „Lex Tönnies“ geben, viele Menschen verunsicherten. Ihr Kollege Neumann erinnerte daran, dass die Belegschaft von Tönnies zum Teil aus europäischen Ländern komme, in denen die Corona-Regeln zuletzt abgeschwächt worden seien.
Tönnies
In Rheda-Wiedenbrück im Kreis Gütersloh betreibt die Firma Tönnies Deutschlands größten Schlachthof. Anfang 2020 war es in der ersten Corona-Welle zu einem Ausbruch in der Belegschaft gekommen. Die Fleischindustrie musste in der Folgezeit ein engmaschiges Testnetz für ihre Mitarbeiter aufbauen. Umstritten ist, ob die Unternehmen eine Schuld am Corona-Ausbruch im Frühjahr 2020 tragen. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hatte diese Ansicht wiederholt geäußert. Das Verwaltungsgericht Minden wies dies aber im Januar 2022 zurück. Erste Klagen zur Zahlung von Lohn-Entschädigungen nach angeordneter Quarantäne durch das Land waren erfolgreich. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig. (dpa)
Die Firma Tönnies äußerte sich nicht zu den Vorwürfen und verwies auf die Behörden aus Gütersloh. Die hielten sich bis zum Montagabend allerdings bedeckt.
Das NRW-Gesundheitsministerium verlautbarte, dass es über die mit den Kreisbehörden verabredeten Testregeln bei Tönnies informiert gewesen sei und diese für „nicht bedenklich“ halte. Es gehe dabei um Tests für Corona-positive geimpfte oder genesene Tönnies-Mitarbeiter, denen „kurzfristige PCR-Nachtestungen“ angeboten worden seien, um herauszufinden, ob es sich um eine beginnende oder eine abklingende Infektion handele. Aus Kreisen der Landesregierung hieß es, die Tests in der Fleischindustrie seien viel engmaschiger als die im Alltag. Der normale Bürger werde nicht so aufwändig kontrolliert.
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Nur in NRW würden seit dem 1. Januar auch für geimpfte und genesene Mitarbeiter in der Fleischindustrie einmal in der Woche Antigen-Schnelltests durchgeführt. Tönnies habe sich vorübergehend zu Jahresbeginn sogar für die sensibleren PCR-Tests entschieden. Nur diesen Fällen habe es bei positiven Tests kurz darauf Nachüberprüfungen per PCR-Test gegeben.