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Initiative in NRWWie die Digitalkompetenz der Generation 60 plus wachsen soll

Lesezeit 3 Minuten
ILLUSTRATION - Eine Seniorin sitzt an ihrem Laptop.

Eine Seniorin sitzt an ihrem Laptop. Etwa die Hälfte aller Senioren sind offline.

Die schwarz-grüne Landesregierung Nordrhein-Westfalens plant, zusammen mit Unternehmen die digitale Teilhabe der „Generation 60 plus“ zu verbessern.

Die schwarz-grüne Landesregierung will gemeinsam mit nordrhein-westfälischen Unternehmen die digitale Teilhabe der „Generation 60 plus“ verbessern. Diese Aufgabe dürfe nicht länger allein Seniorenclubs und ehrenamtlichen Hilfsorganisationen überlassen bleiben, sondern müsse stärker in die Kundenstrategie der Wirtschaft selbst einbezogen werden, hieß es am Mittwoch am Rande der Unterzeichnung einer Absichtserklärung in Düsseldorf.

Die Vereinbarung sei „ein sehr starkes Zeichen der Wirtschaft, sich einzubringen“, lobte Kultur-Staatssekretärin Gonca Türkeli-Dehnert, die den in Berlin bei den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen eingebundenen Medienminister Nathanael Liminski (CDU) vertrat.

Ziel ist eine bessere Orientierung auf lebensältere Kunden, um die Chancen der Digitalisierung nutzen zu können. „Wir warten nicht drauf, dass sie bei uns mal anrufen und sagen: Ich komme nicht weiter, helft uns mal. Denn in dem Moment haben sie die Frustration bei den Menschen geparkt“, sagte Initiatorin Simone Stein-Lücke, die zahlreiche namhafte Unternehmen an Rhein und Ruhr vernetzt hat.

Ungefähr die Hälfte aller deutschen Senioren ist offline

Der Aachener IT-Unternehmer und Präsident des Bundesverbandes IT-Mittelstand, Oliver Grün, machte deutlich, dass eine Verbesserung der digitalen Teilhabe im Eigeninteresse von Wirtschaft und öffentlicher Hand liege. „Die größte Anwendergruppe, die völlig runterfällt, sind Menschen 60 plus. Das sind 25 Millionen Menschen bundesweit, von denen ungefähr 50 Prozent offline sind“, so Grün.

Der Unternehmer entwickelt ei-gentlich Software-Lösungen, probt aber neuerdings den Wechsel auf die Anwenderseite. „Wenn wir digitale Souveränität wollen, gehört auch die Begeisterung der Anwender dazu“, erklärte Grün. So habe er einen IT-Club für Ältere gegründet. Gegen einen Clubbeitrag von 20 Euro monatlich bekommen Mitglieder Schulungen, Reparaturservice und Freizeitaktivitäten. Die Begeisterung der Teilnehmer sei riesig.

Die digitale Weiterbildung der Älteren wird nach Grüns Überzeugung Schule machen: „Es steckt ein wahnsinniger Nutzen drin für jede Versicherung oder den öffentlichen Dienst.“ Seine Vision für seinen IT-Club: ein ADAC für IT zu werden. „Natürlich wollen wir damit irgendwann auch Geld verdienen, davon sind wir aber noch weit weg.“

Das Klage über die hinterwäldlerische Digitalisierung ist zwar längst zum geflügelten Wort geworden. IT-Unternehmer Grün machte dagegen eine andere Rechnung auf: Deutschland sei auch bei der Privatnutzung von bereits vorhandenen öffentlichen Digitalangeboten auf dem vorletzten Platz in Europa. Daran müsse sich etwas ändern.

Eine „Digitalakademie“ soll helfen

Annette Grabbe, Vorstandssprecherin der Rheinbahn, will – ähnlich wie die „Busschule“ für Kinder – eine „Digitalakademie“ etablieren. Beschäftigte wie Kunden gleichermaßen sollen hier mit digitalen Möglichkeiten vertraut gemachen werden. „Wir wollen Barrieren noch weiter abbauen, wir wollen Ängste nehmen und wir wollen sicherstellen, dass niemand zurückbleibt“, sagte Grabbe.

Die Rheinbahn hat sich bereits auf den Weg gemacht, die bargeld- und ticketlose Nutzung von Bus und Bahnen in Düsseldorf voranzutreiben. Ihre Erfahrung: Längst nicht alle Älteren stören sich daran. „Wir dürfen diese Gruppe nicht pauschalisieren“, mahnte sie. Die Aufgabe bestehe gleichwohl darin, Innnovationen und Kundenverhalten aufeinander abzustimmen. Die Rheinbahn begebe sich auf immer mehr digitale Felder bis hin zum autonomen Fahren: „Doch was nützt mir das alles, wenn nicht alle Zugang dazu haben“, so Grabbe.

Gewaltiges Einsparpotenzial durch bessere Digitalisierung älterer Menschen liegt offenbar im Gesundheitssektor. Matthias Mohrmann, Vize-Chef der AOK Rheinland/Hamburg, sprach von drei bis fünf Prozent, die bei den Gesundheitsausgaben gespart werden könnten, würden digitale Möglichkeiten besser genutzt. Das wären 15 bis 25 Milliarden Euro. „Das ist eine unterschätzte Ressource“, so Mohrmann.

Der Weg des Patienten durchs verschlungene Gesundheitssystem ließe sich etwa deutlich effizienter steuern. 50 Prozent der Bürger hätten laut Studien eine „geringe Gesundheitskompetenz“, bei den Über 65-Jährigen seien es sogar zwei Drittel, so Mohrmann: „Ich glaube, da kann man mit Digitalisierung eine ganze Menge machen.“