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Zwischen Grundversorgung und SpezialisierungWas die Krankenhausreform für das Rheinland bedeutet

Lesezeit 6 Minuten
Der Weg zum Krankenhaus kann aufgrund der Reform in komplizierten Fällen deutlich weiter werden.

Der Weg zum Krankenhaus kann aufgrund der Reform in komplizierten Fällen deutlich weiter werden.

Experten betonen die Notwendigkeit der Reform, kritisieren jedoch längere Anfahrtszeiten und befürchtete Versorgungslücken, insbesondere im ländlichen Raum.

Sieben Jahre lang hat es gedauert, bis die Krankenhausreform in Nordrhein-Westfalen nun zum Monatsanfang in Kraft getreten ist. „Zukunftssicher und patientenorientiert“ beschreibt das Düsseldorfer Gesundheitsministerium die Resultate der jahrelangen Planungen. Gemeinsam mit Krankenhäusern, Kostenträgern, Ärztekammern und vielen weiteren Akteuren sei es gelungen, die Versorgungsqualität zu stärken.

Trotzdem wird vor Ort viel diskutiert. Immerhin werden ganze Abteilungen geschlossen, es gibt Befürchtungen, dass eine adäquate Versrogung in direkter Nähe des Wohnortes vielfach nicht mehr gegegebn sein wird. Wie ist die Lage wenige Tage nach Inkrattreten der umfassenden NRW-Krankenhausreform im Rheinland? Ein Überblick:

Warum war die Krankenhausreform eigentlich nötig?

Nach Ansicht von Experten haben gerade in Ballungsräumen viele Kliniken dasselbe Spektrum an Leistungen angeboten wie die in ihrer direkten Nachbarschaft. Ausgangspunkt der Überlegungen war, dass sich Fachleute besser spezialisieren könnten, wenn sie konzentriert in einem Haus bestimmte Eingriffe regelmäßig machen. Das zuständige NRW-Gesundheitsministerium betont, dass mit der Reform einem bisher „ruinösen Wettbewerb der Krankenhäuser um Fallzahlen und Personal entgegenwirkt werde.

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An sogenannten Behandlungs-Schwerpunkten sollen besonders komplizierte Leistungen zusammengefasst und ausgebaut werden. Wo andere Kliniken in der Nachbarschaft Ähnliches angeboten haben, wurde das von der Behörde untersagt. Das seien durchaus „tiefgreifende Strukturveränderungen“, heißt es aus dem Ministerium, aber die seien notwendig.

Welche Gebiete sind im Rheinland besonders betroffen?

Es gibt wohl kaum ein Krankenhaus, das sich nicht von bisher erbrachten Leistungen wie zum Beispiel Operationen verabschieden musste. Auf den Internetseiten des Ministeriums ist ausführlich aufgelistet, welches Haus welche Leistungen noch anbieten darf – und welches nicht. Allerdings sind die Darstellungen wenig übersichtlich.

Je ländlicher ein Gebiet ist, umso mehr wirkt sich eine Spezialisierung einzelner Häuser aus – unter Umständen muss man für eine Operation oder Therapie weite Wege in Kauf nehmen. Akut von einer Schließung bedroht scheint bisher aber kein Krankenhaus zu sein.

Lediglich bereits zum Ende Januar hatte jedoch das Sankt Hubertus-Stift in Bedburg (Rhein-Erft-Kreis) unter Verweis auf die Reform Insolvenz angemeldet und das Haus geschlossen.

Welche Leistungen sind besonders von Streichungen betroffen?

Unterschieden wird zwischen Grund- und Spezialversorgung. Zur Grundversorgung zählen die Intensiv- und die Allgemeine Innere Medizin sowie die Chirurgie. Hier wurden nahezu alle Anträge von den Krankenhäusern berücksichtigt.

Ganz anders sieht es bei speziellen Behandlungen aus. So wurden bei Hüft- und Knieoperationen mehr als 40 Prozent der Klinikwünsche abgelehnt, bei der Behandlung von Leber- oder Speiseröhrenkrebs sogar drei Viertel.

Seit Dezember 2024 stand verbindlich für alle 306 Krankenhäuser mit 526 Standorten landesweit fest, welche Leistungen sie ab dem 1. April 2025 anbieten konnten und welche eben nicht mehr. Für zehn Leistungsgruppen insbesondere in der Notfallversorgung und der Orthopädie gibt es Übergangsfristen bis zum 31. Dezember 2025.

Unterdessen gibt es auch zahlreiche Leistungen, bei denen alle Anträge genehmigt wurden: Im südlichen Rheinland gibt es quasi eine Vollversorgung etwa in der Allgemeinen Frauenheilkunde, im Norden bei Geburten und der Kinder- und Jugendmedizin.

Was bedeutet das in der Großstadt Köln?

Die Hospitalvereinigungen der Cellitinnen zum Beispiel betreibt in Köln sieben verschiedene Häuser. Bei allen wurden Leistungsgruppen in erheblichem Umfang gestrichen. Aus den Tabellen des Ministeriums ist abzulesen, dass insbesondere die Versorgung mit künstlichen Gelenken, Eingriffe an der Wirbelsäule und die Palliativmedizin nicht berücksichtigt wurden, während andere Kliniken zahlreiche solcher Fälle zugewiesen bekamen.

Cellitinnen-Sprecherin Susanne Bieber erläuterte auf Anfrage, dass allein eine Abteilung für Urologie am Sankt Hildegardis-Krankenhaus wegen der Reform geschlossen wurde. An allen anderen Häusern blieben die vorhandenen Abteilungen komplett erhalten, wirkliche Einschränkungen für Patienten gebe es nicht.

Die Streichungen der Wirbelsäuleneingriffe in den Krankenhäusern Heilig Geist und Sankt Vinzenz seien ein rein formaler Akt, da in beiden Häusern auch vor der Vergabe der Leistungsgruppen nur in akuten Notfällen Eingriffe vorgenommen wurden. Die palliativmedizinische Versorgung werde im Verbund der Cellitinnen-Häuser nach wie vor sichergestellt.

Was bedeutet das in Bonn und im ländlichen Raum?

In der tabellarischen Zuweisung durch das Ministerium sind vor allem die GFO-Kliniken mit vielen Streichungen konfrontiert. Die Häuser in Bonn, Troisdorf, Brühl, Engelskirchen und Rhein-Berg müssen zum Teil in erheblichem Umfang Leistungen einstellen. Aber auch hier ist Barbara Florange als Mitglied der GFO-Geschäftsführung guter Dinge. Innerhalb des eigenen Klinik-Verbundes habe man ein Konzept erarbeitet, das sowohl Leistungen der Grund- und Regelversorgung als auch bestimmte Spezialisierungen beinhalte.

Um Leistungen, die bisher nur selten erbracht wurden und die somit gar nicht zum Kernangebot gehört hatten, habe man sich von vornherein nicht mehr beworben. „Über alle Klinikstandorte hinweg betrachtet, bewertet die GFO die Zuteilung der Leistungen durch das MAGS als insgesamt sehr positiv“, erklärt Florange. Ein Problemfall jedoch ist der südlichste Zipfel des Rheinlands im Kreis Euskirchen.

Wie weit werden die Wege zu den Kliniken nun?

Angaben zu den Anfahrzeiten gibt es vom Ministerium nur für die Grundversorgung. Im Regierungsbezirk Köln sollen gut 74 Prozent der Bürger ihr nächstes Not-Krankenhaus bereits innerhalb von zehn Minuten Fahrzeit erreichen, 98,6 Prozent innerhalb von höchstens 20 Minuten. 99,9 Prozent sollen das immerhin noch in einer halben Stunde schaffen.

Allein im Kreis Euskirchen sieht es problematisch aus: Das NRW-Gesundheitsministerium geht hier von Anfahrzeiten aus, die sogar 40 Minuten übersteigen können. Bei den speziellen Behandlungen werden insgesamt wohl deutlich längere Entfernungen und somit auch Fahrtzeiten entstehen.

Insbesondere für Angehörige, die Patienten nach Eingriffen in einer Klinik besuchen wollen, dürfte sich das auswirken.

Was sagt die Politik zu den Ergebnissen der Reform?

„Mit dem Krankenhausplanungsverfahren haben wir als Landesregierung eines unserer wichtigsten Projekte in dieser Legislatur erfolgreich abgeschlossen“, erklärt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Das sei gelungen, weil von Beginn an alle wichtigen Akteure der nordrhein-westfälischen Krankenhauslandschaft einbezogen worden seien.

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, Thorsten Klute, räumt ein, dass die Reform „grundsätzlich ein richtiges Ziel verfolgt“. Es seien aber auch „an mehreren Stellen ernstzunehmende Lücken“ entstanden. So bestehe beispielsweise im Kreis Euskirchen die Gefahr, dass die Veränderungen durch den Krankenhaus-Plan zu weiteren Klinik- und Stationsschließungen führen könnten, wodurch sich Situation noch weiter verschärfen könne. Zudem, so Kluthe, sei die Krankenhausreform „hoffnungslos unterfinanziert“. Die Landesregierung stelle den Krankenhäusern viel zu wenig Geld für Investitionen bereit.

Auch Susanne Bieber, Sprecherin der Hospitalvereinigung der Cellitinnen, hält es für „veränderungswürdig“, dass die Kosten für die vorgenommenen oder anstehenden Leistungsreduktionen bei den Krankenhausträgern hängen blieben.

Das NRW-Gesundheitsministerium weist unterdessen darauf hin, dass es bereits in der laufenden Legislaturperiode rund 2,5 Milliarden Euro für Maßnahmen zur Umsetzung des neuen Krankenhausplans zur Verfügung stelle.

Was machen die Klagen gegen die Reform?

Insgesamt gibt es nach Auskunft des NRW-Gesundheitsministeriums 93 Klagen gegen Entscheidungen zur Reform. Die Frist für Klagen ist inzwischen abgelaufen, es können also keine weiteren dazukommen. Welche Krankenhäuser im Süden von NRW geklagt haben, wurde nicht mitgeteilt. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung, das heißt, die Entscheidungen müssen umgesetzt werden, selbst wenn Gerichte sie irgendwann widerrufen. Wohl auch deshalb haben insgesamt 44 Kliniken Eilverfahren vor Gerichten beantragt. Einige davon sind bereits entschieden worden, im Rheinland grundsätzlich zu Gunsten des Landes. Konkret betroffen sind davon die Rhein-Maas-Klinikum GmbH, dass St. Marien-Hospital GmbH in Düren, das Marienhospital Aachen GmbH sowie das Klinikum Leverkusen.

Wie wirkt sich die Bundespolitik künftig auf die Krankenhaus-Landschaft in NRW aus?

Im Düsseldorfer Gesundheitsministerium ist man da nicht ganz sicher. „Die Grundprinzipien der nordrhein-westfälischen Krankenhausplanung hatten und haben Vorbildcharakter für den Bund und die Krankenhausplanung aller anderen Bundesländer“, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage.

Das seit Dezember 2024 auf Bundesebene geltende Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) enthalte viele Punkte, die gut mit der NRW-Krankenhausplanung vereinbar seien: „Allerdings ist dazu heute keine abschließende Beurteilung möglich, da zum einen noch Detailregelungen aus Berlin fehlen, zum anderen das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen abgewartet werden muss. Dort spielt auch die Krankenhausplanung eine gewichtige Rolle.“

Es ist also durchaus möglich, dass die bereits in Kraft getretenen und noch kommenden Änderungen nicht die letzten waren.