Camping bedeutet für die einen Freiheit und Abenteuer, für die anderen Spießertum mit Gartenzwerg vor dem Wohnwagen und Chemieklo. Eines haben Campingfans aber gemeinsam, Sie wollen eine Pause vom Alltag – ohne Halligalli und Unterhaltungsprogramm. Viele würden sogar am liebsten wildcampen, doch das ist in Deutschland verboten. Es gibt allerdings Möglichkeiten, wie man ganz legal sehr nah ans Wildcampen kommt – beim so genannten Off-Grid-Camping, was so viel heißt wie unabhängiges Zelten.
Im Campingland Holland ist der Begriff „Mini-Camping" für solche Plätze längst etabliert und fester Bestandteil des Angebots vieler kleiner Bauernhöfe. Holland-Urlauber kennen die Schilder an den Straßen, die auf den nächsten „Mini-Camping" hinweisen. So ist es nicht verwunderlich, dass mit „Campspace" ein holländisches Start-up vor fünf Jahren begonnen hat den Campingplatz-Markt aufzumischen. Inzwischen gibt es viele derartige Angebote, die wie Airbnb funktionieren, eben nur für Campingfans - auch in Deutschland. Vor zwei Jahren etwa hat die Wuppertalerin Nina Heyder mit der Gründung ihres Start-Ups ZeltzuHause ein solches gegründet.
Wie funktioniert das?
Über Plattformen wie Campspace.com oder Zeltzuhause.de kann jeder seinen Garten oder sein Grundstück als Stellplatz oder Zeltwiese anbieten. So entstehen weltweit spontane oder permanente Mini-Campingplätze - von Hawaii bis Neuseeland - und auch in NRW. Zeltzuhause bietet Plätze in ganz Deutschland an - und es werden immer mehr. Bewertungen bieten Campern zusätzliche Orientierung. Gesucht werden kann auch nach besonders hundefreundlichen oder kinderfreundlichen Plätzen, solchen mit Frühstück oder sogar gegen Arbeit.
Wer kein eigenes Wohnmobil oder keinen Bulli besitzt, kann sich ein solches Fahrzeug auch mieten. Die Camper-Sharing-Plattform Gobooy verbindet Urlauber mit Wohnmobilbesitzern. Auf der von Airbnb inspirierten Plattform können Besitzer ihren Camper einstellen und Reisende wiederum das für sie passende Wohnmobil aus der Flotte aussuchen – vom Luxuscamper übers E-Wohnmobil bis hin zum Bulli mit Retro-Feeling. www.goboony.de
Off-Grid-Camping ist eine Einstellung. Gastgeber, die somit Teil eines inzwischen großen Netzwerkes sind, bieten ihre Orte in Regel nicht aus finanziellen Gründen an, sondern, weil Sie Menschen mit ähnlichen Interessen aus der ganzen Welt treffen möchten. Die Nutzung eines solchen Platzes sei ein Privileg, schreibt ein Gastgeber zu seinem Angebot. „Nehmen Sie uns nicht für einen billigen Campingplatz, also erwarten oder fordern Sie nicht alle Annehmlichkeiten, die Campingplätze normalerweise bieten." Also, wie wäre es nun mit Zelten auf einer Schafswiese, im Schlosspark oder Gemüsegarten? Wir haben uns Angebote auf den Plattformen angesehen und 10 Highlights in NRW rausgesucht.
10 schöne Plätze zum Mini-Campen:
1. Idylle am Waldrand zwischen Köln und Bonn, Wahner Heide
Zelten am Naturschutzgebiet Wahner Heide: Günther und Erika bieten ihren parkähnlichen Garten in Lind für Zelte und Campingbusse an. Auf dem waldigen Grundstück laufen neben Soayschafen auch Enten und Hühner frei herum. Im Gartenhaus können neben der Toilette auch Kühlschrank, Wasserkocher, Geschirr, Mikrowelle und Backofen genutzt werden. Ausflugsziele gibt es zu genüge in der Umgebung: Vom Naturschutzgebiet Wahner Heide bis zur Stadttour durch Köln oder Bonn.
Kosten: ab 30 Euro pro NachtWo: Lind, Wahner HeideAnbieter: Campspace, suchen unter Köln-Wahn
2. Campen, wo die Heidschnucken schlafen, in der Nordeifel
Auf dem wunderschönen Bauernhof am Ortsrand von Wachendorf bei Mechernich, am Fuß der nördlichen Eifel, sind Wohnwagen, Campingbusse und Wohnmobile willkommen. Angeboten wird eine naturnahe Wiese mit freiem Blick in die Landschaft und auf eine Heidschnuckenweide. Auf dem denkmalgeschützten Vierkanthof betreiben die Gastgeber eine Manufaktur für gestimmte Klangspiele. Auch eigene Produkte wie Fleisch und Felle werden im Hofladen verkauft.
Kosten: ab 25 Euro pro NachtWo: am Rand von Wachendorf, Mechernich, EifelAnbieter: Campspace, suchen unter Mechernich
3. Camping im Schlossgarten bei Köln, Bergheim
Neugierig macht das Angebot von Gastgeberin Andrea bei Pulheim: Camper und Zelte kommen auf dem Gelände des Hofes, im Garten oder Obstgarten, unter. Das dazugehörige Herrenhaus wird gerade saniert und dass die Gastgeber Tiere lieben, kann man nicht überhören: Kaninchen, Hunde, Pfaue und Esel leben hier. Reiten, Kanu fahren, Schwimmen, Radfahren und Wandern ist in der Nähe möglich.
Kosten: ab 30 EuroWo: Stommeln, bei Pulheim, Rhein-Erft-Kreis Anbieter: Campspace, suchen unter Stommeln
4. Glamping im Obstgarten bei Kleve
In der Nähe von Kleve liegt dieser Naturcampingplatz, der Teil einer meist niederländisch sprechenden Wohngemeinschaft ist, bestehend aus Biobauern, Künstlern, Natur- und Lebensgenießern, wie sie sich selbst bezeichnen. Sie leben und arbeiten auf dem angrenzenden Bauernhof. Angeboten werden einfache Plätze für Zelte, Camper und Wohnmobile. Wer möchte, kann sich aber auch in ein fertiges Glamping-Zelt oder in den Campingbus „Charlie" einmieten. Es gibt eine Meditationskuppel, Pool, Sauna, Feuerstelle und mehr zu entdecken.
Kosten: ab 16 Euro bis 95 Euro pro Nacht für ein aufgebautes und eingerichtetes Bell-ZeltWo: KleveAnbieter: Campspace, suchen unter Kleve
5. Camping nähe Hennesee im Sauerland, Eslohe
Perfekt für Familien: Der Sauerländer Ferienhof der Familie Stratmann liegt in einem kleinen Dorf bei Eslohe und bietet Platz für drei Zelte und Camper an. Es gibt ein gemeinschaftliches Bad mit WC/Dusche und sogar Waschmaschine und WLAN stehen zur Verfügung. Kinder können Ponyreiten, den Spielplatz nutzen und alles was ein Ferienhof noch so bietet erleben – bis hin zum Lagerfeuer am Abend. In den 25 Euro pro Nacht sind alle Kosten enthalten. Sogar Haustiere dürfen mitgebracht werden. In der Nähe liegt der Hennesee.
Kosten: 25 Euro pauschal für allesWo: Eslohe-Landenbeck, SauerlandAnbieter: Campspace, suchen unter Hennesee
6. Ruhig gelegen in Keldenich, Kall, Eifel
Mitten durch den Ort Keldenich im Kreis Euskirchen führt der Radwanderweg Eifel-Höhen-Route, der auf einem 230 Kilometer langen Rundkurs durch die Nordeifel führt. Dabei geht es quer durch den Nationalpark Eifel mit seinen Stauseen, vorbei an den Flüssen Ahr, Urft, Kyll und Rur und den schönen Ortschaften Monschau und Blankenheim. Wer mit Zelt unterwegs ist, findet auf dem Weg auch Mini-Camping-Spots wie diese ruhige, teils waldige Wiese in Keldenich. Die Gastgeber bieten Platz für sechs Gäste mit Zelt und für einen Bulli, dazu gibt es Strom, Wlan und Wasseranschluss.
In einem idyllischen kleinen Garten in der Nähe von Burscheid im Bergischen Land steht ein Apfelbaum, unter dem gezeltet werden darf. Die Gastgeber haben Platz für ein Dreipersonenzelt und freuen sich über Alleinreisende, Paare, auch mit Hund oder kleine Familien. „Refugium für Wandernde und Weltenbummler. Eine Unterkunft für Durchreisende oder als Quartier für Umgebungskundschafter", schreiben sie selbst über ihr Angebot. Es gibt eine Hängematte, eine warme Dusche und eine Feuerstelle. In der Umgebung warten 4000 km Wanderwege durch das Bergische Land - von Bergischen Streifzügen bis zum Panoramasteig. Es gibt Talsperren und Seen, Radtouren auf Bahntrassen und viele Sehenswürdigkeiten wie den Altenberger Dom.
8. Camping mit Weitblick in die Natur in Marienheide
Unweit der Lingeser Talsperre liegt diese schöne Wiese mit Weitblick in die Natur: Im großen Garten bei Marienheide im Oberbergischen Kreis kann für 10 Euro pro Nacht gezeltet werden. Für 5 Euro pro Person gibt es auch ein Frühstück. Eine Feuerstelle, Grill und Sitzplatz sind vor Ort und wer mag, darf sogar den Pool benutzen. Dusche und WC befinden sich im Haus der Gastgeber. In der Gegend gibt es viele schöne Mountainbike-Trails, Wander- und Fahrradwege.
Campen der besonderen Art ist in diesen fertig aufgestellten Baumzelten in einem Wald bei Bad Salzuflen möglich – eine Auszeit in der Natur. Klaus Heidel stellt die „Tentsile Connect Safari" zur Verfügung und baut sie fachgerecht auf. Hunde dürfen nicht mitgebracht werden. Die Zelte werden zwischen drei stabilen Bäumen in einer Höhe von 1,0 bis 1,2 Meter aufgespannt. Ein fest verbautes Moskitonetz, umfasst die Zelte, so liegt man geschützt unter freiem Himmel, zur Not gibt es auch ein Regendach. Wer noch mehr Naturprogramm möchte, kann auch unterschiedliche Waldbaden-Aktionen dazu buchen.
10. Wunderschöner Fahrradgarten an der Trasse in Wuppertal
„Juttas wunderschöner Garten" klingt wie ein Paradies für Radfahrer, denn er liegt direkt an einer Kreuzung des Panoramaradweges und der Korkenziehertrasse, einer zum Radwanderweg umgebauten ehemaligen Bahntrasse, die von Solingen nach Wuppertal führt. Gastgeberin Jutta und ihr Mann haben sogar ihr Gartenhaus abgerissen, um an der Stelle einen Platz für ihre Gäste zu schaffen, die dort jetzt eine kleine Terrasse mit Grill vorfinden. Ein Toilettenzelt mit Waschmöglichkeiten steht zur Verfügung. Neben Radfahren gibt es viele schöne Ausflugziele vor der Tür.
10 weitere Tipps für weltweites „Off-Grid-Camping"
1. Bei Hinterland.campheißt es: Taunus statt Thailand? So wirbt die Plattform, auf der mehr als 1000 private Stellplätze oder Zeltwiesen an Seen, Flüssen oder auf dem Bauernhof angeboten werden. „Hinterland“ wurde im Sommer 2020, also mitten in der Corona-Pandemie, gegründet und nach eigenen Angaben wurden bereits im vergangenen Jahr mehr als 25.000 Übernachtungen über das Portal gebucht. Preise variieren von 5 bis knapp 190 Euro.
2. Homecamper.combietet weltweit 58.000 Zeltwiesen, private Gärten oder Parks zum Übernachten auf der ganzen Welt an.
3. Bei Campspace.com sind aktuell über 350 Plätze in Deutschland registriert, davon viele in der Region um Köln und Bonn. Fast täglich kommen neue dazu.
4. Die Plattform zeltzuhause.de hat sich auf Deutschland spezialisiert. Aktuell sind für NRW 38 private Gärten und schöne Orte für Zelt oder Bulli registriert.
5. Auch auf dem Reiseblog roadsurfer.comwerden private Stellplätze für den Bulli vermittelt. Gastgeber können sich hier eintragen.
6. 1Nite Tent.com ist eine Art „Couchsurfing für Zelte". Bei dem Projekt können Privatleute ihre Grundstücke anmelden, die auf der Website in einer Karte gebündelt dargestellt werden. Hier sind die Übernachtungen sogar kostenlos. Es gibt aktuell rund 500 Angebote – die meisten in Deutschland, aber auch in Europa und bis Belize.
7. Wer über alpacacamping.deeinen Stellplatz findet, der übernachtet auf landwirtschaftlichen Grundstücken oder direkt bei Winzern.
8. Bei you-and-a-view.com können Stellplätze bei privaten Gastgebern gebucht werden. Es gibt eine Übersichtskarte. Preise beginnen ab 10 Euro pro Nacht.
9.In England gibt es den „Nearly Wild Camping Club"bei dem die Mitglieder aus 220 Plätzen in England, Schottland und Irland auswählen können
10. Ebenfalls in England: Wildpoint.com und wildwithconsent.com haben ein sehr großes Angebot von privaten Off-Grid-Plätzen auf ihren Seiten.