Markus Lanz und Tino Chrupalla geraten mehrfach aneinander. Kritik wird dabei auch am Moderator laut.
Tino Chrupalla bei „Markus Lanz“„Das ist jetzt echt Verschwörungstheorie, was sie machen“
Politikerinnen und Politiker der demokratischen Parteien sitzen beim ZDF-Talkmaster Markus Lanz regelmäßig als Gesprächspartner am Tisch, AfD-Verantwortliche hat der Moderator hingegen selten zu Gast. In der Ausgabe vom Dienstagabend war das anders: AfD-Chef Tino Chrupalla stellte sich den Fragen von Markus Lanz und versuchte mit dem Auftritt, den seit den Enthüllungen des Medienhauses Correctiv, und den daraus resultierenden bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus, sinkenden Umfragewerten entgegenzutreten.
Das allerdings erwies sich früh als schweres Unterfangen. Insbesondere bei der Diskussion um Rechtsextremismus in der AfD geriet Chrupalla in die Bredouille. Ein Extremist sei für ihn jemand, „der mit Gewalt oder mit Gewaltfantasien versucht, die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung infrage zu stellen oder diese zu bekämpfen“, gab der AfD-Chef an. So etwas gebe es in seiner Partei allerdings nicht, das sei eine „klare rote Linie“.
Markus Lanz: Tino Chrupalla irritiert Moderator mit Aussage zu Björn Höcke
Für die AfD – vom Verfassungsschutz in drei Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuft – zähle „das Grundgesetz, und auch die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung“, so Tino Chrupalla. Wer das infrage stelle, werde aus der Partei ausgeschlossen.
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Markus Lanz hakte nach: „Björn Höcke ist keiner, der von sozusagen Umsturzfantasien oder von völkischen Fantasien und so weiter spricht?“, fragte der Talkmaster. „Da würden Sie sagen: Der ist raus? Er ist nicht rechtsextrem?“ Der Parteichef verneinte: „Björn Höcke ist nicht rechtsextrem!“
Der vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist eingestufte AfD-Politiker Björn Höcke äußerte in der Vergangenheit bereits mehrfach faschistisches Gedankengut. Höcke muss sich unter anderem für die Verwendung der SA-Losung in einer Rede vor Gericht verantworten.
AfD erwägt Ausstieg Deutschlands aus der Europäischen Union
Auch beim Thema Europäische Union gerieten der Talkmaster und Chrupalla heftig aneinander. Lanz sprach mit dem Oberlausitzer über einen möglichen Austritt Deutschlands aus der EU, den die AfD im Falle einer Regierungsverantwortung in Erwägung zieht. Der Moderator konfrontierte Chrupalla mit Aussagen von Parteichefin Alice Weidel zum Brexit („goldrichtig“) und wollte wissen, wie der 48-Jährige zu der Thematik steht.
„Die Ultima Ratio – als Druckmittel – muss bestehen, diese Union zu verlassen“, gab der AfD-Politiker an. Dass deutscher Wohlstand verloren ginge, wollte Chrupalla nicht eingestehen. Für Großbritannien werde sich der Brexit „auf lange Sicht auszahlen“, so Chrupalla ohne Argumente dafür zu liefern. In England hatte vergangenes Jahr sogar Rechtspopulist Nigel Farage, einer der treibenden Politiker hinter dem britischen EU-Austritt, eingestanden, dass „der Brexit gescheitert ist“.
„Wie viel Geld verliert England jedes Jahr seit dem Brexit?“, wollte Lanz daraufhin wissen. Er wisse, dass Großbritannien um die 12 bis 14 Milliarden Euro in die EU eingezahlt habe, so Chrupalla, ohne die Frage zu beantworten.
„Irre“, antwortete Lanz sarkastisch und klärte den AfD-Politiker dann auf. „163 Milliarden“, so Lanz, mit diesem Wert bezifferten Ökonomen den jährlichen Verlust für GB seit dem Brexit.
AfD-Vorsitzender Tino Chrupalla und Markus Lanz geraten aneinander
Tino Chrupalla allerdings wollte von den von Ökonomen ausgewiesenen Zahlen nichts wissen. „Ökonomen müssen genau diese Zahlen in den Raum werfen, um Europa zusammenzuhalten, damit es keine Nachahmer gibt“, so der AfD-Mann. „Stellen Sie sich vor, ein Austritt aus der EU würde sich für ein Land lohnen, was dann in dieser EU los wäre“.
„Entschuldigung, das ist jetzt echt Verschwörungstheorie, was sie machen“, so ein entrüsteter Lanz, der erneut die Verlustzahlen Großbritanniens sowie Prognosen für die deutsche Wirtschaft im Falle eines Ausstieges aus der EU vortrug.
Kritik an Markus Lanz wegen Gast Tino Chrupalla
Kritik gab es unterdessen nach der Sendung auch an Markus Lanz und dessen Redaktion selbst. Viele Zuschauerinnen und Zuschauer bemängelten in den sozialen Medien die Tatsache, dass das ZDF Tino Chrupalla überhaupt eine Bühne biete. Auch die Forderung nach einer noch kritischeren Interviewführung wurde vermehrt geäußert.
„Nach der drölfzigstausendsten ~Demaskierung~ von Rechtsextremisten im ÖRR haben wir nun was genau gewonnen?“, fragte etwa SPD-Politikerin Derya Türk-Nachbaur auf X, vormals Twitter. „Es gibt kein Recht auf populistische Opferrollenpropaganda“, so die Bundestagspolitikerin weiter.
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, äußerte sich ähnlich: „AfD-Funktionäre [dürfen] jetzt jeden Abend in einer Talkshow des ÖRR sitzen und ihre Parolen und Narrative verbreiten. Ich kann es nicht glauben.“ Ähnlich äußerten sich viele weitere Nutzerinnen und Nutzer in den sozialen Netzwerken.