Bei „Markus Lanz“ findet der Politologe deutliche Worte für Scholz’ Umgang mit Protesten, das Zögern bei Taurus und Verhandlungsforderungen.
Herfried Münkler teilt bei „Lanz“ aus„Das ist einer der dümmsten Sätze, die es gibt“
Der Politologe Herfried Münkler hat in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ Bundeskanzler Olaf Scholz kritisiert. Sowohl im Umgang mit den aktuellen Bauernprotesten, als auch bei seiner Haltung gegenüber weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine, zeigte Münkler Unverständnis für das Vorgehen des Bundeskanzlers. Der 72-Jährige sprach sich zudem erneut für gemeinsame europäische Nuklearwaffen zur Abschreckung Russlands aus.
Insbesondere die Rede, in der sich Scholz am vergangenen Wochenende zu den Bauernprotesten geäußert hatte, führte nun zu deutlicher Kritik Münklers. In der Sache seien die Worte des SPD-Politikers zwar „im Prinzip richtig“ gewesen, allerdings passe eine derartige Rede eher zum Amt des Bundespräsidenten, kritisierte der Politologe.
Herfried Münkler über Olaf Scholz: „Ein Zeichen, dass er mit dem Rücken zur Wand steht“
Wenn Scholz als „Kopf der operativen Politik“ eine solche Rede halte, sei das ein Zeichen, „dass er im Prinzip mit dem Rücken zur Wand steht“. Scholz habe nicht gesagt, „was man macht und was man machen wird“, das sei in dieser Lage „falsch“ gewesen, führte Münkler aus.
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Münkler bekräftigte zudem seine vorherige Aussage, dass Scholz eher ein Politiker „für die zweite Reihe“ sei. Der Kanzler sei „sicherlich ein fleißiger Mann, eingearbeitet und tüchtig“, es fehle ihm jedoch an „Charisma“ und der „Fähigkeit oder Lust“, seine Politik „ausführlich zu erklären“.
„Markus Lanz“: Stephan Weil verteidigt Scholz gegen Kritik von Münkler
Widerspruch gab es dafür von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). „Ich kann das nicht teilen“, erklärte Weil. Alles, was der Kanzler in der Video-Botschaft gesagt habe, sei richtig. „Man sollte es mit der Krittelei auch nicht zu eng sehen“, forderte der SPD-Politiker. Es sei das Recht und die Pflicht des Kanzlers, darauf aufmerksam zu machen, dass es Regeln gebe, „an die wir alle gebunden sind“.
Scholz hatte in seiner Rede kritisiert, dass „Wut gezielt geschürt“ und „demokratische Debatten vergiftet“ werden. Es gelte, „Maß und Mitte zu halten“, so der Kanzler. „Galgen sind keine Argumente“, erklärte Scholz mit Blick auf die Bauernproteste.
Herfried Münkler kritisiert deutsches Zögern bei Taurus-Lieferung
Die Rede des Bundeskanzlers war unterdessen nicht Münklers einziger Kritikpunkt an der Regierungspolitik. Der Politologe kritisierte im ZDF auch das deutsche Zögern bei der Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Kanzler Scholz lehnt eine Lieferung des Waffensystems bisher ab. Die Eskalationsgefahr sei durch die deutschen Marschflugkörper, die gegen die Krim-Brücke eingesetzt werden könnten, zu groß, heißt es aus dem Kanzleramt.
„Dann heißt das im Prinzip, der Ukraine einen Arm auf den Rücken zu binden in der Frage des sich wehren Könnens. Denn natürlich erreichen russische Waffen permanent ukrainisches Gebiet“, kritisierte Münkler. Zwar könne er die Vorsicht im Kanzleramt verstehen, andererseits müsse man sich angesichts der ständigen russischen Drohungen, die bei den Deutschen besondere Wirkung entfalten würden, auch fragen: „Lassen wir uns von den Russen jetzt ins Bockshorn jagen? Oder aber sagen wir, dann müssen wir halt eine Führungsrolle in Europa übernehmen?“
Kritik an Verhandlungsforderungen: „Einer der dümmsten Sätze, die es gibt“
Die ukrainische Armee müsse so „ertüchtigt“ werden, dass Kiew im Gefecht eine Situation herstellen könne, „die sie stark macht am Verhandlungstisch“. Dass die Diplomatie am Ende stehen werde, stehe außer Frage, führte Münkler aus – ließ jedoch auch kein gutes Haar an Forderungen, wie sie von Sahra Wagenknecht und der AfD immer wieder kommen.
„Die Alternative, die von einigen gerne gespielt wird, ‚wer verhandelt, schießt nicht‘ – das ist einer der dümmsten Sätze, die es gibt, weil er falsch ist – von vorne bis hinten“, führte Münkler aus. Verhandlungen seien eher als „Fortsetzung eines Krieges mit anderen Mitteln“ zu betrachten.
Herfried Münkler spricht sich für europäische Atomwaffen aus
In der ZDF-Sendung bekräftigte Münkler zudem seine in den vergangenen Wochen bereits vorgebrachte Forderung nach einer gemeinschaftlichen europäischen Abschreckungsstrategie. Das könne etwa mit einer „Vergemeinschaftung europäischer Nuklearwaffen“ erreicht werden, führte der Politologe aus. Dann könnten sich auch Grenzländer darauf verlassen, dass dieser europäische Schutz auch für sie gelte.
Dass die USA die Europäer weiter schützen werden, stehe spätestens bei einer Wiederwahl von Donald Trump als US-Präsident infrage. Ein Wahlsieg des Republikaners, der bereits in seiner ersten Amtszeit als Präsident stets mit einem Ausstieg aus der Nato kokettiert hatte, sei nicht unwahrscheinlich.