Wie das Licht mit der Finsternis ringtWallraf zeigt „Rembrandts graphische Welt“
- Zum 350. Todesjahr Rembrandts stellt das Wallraf-Richartz-Museum eine Auswahl von Radierungen aus der Hand des niederländischen Meisters aus.
- Sie gehören zum „Wunderbarsten, was es in der abendländischen Graphik zu sehen gibt,“ meint der Direktor des Museums.
Köln – Bei Lucas van Leyden sind beide Beteiligten züchtig bekleidet, allein ein umgestoßener Milchtopf zeugt von erotischem Sturm und Drang. Rembrandt ist da bei „Joseph und Potiphars Weib“ direkter. Die korpulente Verführerin mit entblößtem Unterleib will den Sklaven in ihren Alkoven locken, der aber wehrt sie ab. Das Blatt mag auf den ersten Blick eher derb wirken und ist doch von höchster psychologischer Finesse. Die Verschmähte blickt dem Begehrten eher sehnsüchtig als zornig nach, während er den Schmerz des tugendhaften Verzichts spürt. Und nicht zuletzt flieht Joseph aus der düsteren Lasterhöhle ins Licht.
Schon dieses Werk bestätigt die Einschätzung von Wallraf-Direktor Marcus Dekiert: „Rembrandts Radierungen gehören zum Wunderbarsten, was es in der abendländischen Graphik zu sehen gibt.“ Zuständig für dieses Genre ist nun Anne Buschhoff, die ihre Debütschau „Experiment, Wettstreit, Virtuosität – Rembrandts graphische Welt“ nennt.
Plumpe Körper
Da werden auf orangefarbenen Wänden 27 Arbeiten des großen Niederländers effektvoll mit elf Werken von Zeitgenossen, Vorläufern und Nachfolgern konfrontiert. Rembrandt, selbst großer Kunstsammler, besaß ein Exemplar von Dürers Kupferstich „Adam und Eva“ (1504). Das noch nicht sündenfällige Paar posiert hier in edelster Renaissanceschönheit, von der Rembrandt 1638 wenig übrig lässt: Die fast plumpen Körper wirken wenig paradiesisch, Adam hebt warnend die rechte Hand und legt die linke auf den Apfel – Ärger im Garten Eden.
Buschhoffs Auswahl betont die lebenslange Experimentierlust des gebürtigen Leideners (1606-1669). Zunächst sieht man Selbstporträts als Affektstudien: Rembrandt kühn mit vom Barett kaum gebändigter Lockenpracht, dann zwölf Jahre später (bei verbesserter Schraffurtechnik) zornig – oder im Doppelbildnis mit seiner Frau Saskia melancholisch umflort.
Rembrandtjahr
Zum 350. Todestag Rembrandts an diesem Freitag, 4. Oktober, ist der Eintritt ins Wallraf-Richartz-Museum und in die Sonderschau im Graphischen Kabinett frei. Am 27. Oktober gibt es dann von 10 bis 18 Uhr einen „Rembrandt-Familientag“ mit vielfältigem Programm und einer besonderen Überraschung.
Ab 1. November um 10 Uhr ist die große Ausstellung „Inside Rembrandt“ zu sehen, die vor allem den Maler und Zeichner würdigt und ihn in den Kontext seiner Kollegen stellt. (EB)
Faszinierend, wie er die biblische Szene des barmherzigen Samariters in die Alltagswelt rückt und mit dem Hund, der seinen Haufen auf die Straße setzt, wohl nebenbei noch einen strengen Kunstkritiker rügt. Dem optisch schweren Kupferstich setzt dieser geniale Graphik-Autodidakt die leichthändigere Kaltnadelradierung entgegen, die zeichnerischen Schwung erlaubt und beim kürzeren oder längeren Ätzen der Metallplatte unterschiedliche Helldunkeleffekte ermöglicht.
Biblische Motive
Die meisterhafte Lichtregie Rembrandts offenbart insbesondere das grandiose Blatt „Die drei Bäume“. Sie stehen vor nur noch teilweise heiterem, oben und am rechten Rand aber bedrohlich verdüstertem Himmel. Wer aufgrund des (kaum noch erkennbaren) Personals mit Angler, Liebespaar und Zeichner auf ein holländisches Arkadien schließen möchte, kommt aufgrund der beklemmenden Gesamtstimmung rasch ins Zweifeln. Zumal die Radierung 1643 kurz nach Saskias Tod entstanden ist und daher auch als Spiegel für die seelische Verfassung des Witwers gedeutet werden kann. Darüber hinaus könnten die drei Bäume nicht zuletzt ein Symbol für Golgatha sein.
Neben dem einzigen Stillleben (eine Marmor-Kegelschnecke) zeigt das Wallraf vor allem biblische Motive: eine in banger Vorahnung gen Himmel blickende „Muttergottes in den Wolken“ oder das vom Engel in letzter Sekunde verhinderte Menschenopfer Abrahams. Rembrandt druckte stets kleine Auflagen, veränderte die Platte aber oft mehrfach, so dass es Sammler reizte, alle Druckzustände zu besitzen.
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Den radikalsten Eingriff nahm er an der Radierung „Die drei Kreuze“ (1653) vor. In der ersten Version strotzt das Werk nur so von Details in den Reaktionen der Kreuzigungszeugen. Im vierten (Kölner) Zustand sind diese Randfiguren fast völlig in Schwärze versunken. Rembrandt spitzt die Bildwirkung vehement zu, wie Anne Buschhoff erklärt: „Während er Jesus in die Lichtbahn rückt, wirft er einen Vorhang der Finsternis über das Restgeschehen.“ In dieser mystischen Abstraktion gipfelt der ebenso anregende wie einleuchtende Parcours. Unbedingt sehenswert.
Bis 12.1., Di bis So 10 - 18 Uhr, jeden ersten und dritten Do 10 - 22 Uhr. Katalog, 72 S., im Museum zwölf Euro. Mehr Infos auf der Webseite des Museums.