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Vier Stunden, zwei PausenBonner Theater schlägt „Ein Feldlager in Schlesien“ auf

Lesezeit 4 Minuten

Die Bühne vom Bonner Theater wird für das Singspiel „Ein Feldlager in Schlesien“ zum Filmset.

Bonn – Preußens Glanz und Gloria donnert aus den Rohren der Blechbläser, und die Marschtrommeln schnarren unerbittlich.

Raue Sängerkehlen des Opernchores intonieren harsch die unerbittliche Vaterlandsliebe, während Trompetensignale im „Dessauer Marsch“ triumphieren. Soldaten haben ihr Feldlager im Zuschauerraum aufgeschlagen, die Premierengäste in der Bonner Oper sind umstellt von verschiedenen Feldmusiken und vier Chören. Banner werden gehisst, das Militärische wird gefeiert – Publikumsreaktion: erschreckt, pikiert, verunsichert. Aber auch beeindruckt. Die Premiere von Giacomo Meyerbeers Singspiel „Ein Feldlager in Schlesien“ erwischte das Regieteam in schwierigen Tagen.

Oper aus Zeit Friedrichs des Großen war seit 130 Jahren ungespielt

Heute ist nicht die Zeit für Verherrlichung aggressiver Könige und Feldherren. Das ist dem künstlerischen Stab natürlich nicht entgangen. Nun stellt die Wiedergeburt dieses nach der Berliner Uraufführung 1844 untergegangenen Singspiels in Lebensbildern aus der Zeit Friedrich des Großen eine sehr besondere Sachlage dar: Gleich mehrfach wurde die anberaumte Bonner Premiere sehr kurzfristig abgesagt – für eine seit 130 Jahren ungespielte Oper findet sich nicht leicht Ersatz in den Protagonisten-Rollen.

Auf einen Blick

Das Stück: Der Plot eignet sich stark gekürzt zur konzertanten Aufführung mit viel Musik.

Die Regie: Eingeflochtene Texte des Ukraine-Präsidenten Selenskyj oder zeitgenössische Schlachtfeldberichte klären die aktuelle Sicht.

Die Musik: Mit diesem Stück empfiehlt sich Giacomo Meyerbeer als großer musikalischer Erfinder und Opernfachmann (wei).

So überrollte die Realität die Produktion und zwang die Regie, ihre Position zu überdenken. Und sie hat richtig entschieden, dieses mächtige Spiel jetzt auch unter ungünstigem Stern herauszubringen – besonders der zweite militärische Akt entfacht ein musikalisches Feuerwerk.

Von Anfang an zieht Meyerbeer in seiner Vertonung des Librettos von Eugène Scribe in den deutschen Worten von Ludwig Rellstab alle Register des meisterhaften Komponisten mit Sinn für das Besondere. Da die Ouvertüre vor den zweiten Akt versetzt wurde, beginnt die Szene mit einem klug erfundenen Chronisten (Schauspieler Michael Ihnow), der auch Fremdtexte zur Erhellung der Umstände einfließen lassen kann.

Er führt in die ramponierte Landhaus-Atmosphäre mit Filmset-Resten ein, in der Hauptmann a.D. Saldorf seine Pflegetochter Vielka und seine Nichte Therese behütet.

Partner für die Damen sind auch vorhanden: Für Vielka der Pflegesohn Conrad, für Therese der Neffe Leopold. Conrad, ein Hasenfuß in militärischen Fragen, soll eine Reise tun. Auf der Flucht vor ungarischen Reitern trifft er unter einen Brücke auf den ihm unbekannten König und versteckt diesen im Hause Saldorf.

Friedliches Saufen dank Zauberei und Schnaps

Als die Ungarn das Gut übernehmen, verführt Vielka sie mit Zauberei und Schnaps zum friedlichen Saufen. Der alte Saldorf verhilft dem König endgültig zur Flucht, getarnt als Musiker – zum Beweis seines Berufs muss er tüchtig blasen. Und das konnte Friedrich ja.

Da in den Zeiten der Uraufführung 1844 keine Mitglieder der Hohenzollern-Dynastie auf profanen Theaterbühnen gezeigt werden durften, begleitet diese väterlich weise Figur die Handlung ausschließlich in Flötentönen. Teilweise liefern sich zwei Flötenvirtuosen heikelsten Schlagabtausch von der Bühne in den Graben – nur eine der selten präsentierten Spezialitäten des ausgefuchsten Meyerbeer.

Arien und Ariosi fordern mindestens ein obligates Soloinstrument, zartesten Seidenglanz der Streicher, wohligen Harfenfluss oder durch Chorstimmen gebettete Linien.

Tobias Schabel als Saldorf schafft den geforderten Ambitus seiner Partie mit souveräner Ruhe. Therese (Barbara Senator) setzt auf lyrische Qualitäten und kontrastiert dadurch glänzend die diabolischen Schärfen der Hauptpartie der Vielka (Elena Gorshunova). Deren Wurzeln bei Sinti und Roma verknüpfen ungarisches Feuer mit volkstümlichem Zauber. Sie singt sogar ihrem Conrad (Jussi Myllys), einem tölpelhaft geckigen Spieltenor, sein eigenes Flötenkonzert in wildesten Koloraturen vor.

„Ein Feldlager in Schlesien“ am Theater Bonn bietet handlungsarmen dritten Akt

Dirk Kaftan regiert im Orchestergraben die schmissigen, oft tänzerischen Instrumentationsorgien, die engagiert bewältigt werden. Seine Meisterleistung fordert aber die Koordination des Geschehens bei der Saaleinnahme durch Chor und Extrachor (Marco Medved), wo immer gern noch ein Tenor solistische Parolen schmettert und an zehn Stellen kleine und große krachende Militärkapellen eingefangen werden wollen.

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Hier hat Regisseur Jacob Peters-Messer ganze Arbeit geleistet und von Bühne (Sebastian Hannak) und Kostüme (Sven Bindseil) Großtaten eingefordert. Leider verpufft die Kraft des Stückes nach diesem Exzess, und auch der originellste Einfall ermüdet im handlungsarmen dritten Akt. Die nationale Begeisterung des Soldatenheeres konnte das Publikum im Schlussapplaus nicht toppen: Danke, dass wir das Stück mal sehen durften.

Knapp vier Stunden mit zwei Pausen, wieder am 8.5., 16 Uhr, und 15.5.,18 Uhr.