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Kölner Oper„Upload“ erkundet die Grenzen zwischen Film, Theater und Technik

Lesezeit 3 Minuten

Im virtuellen Dialog: Vater (Roderick Williams) und Tochter (Julia Bullock).

Köln – Wer ewig leben möchte, der sollte möglichst seine körperliche Unversehrtheit im Blick behalten – was nicht ganz einfach ist. Die Lösung, den Geist vom Körper zu befreien und langfristig nicht nur zu konservieren, sondern lebendig und aus sich selbst heraus entwicklungsfähig zu halten, behandelt aktuell in deutscher Erstaufführung in der Oper Köln das Stück „Upload“: Das Thema weitet das Musiktheater zur „Film-Oper“.

Im Gegensatz zum Opernfilm trifft dieser Neologismus dieses neu geschaffene Genre: Live gesungene Opernszenen mit live gespieltem Orchester wechseln mit Filmsequenzen, die wie dokumentarische Reportagen wissenschaftliche Erkenntnisse und Methoden bewerben – das Werk spielt offensichtlich in der Jetztzeit, was die heikle Sache nicht harmloser erscheinen lässt.

„You just have to die first!“

Möglich macht diese Mischung aus Film, Theater und grandioser technischer Umsetzung das Multi-Talent des Niederländers Michel van der Aa, der hier als Komponist, Librettist, Regisseur für Film und Bühne verantwortlich zeichnet. Dazu besitzt er als studierter Tontechniker auch Realisierungserfahrung, er kann das Mögliche erahnen und umsetzen. Bühnenbauten existieren nur virtuell, bewegliche Bildschirmwände öffnen Räume und transportieren live aufgenommene Personen: Auf dieser Bühne wird das Beamen Wirklichkeit.

Auf einen Blick

Das Stück: Das Thema „Mind-Children“ ist brandheiß, es ist nur noch nicht angekommen.

Die Technik: Die technische Realisierung dieser Film-Oper gelingt grandios.

Die Musik: Michel van der Aa setzt starke emotionale Momente in seinem Stilmix. (wei)

In der Bühnenhandlung begegnet eine Tochter ihrem Vater, der seinen Geist hat hochladen lassen, um ewig sein Kind begleiten zu können. Ein kleines Handicap: „You just have to die first!“ Der letzte Trip bleibt irreversibel.

Internationale Gemeinschaftsproduktion

Englisch ist die Sprache dieses Werks, das als internationale Gemeinschaftsproduktion auch in Amsterdam, Bregenz und New York gespielt wurde. Entsprechend hochwertig sind auch die Filmsequenzen, gedreht mit einem ganzen Kader von Schauspielern und entsprechend futuristisch erschlagender Maschinerie. Sie wirken wie Anker in die Wissenschaft, um sich den eigentlichen Fragen zu stellen, die diese neue Welt bereithält. Darunter fällt auch die Folge für die Beziehungspflege zu geliebten Menschen ohne physischen Kontakt – in pandemischen Zeiten wurde sie meist vergessen.

Und so zeichnet sich ab, dass uns die großen Themen der klassischen Oper von Liebe, Neid und Tod nicht ausgehen, auch wenn hinter den Avataren keine menschlichen Körper leiden. Auf der Opernbühne singt und spielt Roderick Williams in einer „Motion-Capture-Konstellation“ vor einer Videokamera, deren Bilder auf verschiedene Leinwände geschickt den für die Tochter sichtbaren Vater darstellen – eine spezielle Anforderung für den englischen Bariton. Die amerikanische Sopranistin Julia Bullock reagiert also meist auf Projektionen.

Alles drin, nichts zu viel

Die Stimmen der beiden Darsteller werden über Funkmikros in den Surround-Sound aus den Live-Tönen des Ensemble Musikfabrik (Leitung: Otto Tausk) und elektronischen Zuspielern gemixt. Das tönte im weichen Song „Dort bist du jetzt, das bist du jetzt“ wie großes Musical, gebaut mit Sounds aus dem Elektronik-Mülleimer von Lloyd Webber. Aber es klang stets schlüssig, angemessen, unaufdringlich, aber zeitgenössisch. Alles drin, nichts zu viel.

Trotz eines riesigen technisch-künstlerischen Stabs und der feinsinnigen Rettungsaktion nicht des Wissens, sondern der Weisheit, blieben die letzten Erkenntnisse sehr ursprünglich: „Ein Vater sollte seine Tochter nicht überleben. Aber sie sollte ihn auch nicht töten müssen.“ Der namenlose Papa fleht nämlich nach nicht ganz gelungener Anwendung den Nachwuchs an: „Delete me!“ Doch darf der das?

Schön, dass Fragen bleiben, das garantiert die Zukunft. Ob die „Film-Opera“ ein neues Genre bilden kann? Das Kölner Publikum war zu recht ganz aus dem Häuschen. So ein perfektes Produkt zwischen Hightech und menschlicher Wärme hat auch hier seinen Platz gefunden.

90 Minuten, wieder am 20. und 22.4., 19.30 Uhr. Rheinparkweg 1.