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Gemischte ReaktionenSo kam die Oper „Der Meister und Margarita“ in Köln an

Lesezeit 4 Minuten
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Auch wenn es nicht einfach war, der Geschichte zu folgen, Gesang und Kostüme waren exzellent. 

Köln – Dieser Ritt durch Wahn und Wirklichkeit bedarf keiner Auffrischung. Vielmehr erhält York Höllers Oper „Der Meister und Margarita“ durch den aktuellen Krieg und russische Machtansprüche eine neue Brisanz. Aber während es in Bulgakows gleichnamiger Romanvorlage um Stalins Säuberungen unter Intellektuellen geht, verzichtet Regisseur Valentin Schwarz für seine Inszenierung an der Oper Köln auf Plakatives: Der Satan im Stück glich keinen lebenden Personen.

Reihe von Inszenierungen von Komponisten mit Köln-Bezug

Mit dieser Produktion setzt Intendantin Birgit Meyer einen letzten großen Inszenierungsstreich in eine Serie von Opern des 20. Jahrhunderts von Komponisten mit starkem Köln-Bezug – der anwesende Tonsetzer York Höller lehrte, wirkt und wohnt hier. Sein Musiktheater „Der Meister und Margarita“ erlebte 1991 in Köln die deutsche Erstaufführung und jetzt eine Neudeutung in der für Besonderes extrem geeigneten Interimsstätte Staatenhaus: Höller spricht – im Sinne seines Lehrers Bernd Alois Zimmermann – gern vom „totalen Theater“. Raumgreifendes Extrazubehör lässt sich hier bewältigen.

Auf einen Blick

Das Stück: Der Kampf um die Freiheit der Kunst bleibt ein unerledigtes Thema.

Die Regie: Die komplexe Geschichte zwischen Wahn und Realität erzählt sich schleppend und unklar.

Die Musik: Der einbrennende Personalstil Höllers klingt nach dreißig Jahren taufrisch und aufregend. (wei)

Es fängt damit an, dass dem Orchester die gesamte Seitenbühne gehört. Wie in die Tiefe ausgeschüttet wirkt die stattliche Anzahl von Instrumenten, neben klassischer Besetzung eine aufgerüstete Perkussion, aber auch eine Rockband sitzt in den Reihen. Im Kontrast ist die flächige Bühne zu Beginn leer, nur eine langhaarige männliche Gestalt hockt sinnierend auf dem nackten Boden. Ist es der Meister? Oder Jesus? Die Handlung lässt alles zu.

Eine komplexe Geschichte, die nicht leicht zu verfolgen ist

Zwei zeitlich stark getrennte Stories vermischen sich im Plot. Der Meister, Einwohner Moskaus, hat einen Roman über Pontius Pilatus geschrieben. Die Funktionäre des Literaturbetriebes verhindern das Erscheinen. Der Meister wird zum Staatsfeind und verschwindet in der Psychiatrie. Margarita, sein Weib, geht auf der Suche nach ihm einen Pakt mit dem Teufel ein, wird zu dessen Ballkönigin und erhält dafür ihren geliebten, leider geistig lädierten Meister zurück.

Da Jesus den Roman gelesen hat, hält er den Teufel an, dem Liebespaar ewigen Frieden zu gewähren. Dieser lässt die beiden vergiften. Vorher darf aber der Meister, als Kenner des Konflikts zwischen Pilatus und Jesus und der ungelösten Frage nach Macht und Schuld, nach 2000 Jahren den leidenden Prokurator von Judäa erlösen.

Diese auf verschiedenen Zeitebenen und Realitäten tanzende Geschichte lässt sich nicht einfach erzählen. Nebenbei treten wie im russischen Roman üblich noch ein Dutzend Nebengestalten auf, darunter sehr imposant dekorierte Literaten als Großkopferte (Kostüme: Andy Besuch). Auch die Abteilung des Bösen wurde uniformiert wie Schnitzfiguren aus heimischer Kohle. Diese Verkleidung vereinfacht die optische Sortierung der Lager. Aber wirklich verständlich erzählt wird auf der Bühne nicht – dafür spult eine Drehbühne Bilder wie Gedankenblitze ab. Der fehlende rote Faden ermüdet.

Exzellente Darbietung aller Beteiligten

Das hat nichts mit der sehr guten Darbietung des Kölner Ensembles und seiner Gäste zu tun. Gesungen wird wirklich prima, gesprochen – in deutscher Sprache – noch besser. Die durchkomponierten Partien saugen natürlich auf Dauer an der Konzentration.

Und die kompositorische Dichte der Gesangsführung mit den Berührungspunkten im Orchester klingt stets geerdet – die Töne wollen zueinander. Dabei hilft das souveräne Dirigat von André de Ridder, der seine Freude an außergewöhnlichen Klängen begeistert darstellt. Das Stück kennt auf der Bühne keinen Chor, keine Ensembles und keine Duette, die Soli reihen sich auf wie Perlen.

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Nikolay Borchev, vertrauter Gast in Köln für neuere Musik, sang und spielte seine Doppelrolle als Jesus und Meister mit Bravour. Ensemble-Star Adriana Bastidas-Gamboa gab die Margarita, belohnt von Bjarni Thor Kristinsson, dem bärbeißigen Satan, ein knurriger Strippenzieher mit Vorliebe für das Teufelsintervall, den Tritonus.

Immer schwingt das Gefühl von erlebter Qualität im Saal, stetig im Kampf mit der Angst vor Orientierungsverlust: ein Erlebnisabend mit hohem Anspruch. Die Publikumsreaktionen: gemischt.

Mehr als 3,5 Stunden mit einer Pause. Wieder am 6., 8., und 12.4., jeweils 19.30 Uhr, 10. und 17.4., jeweils 18 Uhr. Karten-Tel.: 0221/221 28400.