Oper KölnNeuinszenierung von York Höllers „Der Meister und Margarita“ feiert Premiere
Köln – Am Sonntagabend bringt die Oper Köln als letzte Premiere von Intendantin Birgit Meyer das Musiktheater „Der Meister und Margarita“ von York Höller auf die Bühne. Olaf Weiden sprach mit dem in Köln lebenden Komponisten, der im Januar seinen 78. Geburtstag feierte.
Herr Höller, trotz einer starken Sehbehinderung sind Sie weiterhin aktiv. Wie funktioniert das?
Ich habe ja alles im Keller, was ich zum Komponieren brauche: einen Midi-Flügel, Computer und Synthesizer und ein Mischpult. Und es geht ja Gott sei Dank weiter: Erst vor kurzem ist mein Bratschenkonzert mit dem Gürzenich-Orchester aufgeführt worden.
Soviel zur Frage, die sich viele stellen: Was macht man denn als blinder Komponist? Vor 20 Jahren wäre das für mich das Aus gewesen. Heute funktioniert das sogar mit richtig großen Orchesterstücken.
Vertrauensbeweis von Pariser Oper
Vor drei Jahrzehnten wurde „Der Meister und Margarita“ in Paris uraufgeführt. Warum an der Seine?
Die Hamburger Staatsoper, die das Stück über den Dirigenten Hans Zender in Auftrag gegeben hatte, nahm nach einem Intendantenwechsel und internen Querelen davon Abstand. Glücklicherweise erfuhr die Pariser Oper von der Situation und sagte mir per Telegramm die Uraufführung zu – sie hatten nur mein Libretto gelesen und noch gar keine Musik gehört, ein großer Vertrauensbeweis.
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Und Sie bekamen einen prominenten Regisseur.
Hans Neuenfels, damals schon renommiert, hat eine sehr fantasievolle Regie geleistet. Lothar Zagrosek hat dirigiert.
Er hat dann auch die Deutsche Erstaufführung 1991 in Köln dirigiert.
Ja. Köln hat das Stück mit seinen technischen Möglichkeiten eigentlich erst auf die richtige Bahn gebracht – trotz aller Meriten der Neuenfels-Inszenierung.
Zehren drei Jahrzehnte an der Gültigkeit eines Musiktheater-Stücks?
Es handelt sich bei meiner Oper nicht um ein Zeitstück. Es gibt im Werk Dinge, die sind von überzeitlicher Bedeutung, das zeigt sich gerade in der Gegenwart.
Trifft das im Besonderen auf das von Ihnen angelegte Libretto zu?
Da habe ich mir sehr viel Mühe gegeben, den gleichnamigen Roman von Michail Bulgakow zu reduzieren auf das, was mir wesentlich erschien, ohne die Vielfarbigkeit allzu sehr zu schmälern – ein Balance-Akt zwischen dramaturgischer Stringenz und theatralischer Vielfältigkeit.
Bezug zu Ukraine-Krieg
Gibt es darin heute gültige Themen?
Was für mich in diesem Sujet zeitlos ist, das ist eine der zentralen Fragen, nämlich die von Macht und Schuld. Dargestellt wird dies an der Figur des Prokurators Pontius Pilatus, der Jesus zum Tode verurteilt hat, obwohl er erkannt hatte, dass Jesus unschuldig ist. Diese Konstellation wiederholt sich immer wieder, wie gerade im Ukraine-Krieg: Putin und seine Mannschaft überfallen das Land, ohne dass die Ukraine ihnen irgendetwas getan hat, ein friedliches Land, das seine Demokratie aufbauen wollte; nur aus Gründen der Staatsräson, nämlich in Anbetracht eines neuen großrussischen Imperiums, fällt man über die Ukrainer her und zerstört Menschenleben.
Und damit ist das Pulver noch nicht verschossen.
Das andere Zeitlose besteht im Schicksal des Meisters, des Schriftstellers in der Stalin-Ära, der beim Versuch, seinen Roman zu veröffentlichen, in die Fänge der staatlichen Zensur gerät. Sie verbieten nicht nur das Buch, sondern sperren ihn ins Irrenhaus. Schauen Sie in die aktuellen Berichte des Pen-Zentrums, danach sitzen rund 6000 Intellektuelle und Dissidenten in psychiatrischen Kliniken, Gefängnissen oder Straflagern.
Seine einzige Oper
Geboren wurde York Höller am 11. Januar 1944 in Leverkusen. Mitte der 60er Jahre veröffentlichte er seine ersten Stücke. „Der Meister und Margarita“ ist seine einzige Oper.
Sie wird in Köln von Valentin Schwarz inszeniert, der in diesem Jahr die Neuproduktion der Ring-Tetralogie in Bayreuth beginnt. Am Pult gibt André de Ridder sein Köln-Debüt, frisch bestellter GMD in Freiburg. Neben wenigen Gästen stemmt die Produktion das hervorragende Kölner Solisten-Ensemble und natürlich das Gürzenich-Orchester. Die Premiere ist am 3. April, 18 Uhr, weitere Termine und Karteninfos unter oper.koeln (wei)
Das klingt nach einem brisanten und düsteren Drama.
Andere bunte Figuren in diesem Stück treiben viel Turbulentes, allerlei wilde Dinge im sowjetischen Moskau und halten den Menschen einen Spiegel vor, in dem sie ihre Habgier, ihren Machtmissbrauch, ihre Heuchelei und ihre Eitelkeit und Geldgier erkennen – davon ist die Menschheit auch immer wieder befallen.
Wie wirkt Ihre Musik in diesem aktuellen Kontext?
Ich stehe noch heute einhundertprozentig hinter ihr und könnte sie auch nicht anders komponieren. Es ist ja keine neotonale Musik, auch keine Postmoderne, obwohl es Zitate und Scheinzitate gibt, in denen ich anknüpfe an Stile aus vergangenen Zeiten; aber das ergibt sich aus dem Sujet.
Ich vertrete meinen eigenen Stil, und der kommt in der Oper deutlich zum Tragen. Ich wüsste nicht, was ich an der Musik ändern sollte.
Das „Totale Theater“
Ihr Werk zieht auch bühnentechnisch alle Register.
Die Anforderungen sind wirklich extrem. Dafür greife ich gern auf das Wort meines Lehrers Bernd-Alois Zimmermann zurück, der vom „Totalen Theater“ sprach. Alle technischen und medialen Möglichkeiten werden ausgeschöpft. Es gibt nicht nur ein sehr großes Orchester mit sehr viel Schlagwerk, sondern auch Elektronik live und vom Band und eine Jazzband. Es gibt Rockmusik auf dem Satansball, dazu eine hörspielartige Passage und ein großes Ballett.
Sind Sie darüber informiert, was da auf Köln wartet?
Ich habe mit dem Regisseur vor längerer Zeit ein Gespräch geführt. Aber was jetzt auf mich zukommt, davon habe ich keine Ahnung. Aber ich denke, dass sich Valentin Schwarz etwas ganz Tolles hat einfallen lassen.