AboAbonnieren

Verdis Oper „Don Carlo“Inszenierung in Bonn weiß zu überzeugen

Lesezeit 4 Minuten

Leonardo Caimi (Don Carlo) und Anna Princeva (Elisabetta).

Bonn – Es ist nicht völlig unwahrscheinlich, dass eine politisch motivierte Zweckehe zwei Menschen zusammenführt, die auch in jeder anderen Beziehung füreinander bestimmt scheinen. In Verdis Oper „Don Carlo“ soll das Ehebündnis des titelgebenden Infanten von Spanien mit Elisabetta von Valois dem Krieg zwischen Frankreich und Spanien ein Ende bereiten.

Als sie sich im Wald des Schlosses Fontainebleau begegnen, ist es tatsächlich Liebe auf den ersten Blick. Doch politische Strategien sind launisch. Und so erfahren die Liebenden nach wenigen Minuten des Glücks, dass der spanische König, Carlos Vater Filippo II, entschieden hat, die Prinzessin selbst zu heiraten.

Diese Schlüsselszene findet sich so in Friedrich Schillers dramatischen Vorlage für die Oper nicht.

Entscheidung für die italienischen Fassung

Und auch Verdi selbst hat sie nach der Uraufführung des französischsprachigen ersten Fassung fürs italienische Publikum zunächst wieder eliminiert. In Bonn, wo die monumentale Oper in einer gediegenen Inszenierung von Mark-Daniel Hirsch Premiere feierte, entschied man sich für die noch spätere fünfaktige italienische Fassung, in der Verdi den sogannten Fontainebleau-Akt doch wieder aufgenommen hat.

Verdis Kunstgriff erweist sich für die Entwicklung der Figuren in der Oper tatsächlich als hilfreich, vor allem im Hinblick auf Carlo und Elisabetta, deren Liebe ohne diese Szene schwierig nachzuvollziehen ist. Ausstatter Helmut Stürmer gönnt dem Zuschauer weder im winterlichen Vorspiel des Fontainebleau-Akts noch später sehr viel Farbe. Die wechselnden Bühnenbilder der fünf Akte sind Variationen in Grau in zumeist architektonisch klar geschnittenen Formen, die sowohl von der brutalen Härte klerikaler als auch staatlicher Strukturen künden.

Figuren zeigen eine tiefe Zerrissenheit und Melancholie

Auf eine nicht sehr konkrete Art historisierend sind die Kostüme, bei denen sich Stürmer eher an der Entstehungszeit des Werks im 19. Jahrhundert als an der Zeit der Handlung im 16. Jahrhundert orientiert. In diesem Umfeld zeichnet Hirsch ein sehr klares Bild von den wichtigsten Figuren und ihren Motiven, wie sie auf der schwierigen Gratwanderung zwischen politischer Pflichterfüllung und der Erfüllung menschlicher Sehnsüchte am Ende scheitern.

Man beobachtet bei ihnen eine tiefe Zerrissenheit, die selbst vor dem mächtigen Filippo nicht Halt macht, der in seiner melancholisch-traurigen Arie „Ella giammai m’amò“ beklagt, dass Elisabetta ihn nie geliebt hat. Im Morgenrock auf einem Sessel sitzend bringt Bassbariton Tobias Schabel die Niedergeschlagenheit des Königs im Zusammenspiel mit dem Solovioloncello, das klagend aus dem Graben tönt, mit großer Stimme zum Ausdruck.

Eine zu Herzen gehende Wärme

Überhaupt verfügt die Inszenierung über einige fabelhafte Solistinnen und Solisten, die sich sängerisch wie darstellerisch auf höchstem Niveau bewegen. Leonardo Caimi bringt für die Titelpartie Kraft und tenoralen Schmelz zum Einsatz, Anna Princeva glänzt als unglückliche Elisabetta mit einer Sopranstimme, die dramatische Passagen mit der gebotenen Vehemenz zum Ausdruck bringt und dann wieder mit zu Herzen gehender Wärme berührt.

Das Stück

Die Oper: Giuseppe Verdis „Don Carlo“ zeigt die unglückliche Verquickung von Staat und Kirche auf.

Die Inszenierung: Mark-Daniel Hirsch erzählt die komplexe Geschichte klar und geradlinig.

Die Musik: Solistenensemble, Chor und Orchester lassen kaum Wünsche offen. (ht)

Dshamilja Kaiser gibt eine ungeheuer selbstbewusste Eboli. Und der Posa von Bariton Giorgos Kanaris ist einfach eine Wucht. Mit bemerkenswerter Bühnenpräsenz und Stimme zeichnet er ein großartiges Rollenporträt dieses tragischen Helden. Auch die anderen tiefen Männerstimmen sind mit Karl-Heinz Lehner (Großinquisitor) und Magnus Piontek (Mönch) beeindruckend besetzt.

Die Massenszenen überzeugen in Hirschs Inszenierung ebenfalls. Im zynischen Autodafé-Bild, wo am Ende des dritten Akts zur Feier der Krönung Filippos einige Ketzer verbrannt werden, setzt der Regisseur jedoch nicht auf den ganz großen Effekt, sondern verbannt die Flammen diskret in die Seitengasse, von wo aus die glühenden Scheiterhaufen die Bühne erleuchten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Marco Medved hat den Chor und Extrachor für seinen Einsatz perfekt vorbereitet.

Die vokale Wucht der Einsätze und das ausgewogene Klangbild der Stimmen sind ein Genuss. Ebenso das immer sehr präsente und sehr präzise Beethoven Orchester, mit dem der junge Dirigent Hermes Helfricht eine Fülle von Farben herausarbeitet. Nach fast vier Stunden und einem Schluss, der hier nicht verraten werden soll, folgte großer Applaus.

215 Minuten mit Pause, wieder am 19., 26.12.2021, 1., 9., 22., 29.1., 10., 18.2., 18.3. und 16.4.2022; Karten-Tel: 0228 / 50 20 10.