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„Alice im Wunderland“ in BonnMit praller Wucht des Theaterzaubers

Lesezeit 4 Minuten
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Der Tunnel führt ins Wunderland und dort stößt Alice auf schräge Typen.  

Bonn – Das Leben ist so langweilig, / Alles bleibt, so wie es ist, / Doch wo bleib ich?“ singt Alice. Für alles gibt es Regeln und Verbote, deren Sinn dem neugierigen Mädchen nicht einleuchtet.

Sehnsucht nach dem Unbequemen

Ihr Wunsch: „Ich wär so gerne unbequem“. Das wird es dann auch für Alice, als sie dem eiligen weißen Kaninchen mit der großen Uhr in dessen verzweigten unterirdischen Bau folgt und nach langsamen Fall durch einen schier endlosen Tunnel in einer Fantasiewelt landet, in der alle Gesetze der Logik, der Natur und der Zeit aufgehoben sind.

Moderne Coming-of-Age-Geschichte

Der Bonner Hausregisseur Simon Solberg präsentiert „Alice im Wunderland“ als moderne Coming-of-Age-Geschichte effektvoll mit allem, was die Illusionsmaschinerie des Theaters hergibt.

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Geheimnisvoll geht es im Wunderland zu. 

Die gebogenen Wandelemente, die als Auftrittsorte dienen, ziehen sich wie eine surreale Raum-Zeit-Spirale bis zu einem Kreis oben im Hintergrund. Türen hängen geheimnisvoll in der Luft, kreisende Lichtstrahlen und tanzende Leuchtformen (tolles Licht: Sirko Lamprecht) schaffen geometrische Irritationen.

Im See der eigenen Tränen

Alles Scheinbare ist Wirklichkeit, und umgekehrt ist die Realität ein Traumgebilde. Wenn Alice anfangs im See ihrer eigenen Tränen schwimmt, schweben schillernde Medusen vom Himmel. Doch ein Wabbel mit grünen Flossen weiß nicht nur Rat bei wilden Fluten, sondern warnt auch gleich vor drohender Erderwärmung und Austrocknung der Böden.

Alles auf einen Blick

Das Stück: Ein Klassiker, der in allen Künsten bis hin zu Film und Popmusik seine Spuren hinterließ.

Die Inszenierung: Präsentiert mit spektakulärem Illusionsaufwand und vielsagenden Songs ein skurriles Märchen-Musical voller visueller Überraschungen, das allen Kinofassungen des Stoffs standhält.

Die Schauspieler: Das ganze Ensemble, allen voran Anina Euling, verkörpert mit fabelhaftem spielerischem Witz all die merkwürdigen Figuren

100 Minuten ohne Pause, wieder am 10. / 11.12. , 18 Uhr, 12.12. 16 Uhr. Weitere Vorstellungen bis zum 26.12., Karten-Tel. 0228/77 8008

Ein bisschen Öko-Bewusstsein muss schon sein im fabelhaften Wunderland. Bevölkert von seltsamen Gestalten wie einem Mann, dessen Schlüssel auf keine Tür passen, einem verrückten Hutmacher, der mit einem Hasen ständig seinen Fünf-Uhr-Tee zelebrieren will, einem mit Tellern um sich werfenden Koch, der ein verkappter Ritter ist, einer gigantischen Raupe und natürlich der berühmten Katze, deren Grinsen auch dann noch da ist, wenn sie selbst längst verschwunden ist.

Kostüme als Blickfang

Ein absoluter Blickfang sind die von Katja Strohschneider entworfenen Kostüme der Wunderlandfiguren. Solberg selbst hat zusammen mit dem Kölner Komponisten (und „Basta“-Mitglied) William Wahl allen Akteuren mitreißende Songs auf den Leib geschrieben. Auf der Bühne sorgen die Musiker Lukas Berg, Philip Mancarella und Michael Schwiemann live, wenn auch zumeist unsichtbar, für eine üppige Sound-Kulisse.

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Alice erlebt ihr blaues Wunder in der Fantasiewelt. 

Der in Oxford lehrende Mathematiker Charles Dodgson (1832 – 1898), der sich als Dichter Lewis Carroll nannte, wurde durch die Veröffentlichung von „Alice im Wunderland“ 1865 schlagartig berühmt. Geschrieben hatte er für eine reale Alice. Angeblich verlor der stotternde Autor seine Schüchternheit nur, wenn er sich mit Kindern unterhielt. In seiner Protagonistin spiegelt sich auch der Protest gegen den pädagogischen Rigorismus des Viktorianischen Zeitalters.

Familienstück mit kritischem Geist

Solbergs Inszenierung als Familienstück nimmt den kritischen Geist der Fantasiegeschichte auf und zeigt ein Mädchen, das auf dem Weg zur Selbstfindung immer mutiger die seltsamen Erscheinungen hinterfragt und schließlich sogar der tyrannischen roten Herzkönigin in die Parade fährt. Annina Euling spielt mit famoser Energie die aufgeweckte Alice, die durch Zaubermittel mal auf Spielzeugpuppen-Winzigkeit schrumpft und mal als Riesin bis an den Bühnenhimmel reicht.

Kaninchen, Koch und Zauberflasche

Ihre eigene Größe sucht und findet sie, wenn sie kurz einer Doppelgängerin (Annika Schilling) begegnet und sich so von außen betrachten kann. Timo Kählert verkörpert neben dem Kaninchen, dem Koch und der Zauberflasche noch allerhand weitere Geschöpfe. Alois Reinhardt ist der verzweifelte Schlüssel und der Wabbel. David Hugo Schmitz spielt einen zuckersüßen Kuchen und den eleganten Hutmacher.Zu den bizarren königlichen Hobbys gehören Crocket-Matches mit Flamingos als Schlägern und vor allem Enthauptungen ihrer Untertanen. Alice hat keine Angst mehr und entlarvt die finale Gerichtsverhandlung als puren Unfug, bevor sie aufwacht aus ihrem Albtraum und die Wirklichkeit mit geschärftem Blick betrachten kann.