Verdis „Ernani“ in BonnRoland Schwab gestaltet eine kraftvolle Inszenierung
Bonn – Nicht immer ist es ein Glück, geliebt zu werden, und zu lieben kann dem Glück ebenfalls im Wege stehen. In Giuseppe Verdis früher Oper „Ernani“, die am Sonntagabend in Bonn Premiere feierte, deutet sich diese bittere Erkenntnis bereits ziemlich früh an. Um die junge Elvira buhlen gleich drei Rivalen, wobei die Liebe bei zwei von ihnen eine eher nachgeordnete Rolle spielt. Elviras schon recht betagter Onkel und Vormund, Don Ruy Gomez de Silva, reklamiert das Recht für sich, seine Nichte zu ehelichen, und hält sie deshalb gewaltsam in seinem Schloss fest.
Sehr zu seinem Missfallen begehrt auch der spanische König Carlos die junge Adelige. Sie aber hegt echte Gefühle nur für den Bandenchef und politischen Rebellen Ernani, eigentlich ebenfalls ein Mann von Adel, der jedoch für sich das Heil im Untergrund sucht, seit er durch den König alles verlor.
Schwur wird zum Verhängnis
Auf einen Blick
Das Stück: Verdis „Ernani“ ist seine fünfte Oper. Sie wurde am 9. März 1844 in Venedig uraufgeführt.
Die Inszenierung: Roland Schwab setzt auf die Wucht der Bilder.
Die Musik: Will Humburg bestätigt seine Klasse als Verdi-Dirigent und kann sich auf ein tolles Ensemble verlassen. (ht)
Es grenzt an ein Wunder, dass nach einigen Wirren sich in der Schlussphase der Oper doch noch ein Happy End anzudeuten scheint. Der nach der Kaiserkrönung in Aachen unter neuem Herrschernamen Karl V. plötzlich staatsväterlich gewordene Carlos lässt seinen beiden Rivalen gegenüber Milde walten, rehabilitiert Ernani sogar gänzlich und macht ihm so den Weg für die Hochzeit mit Elvira frei.
Wäre da nicht der verhängnisvolle Schwur, mit dem Ernani sein Leben etwas unüberlegt in die Hände des rachsüchtigen Silva gelegt hatte. Sobald Silva ein verabredetes Hornsignal ertönen lasse, töte er sich selbst, verspricht Ernani. Leider weiß Silva, dass Ernanis Wort gilt.
Düsteres Szenario mit packendem Äquivalent
Dieses düstere Szenario findet in Roland Schwabs Bonner Inszenierung ein packendes Äquivalent. Die Bühne ist dunkel wie die Nacht. Größter Lichtblick darin: ein kolossaler, von innen grell weiß erleuchteter, beweglicher Quader, der auf der Vorder- und Rückseite offen bleibt. Bühnenbildner Alfred Peter balanciert ihn auf dünnen Gerüststangen. In diesem schwebenden Zustand wirkt die bewegliche Konstruktion einerseits wie eine permanente Bedrohung über den Protagonisten und deren Gefolge. Die Kostüme von Renée Listerdal lassen an Faschismus und Polizeistaat denken. Andererseits wirkt der helle Schein aber auch wie der Abglanz einer anderen, vielleicht besseren Welt.
Im letzten Akt ist vom mächtigen Quader allerdings nurmehr eine Ruine übrig. Auf diesem kaputten Plateau erscheint das Hochzeitspaar verletzlich und ungeschützt. Auf den zum Aktbeginn noch geschlossenen Vorhang hatte man die Kapitelüberschrift „Der Altar der Rache“ projiziert.
Exzessive Gewalt in Chorszenen
Gewalt spielt in Roland Schwabs Inszenierung überhaupt eine große Rolle. Vor allem in den Chorszenen. Selten wird auf der Bühne so exzessiv mit Schusswaffen herumhantiert wie in diesem Bonner „Ernani“. Das durch die Bühne evozierte Gefühl der Bedrohung setzt sich zwischen den Menschen fort. Das passt zu der wuchtigen Musik Verdis, deren Feuer Dirigent Will Humburg und das großartig agierende Beethoven Orchester heftig lodern lassen. Hier ist in jedem Takt Glut und Leidenschaft zu vernehmen. Humburg behält die Fäden souverän in der Hand, koordiniert den großartigen, von Marco Medved einstudierten Chor und Extrachor der Oper sowie das Orchester mit konzentrierter Übersicht und bindet auch die von Elia Tagliavia geleiteten Bläser ein.
In dieser Verdi-Oper, mit der das Bonner Haus den vor acht Jahren begonnenen Zyklus mit dem Frühwerk des Komponisten beeindruckend fortsetzt, kommt es weniger auf psychologisierende Feinzeichnung an als auf das Gesamttableau. Das Musikdrama, das Verdi und sein Librettist Francesco Maria Piave aus Victor Hugos Drama „Hernani, ou l’Honneur castillan“ formten, ist in dieser Beziehung kaum mit späteren Opern wie „La Traviata“ oder „Don Carlos“ zu vergleichen. Gleichwohl sind die Gesangsnummern, die Verdi den Solisten anvertraut, ebenso anspruchsvoll wie packend.
Yannick-Muriel Noah weiß als Elvira ihre Stimme von den feinsten Piano-Nuancen bis zu den heftigsten Ausbrüchen und Spitzentönen sicher und ausdrucksvoll zu führen. George Oniani gibt sich in der Titelrolle im Spiel wie im Gesang sehr fokussiert, beeindruckt mit stählernem Tenorklang. Als ölig-gefährlicher Don Carlos zeigt der Bariton Federico Longhi echte Klasse. Und Pavel Kudinov gelingt das Kunststück, Silvas Gebrechlichkeit und Gefährlichkeit gleichermaßen überzeugend auf die Bühne zu bringen.Karten für weitere Termine: 18., 24. 4.; 7., 20., 27. 5.; 17. und 23.6.; ca. 2,5 Std. inkl. Pause.