Uwe Steimle und Helmut SchleichWas das Kabarettistenpaar so erfolgreich macht
- Der Sachse Uwe Steimle und der Bayer Helmut Schleich sind ein ungleiches Paar.
- Über eine Ost-West-Beziehung, manche Irritation und Humor im einig Vaterland
Wenn Erich Honecker und Franz Josef Strauß das noch erleben könnten: Mehr als 30 Jahre nach ihrer Zeit jubelt ihnen das vereinte Volk zu. Die Freude ist groß, wenn der Honecker im drögen Sommeranzug der Wandlitz-Prominenz zurückkehrt und sich bei Strauß für den Milliardenkredit an die DDR bedankt. Im schönsten Singsang lässt Uwe Steimle den Honecker sagen: „Genossen Bundesbürger! Die Milliarde hat drei Jahre gereicht und ist dann vollständig zurückgezahlt worden. Heute reicht eine Milliarde einen Tag und das Geld ist weg.“
Das Publikum in der Freilichtbühne „Junge Garde“, unter ihnen einige Urlauber aus Bayern, hat eine Menge Spaß an diesem lauen und entspannten Sommerabend, manche tragen ein Nicki (ostdeutsch für T-Shirt) mit dem Motto des Abends: „Mir san Mir“, eine sächsisch-russische Verballhornung des Bayern-Leitmotivs. „Mir“ bedeutet ja im Russischen Frieden – und Frieden ist das Allerwichtigste, erinnert uns Steimle dankenswerterweise.
Schleichs Strauß-Parodien sind berühmt
Seinen bayerischen Partner, den Kabarettisten Helmut Schleich, begrüßt er mit „Helmut, Helmut“-Rufen und wird dabei von den Dresdnern lautstark und ohne Zögern unterstützt. Gelernt ist gelernt. Schleich gibt denn auch eine seiner glänzenden Strauß-Parodien. Im Trachtenjanker, halslos, lässt er den Alten granteln: „Früher war rechts von der CSU nur die Wand und links von der CSU die Mauer. Und hinter der Mauer war die Merkel. Damals war die Welt noch in Ordnung.“
Das seltene deutsch-deutsche Kabarettistenpaar Steimle/Schleich kommt nicht nur mit Politikerparodien bestens an. Der schräge Sachse und der grantelnde Bayer, man mag es kaum glauben, finden ein gemeinsames Publikum mit ihrem „bayerisch-sächsischen Freundschaftsabend“, auch wenn die sächsischen Lacher beim Bayern nicht immer an der richtigen Stelle sitzen. Schleich mosert vor sich hin: „Überall lauert Freundlichkeit. Es ist nicht zum Aushalten. Früher konnte man sich wenigstens noch auf die missgelaunte Kellnerin verlassen.“ Kennt der Osten auch.
Von wegen „Friede, Freude, Eierkuchen“
Steimle dagegen sächselt gnadenlos, gibt der CDU bei jeder Gelegenheit eine mit und ist eins mit dem Publikum: „AKK kommt aus dem Saarland, da haben wir Erfahrung.“ Und ruft ins erfreute Publikum: „AKK elektric...“ – und alle antworten wie aus einem Munde und als hätten sie es tagelang einstudiert: „... in jedem Haus zuhause.“ Für unsere jüngeren und westdeutschen Leser sei erklärt, dies ist ein DDR-Werbespruch für Haushaltsgeräte und im Osten so bekannt wie „Haribo – macht Kinder froh.“ Neben dem Frieden sei ihnen noch die Freundschaft besonders wichtig, Ost und West sollten sich nicht gegeneinander aufbringen lassen, hatten sie in einem Statement versichert. Klar. Nur lange kommt Steimle mit „Friede, Freude, Eierkuchen“ nicht klar.
„Wenn wir im Osten gewusst hätten, was uns erwartet, dann hätten wir noch 40 Jahre durchgehalten.“ Später kommt noch die Variante, dass man das westdeutsche System ja auch erst mal hätte leasen können. Kommt an. Aber als er den Gag landen will, dass die deutsche Einheit gescheitert sei, reagiert das Publikum irritiert, peinlich berührt, nur vier, fünf Leute klatschen kurz in die Stille hinein.
In Köln kennengelernt
Funktioniert ihr Humor tatsächlich überall? Wie haben die beiden ungleichen Satiriker zueinandergefunden und wie kommen sie miteinander klar? Uwe Steimle verkündete dann schon mal auf offener Bühne, dass man darüber am nächsten Tag mit der „Sachsen-Prawda“ reden wolle. Schönen Dank auch dafür.
Auf der Dachterrasse im Haus der Presse erzählen sie dann am nächsten Tag, dass sie sich vor acht Jahren bei einer Veranstaltung in Köln kennengelernt hatten. Und beide staunten, wie gut sie sich sofort verstanden. Steimle: „Ich merkte sofort: Der tickt ja wie ich, obwohl er aus der BRD kommt.“ Schleich grinst leise und meint, weil er ja gar nicht aus dem Westen komme, sondern aus dem Süden.
Aber sie beide hätten schon eine Menge Gemeinsamkeiten. Beide sind eigensinnig, sehr regional verankert, beide hatten es mit einer allmächtigen Staatspartei zu tun. Beide haben einen Hang zum Schauspiel, beiden ist ihre Freundschaft wichtig. Aber sie helfen sich auch gegenseitig, auf der anderen Seite anzukommen. Steimle bekam in Bayern lange keinen Fuß auf den Boden. Man verstand ihn schlicht nicht – außer bei „Vertriebenentreffen“ (Schleich) der Ossis. Und der Bayer hatte es im Osten erst gar nicht versucht, in Dresden war er deshalb vor wenigen Jahren zum ersten Mal. Ihr Freundschaftsabend funktioniert jetzt aber überall in Deutschland. Es entstand da, auf gut neudeutsch, eine Win-win-Situation.
Vom Leiden an der Welt
Helmut Schleich hat noch eine überraschende Gemeinsamkeit parat: „Wir haben ein ähnliches Leiden an der Welt.“ Beide sehen gerade wegen der zahllosen Unzulänglichkeiten und Konflikte eine starke Zeit fürs Kabarett. Sie bedauern sehr, dass viele Kabarettisten gerade jetzt unter Beißhemmung litten und die Große Koalition nicht wirklich attackierten. Ihnen seien die Gegner abhandengekommen, wie es Kohl und Schröder einst waren. Angela Merkel sehen linke und liberale Kabarettisten, so meinen sie, eher als eine der ihren an. Schleich nennt sie deshalb „Staatskünstler“, Steimle setzt stets gern noch einen drauf und spricht von „Systemkabarett“.
Schleichs politische Position ist auf der Bühne kaum zu erkennen. Alle seine Landesherren haben bei ihm nichts zu lachen. Saukomisch sein neuer Sketch, wie Söder die Merkel maskenlos auf den Herrenchiemsee lockt, obwohl das nach den bayerischen Regeln gar nicht möglich war. Das Publikum lernt was über diese Regeln, über Bayern und den Möchtenochnichtgern-Kanzlerkandidaten.
Steimle setzt auf Irritation
Uwe Steimle dagegen, der immer mal wieder betont, dass er links wählt, setzt bewusst auf Irritation. Er blinkt gern links und biegt dann doch nach rechts ab. Besonders arbeitet er sich gerade am nationalen Thema ab. Der beste Deutsche sei heute derjenige, der Deutschland am meisten hasst, der Anti-Deutsche. Die Sachsen seien nicht nur die letzten Ostdeutschen, sondern die letzten Deutschen. In einem Video, dass er kürzlich ins Netz stellte, sitzt er betont entspannt auf einer Parkbank und räsoniert: „Nicht verrückt machen lassen. Innere Einkehr halten, sammeln und warten. Nur den Zeitpunkt nicht verpassen. Aber wenn das Signal kommt: aufstehen, loslaufen. Wir schaffen das, es ist unser Land.“ Ein Journalisten-Kollege merkte an: Ist das heilbar?
Fragen wir doch Uwe Steimle. Klingt nicht nach Satire. Klingt eher nach Höcke. Oder? Steimle: „Nee, klingt nach Eichendorff.“ Ach so. Willkommen im falschen Jahrhundert.Interessant, wie Partner Schleich mit solchen Sprüchen umgeht. Einmal karikiert er Steimle-Kritiker, in dem er seinem Partner während des Programms mit Anti-Nazi-Spray einnebelt. Dann aber wieder fällt er Steimle auf offener Bühne bei einem nationalen Monolog ins Wort und meint, er fühle sich vor allem als Bayer und es ginge ihm gut damit. Jetzt zeigt sich der große Irritierer Steimle sichtlich irritiert. Dieser Einwurf stand nicht im Manuskript, bestätigen beide am nächsten Tag, Schleich findet aber auch deutlichere Worte: „Uwe, Du zündelst gern, und das weiß Du auch. Beim Zündeln kann man sich die Finger verbrennen.“
Steimle beim MDR rausgeworfen
Er meint zum Beispiel sein Wirken beim MDR, den Rauswurf allerdings kritisiert er deutlich. „Das hat mich als Außenstehenden abgestoßen und noch näher zu ihm hingebracht.“ Der gefeierte Vielgescholtene freut sich über solchen Beistand und meint: In diesem System sehnt man sich nach Ecken und Kanten, und die möglichst rund.“ Und wie kommt Steimle sonst so mit den Medien klar? Mit der Sächsischen Zeitung, die er seit Jahrzehnten liest? Nun ja, sagt er, er komme ja kaum noch vor. Die SZ habe nicht einmal vermeldet, dass er im Ringen mit dem MDR 52.000 Unterstützerunterschriften hatte.
Ganz zum Schluss wird es dann noch einmal so richtig heiter. Helmut Schleich erzählt, dass er jetzt gleich einen privaten Termin in der Dresdner Neustadt habe. Dort wolle er einen Kinderwagen abholen für seine Tochter, die bald ein Baby erwartet. In Dresden? Ist das nicht ein wenig umständlich? Na, meint er, seine Tochter wolle natürlich kein übliches fabrikneues Gefährt, sondern einen etwa 40 Jahre alten Wagen aus der Produktion des VEB Zekiwa, frisch aufgemöbelt. Auch in München ist es gerade große Mode, den bayerischen Wonneproppen in einem kultigen Ost-Teil zu kutschieren.
Das könnte Sie auch interessieren:
Von wegen, die deutsche Einheit ist gescheitert. Schon irre: Der „Nachfolger“ von Franz Josef Strauß exportiert höchstpersönlich einen Kinderwagen aus Honeckers ehemaligen Reich in den Westen. Pardon, in den Süden. Wenn das der Schalck-Golodkowski noch erleben könnte.