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Leonardo, Picasso, Frida KahloDie Geschichten hinter den großen Porträts

Lesezeit 3 Minuten
Da Vinci

Leonardo da Vincis Gemälde „Dame mit dem Hermelin“ (1489/90) zeigt Cecilia Gallerani, die Geliebte des Herrschers von Mailand. Das Tier in ihrem Arm soll dessen Züge tragen.

  1. Kunstgeschichte ist auch Menschenkunde, und ins Museum zu gehen, kann ebenso amüsant sein, wie Promi-Magazine zu lesen.
  2. Diesen Schluss legt zumindest der faszinierende Bildband „Gesichter mit Geschichten“ nahe.
  3. Das italienische Autoren-Duo Michele Robecchi und Francesca Bonazzoli hat sich 43 Porträts aus fünf Jahrhunderten herausgepickt.
  4. Von Gustav Klimt, Marlene Dumas, Frida Kahlo und Picasso.

Im Bildband „Gesichter mit Geschichten“ geht es nicht so sehr um das, was Museumsbesucher zumeist als Erstes bewundern, wenn sie ein meisterliches Gemälde betrachten. Nicht Form und Farbgebung, Stil und technische Fertigkeit stehen hier im Mittelpunkt. Befriedigt wird ein viel ursprünglicheres Bedürfnis, der Leser darf Mäuschen spielen im Atelier. Das Buch liefert Antworten auf die Frage: Wer ist da eigentlich auf dem Bild zu sehen?

Isabella d’Estes Angst vor Leonardo da Vinci

Es ist ein bisschen, als zögen die Autoren einen Schleier von den Abgebildeten. Sie enthüllen deren Identitäten, sie lassen sie auf diese Weise zu ihrem Recht kommen und holen sie aus dem Schatten des Künstlers. Denn der Schöpfer eines Porträts hat ja stets die Oberhand über die abgebildete Person und ihr Nachleben. Die konnte sich nie sicher sein, ob sie mit ihrem Abbild auf der Leinwand einverstanden sein würde. Manche fürchteten sich gar davor – Isabella d’Este etwa, die Angst hatte, von Leonardo da Vinci gemalt zu werden, weil er „zu tief in ihre Seele blicken“ könnte.

Da Vinci ist denn überhaupt ein gutes Beispiel, von ihm ist die „Dame mit dem Hermelin“ in diesem Buch enthalten. Das Ölgemälde entstand 1489/90 im Castello Sforzesco. Dort residierte Ludovico Sforza. Der Regent der Stadt galt politisch als skrupellos und eiskalt, konnte bei gesellschaftlichen Anlässen jedoch unheimlich charmant sein. Er war verheiratet mit Beatrice d’Este, der Tochter des Herzogs von Ferrara. Nicht sie ist allerdings die Dame auf dem Bild. Und das ist das Problem.

Italienische Machtverhältnisse

Da Vinci malte nämlich die Geliebte Sforzas, sie hieß Cecilia Gallerani. In sie hatte sich der mächtige Mann verliebt, als sie 17 war. Sie hatte früh ihren Vater verloren, sie war gebildet, sprach Latein, sie schrieb Lyrik und trat in Gesprächen sicher auf. Sforza holte sie zu sich in den Palast, und nachdem sie den gemeinsamen Sohn Cesare geboren hatte, machte er der Geliebten die Stadt Saronno zum Geschenk.

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All das passierte während der Verlobungszeit Sforzas und Beatrices. Die beiden waren einander versprochen worden, als Beatrice fünf Jahre alt war, sie sollten heiraten, wenn sie ihren 15. Geburtstag hinter sich hatte. Aber Sforza verschob die Hochzeit. Erst auf Intervention des Schwiegervaters ging alles seinen Gang.

Der Bitte, Sforza möge die Geliebte und deren Sohn aus dem Palast entfernen, kam Sforza jedoch nicht nach. So lebte er mit zwei Frauen unter einem Dach, und erst als er beiden denselben Stoff schenkte und Beatrice ihre Konkurrentin in dem daraus gefertigten Kleid sah, stellte sie ein Ultimatum: sie oder ich. Sforza verheiratete Cecilia mit einem Grafen, der Sohn wurde abgefunden. Wenige Jahre später starb Beatrice, Cecilia bekam mit ihrem Ehemann vier Kinder.

Großartig gemalt, aber „unvollendet“ Modell gestanden

Ihr Porträt gefiel ihr nicht, schrieb Cecilia später. Es sei großartig gemalt, keine Frage. Aber sie habe Leonardo zu einer Zeit Modell gesessen, als sie „unvollendet“ gewesen sei. Gut getroffen, so urteilten Zeitgenossen, sei hingegen das Hermelin in ihrem Arm. Es trage die Züge Sforzas, der kurz zuvor vom König von Neapel die Insignien des Hermelinordens erhalten hatte und dessen Spitzname „italienischer Mohr, weißes Hermelin“ lautete.

So geht es zu in diesem Band. Der Leser erfährt etwas über die Journalistin Sylvia von Harden, die 1926 von Otto Dix porträtiert wurde, und lernt sie auf eine andere, herzlichere Weise kennen, als das Bild es ermöglicht. Er lernt, dass Tizians „Danaë“ die Lieblingskurtisane von Kardinal Alessandro Farnese war. Und am Ende ist die Kunstgeschichte ein Krimi aus Neid, Eifersucht, Rache und verbotener Liebe.