Neu im StreamingWarum „Normal People“ unbedingt sehenswert ist
- Die fabelhafte Serie „Normal People“ erzählt die Geschichte der irischen Teenager
- Die Serie mischt „Romeo und Julia“ mit Jane Austens „Emma“ und überträgt sie in die Gegenwart.
Das ist die Geschichte von zwei Menschen, deren Herzen magnetisch sind. Sie wollen immer zueinander, sie möchten eins werden, aber die Umstände, die sind nicht so. Connell und Marianne sind Klassenkameraden in einer Schule in Irland. Marianne ist eigensinnig und einsam, ständig steht eine Wolke von Schwermut über ihrem Kopf. Connell ist eine Sportskanone mit großem Freundeskreis. Aber in ihren Köpfen sind sie gleich, passende Puzzleteile, und sie sehnen sich nach etwas, von dem sie nicht wissen, was es ist.
„Normal People“ heißt diese Serie, die „Romeo und Julia“ mit Jane Austens „Emma“ mischt und in die Gegenwart überträgt. Das Buch, das der Produktion – zwölf Folgen zu je 30 Minuten – zugrunde liegt, stammt von Sally Rooney. Die 29-jährige Irin ist der Shooting-Star der europäischen Literatur. Rooney hat zwei Romane veröffentlicht, außer „Normal People“ noch „Gespräche mit Freunden“. Wer sie zu lesen beginnt, wird nicht aufhören wollen, denn er begegnet darin nicht bloß melancholischen Studenten, sondern sich selbst.
Bei Marianne und Connell ist es so, dass Connells Mutter in Mariannes Elternhaus putzt, und dass Connells Freunde Marianne nicht leiden können, deshalb halten die beiden ihre Beziehung geheim. Wenn sie zusammen sind, sprengen sie die imaginären Ketten, sie unterhalten sich über das Leben, philosophisch und klar, sie schlafen miteinander, lange und intensiv, und als Zuschauer hat man das Gefühl, da gehen zwei buchstäblich ineinander auf. Aber in den Schulfluren, auf dem Pausenhof und im Pub kennen sie einander nicht, und wie hier alle Demütigungen, Verletzungen, Euphorien und Himmelsstürme der Jugend in Bilder gefasst werden, ist großartig.
Lenny Abrahamson hat die Serie erfunden, er teilt sich die Regie mit Hettie Macdonald. Von Abrahamson mag man den Kinofilm „Raum“ kennen; in dem oscarprämierten Werk spielt Brie Larson eine Frau, die in der Gefangenschaft eines Kidnappers ein Kind großzieht. Nach der Flucht muss sie sich mit dem Fünfjährigen in Freiheit zurechtfinden. Und um das Zurechtfinden geht es im Grunde auch in „Normal People“: Warum verletzt man den anderen, wo man ihn doch auch einfach in den Arm nehmen könnte? Warum läuft man nebeneinander her, obwohl man doch auch miteinander gehen könnte?
Perfekte Hauptdarsteller
Die beiden Hauptdarsteller Daisy Edgar-Jones (22) und Paul Mescal (24) sind perfekt gecastet. Die Kamera geht nah an ihre Gesichter, die Farben sind gedimmt, im Hintergrund streichelt der Wind summend über Sträucher und Bäume, und wenn die Sonne durch die Wolken bricht, blendet sie. Es ist, als liege stets leichter Nebel über der Szenerie, als bewegten sich die Figuren in Zeitlupe, tastend und zögerlich, als würden ihre Bewegungen von Watte abgefedert. Die Hintergründe verschwimmen, es ist nur wichtig, was im Zentrum passiert, und das Zentrum ist Liebe.
Rooney durchwirkt ihre Texte mit Hinweisen auf die Tendenz der Gegenwart, Seelen zu deformieren. Ihre Figuren reagieren aber nicht mit Wut oder Konsumkritik auf die Zumutungen des Kapitalismus, sie seufzen lieber und lesen „Kritik der postkolonialen Vernunft“ und das „Manifest der kommunistischen Partei“. Die Autorin schrieb selbst am Drehbuch zur Serie mit, sie hat die zeitkritische Ästhetik für die Produktion etwas zurückgenommen und die Kanten geschliffen: Der Film ist verträumter als das coole Buch, das macht aber nichts, es sind halt zwei eigenständige Kunstwerke.
„Normal People“ wird auf Starzplay ausgestrahlt. Den Channel kann man bei Apple-TV und Amazon abonnieren. Zwei Testwochen gibt es gratis, danach kostet das Abo 4,99 Euro im Monat. Die deutsche Übersetzung „Normale Menschen“ erscheint am 17. August bei Luchterhand. 320 Seiten kosten 20 Euro.