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Der GetriebeneNeue Live-Alben von David Bowie

Lesezeit 4 Minuten
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Davied Bowie

  1. „Meine Arbeit ist stärker, wenn ich genau das mache, was ich will“, so einst der Künstler.
  2. Der Stern des Sängers drohte in den 1990er Jahren zu sinken.
  3. Heute ist er eine Legende.

Köln – Das Popjahr 2016 konnte man nur als schrecklich, als Annus horribilis beschreiben. Erst starb David Bowie, danach trauerte die Musikwelt um Prince und Leonard Cohen. Den drei Künstlern ist gemeinsam, dass sie im Laufe ihrer langen Karriere Auszeiten nahmen oder Phasen von Bedeutungsverlust durchstehen mussten.

Cohen verbrachte einige Jahre in einem buddhistischen Kloster. Prince dribbelte sich als „Artist Formerly Known as Prince“ eine Zeitlang ins künstlerische Abseits. Bowie, der sich in seinem Musikerleben immer wieder neu erfunden hat – einer seiner besten Songs heißt nicht zufällig „Changes“ –, wollte sich weder aus der Öffentlichkeit zurückziehen noch als unverstandener Solitär mit dem Rücken zum Publikum spielen. Doch in den 1990er Jahren drohte er in Vergessenheit zu geraten.

Problematisches Jahrzehnt

Drei gerade erschienene Live-Alben aus den 1990er Jahren waren Anlass für die „Sunday Times“, mit ehemaligen Kollegen und Weggefährten Bowies über ein für den Popstar problematisches Jahrzehnt nachzudenken. 1983 hatte er mit dem Album „Let’s Dance“ eine Schatzkammer geöffnet. Er war zum Hitfabrikanten mutiert. Wenige Jahre später fanden ihn die Medien auf einmal uncool, erinnerte sich sein ehemaliger PR-Mann und Manager Alan Edwards.

Die 1990er Jahre, in denen das Internet an Bedeutung gewann und neue Szene-Magazine gegründet wurden, traten Kurt Cobain und Courtney Love ins Rampenlicht, Victoria „Posh“ Beckham und ihr Mann David, Oasis und Blur, Tony Blair, Quentin Tarantino und Supermodels wie Kate Moss.

An Bowie wollte sich damals aber niemand erinnern

Die Musik der Britpop-Band, die nun den Ton angaben, verdankte den von Bowie maßgeblich mitgeprägten 1960ern und 1970ern eine Menge. An Bowie wollte sich damals aber niemand erinnern. Kein Wunder: Er arbeitete inzwischen daran, sich von seinen Wurzeln zu entfernen: mit beinharter Industrial Music und pulsierendem Drum and Bass.

Die Alben „Tin Machine“ und „Tin Machine II“ aus den Jahren 1989 und 1991 waren von der US-Band Nine Inch Nails beeinflusst. Die brachialen Dissonanzen klangen so ganz anders als „Let’s Dance“ und „China Girl“.

Viele gingen, bevor die Auftritte zum Ende kamen

Bei seinen Konzerten verschmolzen Drum and Bass mit Jazz, Metal, der Elektronik-Variante Glitch – und einigen Hits. Der Konzertmitschnitt „LiveAndWell.com“ von 1997 spiegelt diese fürs Publikum herausfordernde Melange. Viele gingen, bevor die Auftritte zum Ende kamen.

Bowies langjähriger Konzertagent John Giddings erklärte gegenüber der „Sunday Times“ die Motivation des Musikers. Er leistete es sich, gegen die Kommerzialisierung seiner Karriere zu opponieren. Bowie experimentierte, probierte Neues aus: Wandel statt Stagnation. Er wollte nicht jeden Abend die immer selben Hits singen und als seine eigene Tribute-Band auftreten.

Für den Fall der Fälle hätte es immer noch die Malerei gegeben

Er ignorierte frustrierte Reaktionen seiner Fans („This is bollocks! We want Let’s Dance!“) in der Hoffnung, das Publikum am Ende doch mitzunehmen. An diesem Projekt arbeitete er leidenschaftlich und nahm Rückschläge in Kauf. Für den Fall der Fälle hätte es immer noch eine Alternative gegeben: die Malerei.

Der Gitarrist Reeves Gabrels spielte mit Bowie zusammen in der Band Tin Machine. Bowie sei stolz auf seine Arbeit mit Tin Machine gewesen, sagte Gabrels, hätte sich aber an den neuen Gedanken gewöhnen müssen, so gut wie keine Platte zu verkaufen. Sei’s drum: Die künstlerische Distanzierung vom Disco-Pop à la „Let’s Dance“ war es ihm wert.

„Meine Arbeit ist stärker, wenn ich genau das mache, was ich will.“

In einem Interview Anfang 2000 blickte Bowie selbstkritisch auf die vergangenen 20 Jahre zurück. „Meine größten Fehler habe ich immer dann gemacht, wenn ich dem Publikum gefallen wollte. Meine Arbeit ist stärker, wenn ich genau das mache, was ich will.“ Man darf ihn sich in den 1990ern als glücklichen Mann vorstellen. Auch privat. 1992 heiratete er das Model Iman.

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2000 trat Bowie beim Musikfestival in Glastonbury auf – mit einem großartigen Best-of-Programm, „Let’s Dance“ inklusive. Zwei Jahre später machte er die Zuhörer auf dem Bonner Museumsplatz glücklich. Bowies Stimme, die Kraft und Zweifel, Schönheit und Hysterie ausdrücken kann wie kaum eine andere, erhob sich immer wieder strahlend über die Klangkulissen der Band. Er wirkte hochkonzentriert und entspannt zugleich. „Ich bin nicht mehr so getrieben wie früher“, hatte der Musiker zuvor in einem Interview erklärt.