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Neues Buch „Bowies Bücher“Wie David Bowie von der Literatur beeinflusst wurde

Lesezeit 5 Minuten
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David Bowie war ein echter Bücherwurm, wie eine neue Publikation deutlich macht.

  1. Ohne Liebe zur Lyrik und Literatur sind Songtexte nur schwer vorstellbar.
  2. David Bowie war ein echter Bücherwurm, wie eine neue Publikation nun klar macht.
  3. Das Buch listet die 100 Werke auf, die den Superstar am meisten beeinflusst haben

Das Verblüffendste ist vielleicht, dass David Bowie gerne Christa Wolf gelesen hat. Vor allem „Nachdenken über Christa T.“, jenen Roman aus dem Jahr 1968, der wenig später auch in englischer Übersetzung erschien. Das ist ein ziemlich tolles Buch, eine schwebende Selbstbefragung. Die Autorin erinnert sich darin an eine verstorbene Freundin, sie spürt dem Wesen der Erinnerung nach und wehrt sich gegen die Wehmut. Sie will die Verstorbene nicht in Bernstein verschließen und in die Gedächtnisvitrine legen, sondern lieber weiterdenken, „weiter denken“, schreibt sie, das sei doch viel gerechter und ihr gemäßer. Bevor Bowie 2013 seine Comeback-Single „Where Are We Now?“ veröffentlichte, soll er viel Christa Wolf gelesen haben. Das Lied sei geprägt von der Atmosphäre dieses Buchs, von dessen Einfluss durchdrungen.

Bowies Liste dient als Grundlage

John O’Connell schreibt das, er hat soeben ein Buch über die Lektürevorlieben des 2016 gestorbenen britischen Popstars veröffentlicht: „Bowies Bücher. Literatur, die sein Leben veränderte“. Der Band basiert auf der Liste, die Bowie drei Jahre vor seinem Tod veröffentlicht hat: Sie versammelt jene 100 Titel, die für ihn am wichtigsten und prägendsten waren – also nicht unbedingt Lieblingsbücher. Für Menschen, die Bowie verehrt haben, ist das natürlich ein Traum: Man schreitet diese imaginäre Bibliothek ab. Man stellt sich vor, was Bowie wohl gedacht haben mag, während er die Bände las. Warum gerade sie ihn so gepackt haben. An manche Lektüren erinnert man sich nun neu und anders. Andere Bücher liest man vielleicht jetzt erstmals und dann mit der Brille Bowies: Ah ja, das kann ich mir denken, dass er das gut fand.

Mobile Bibliothek mit bis zu 1500 Büchern

Bowie war ein obsessiver Leser. Die letzten Jahre soll er lesend in seinem Apartment in Manhattan zugebracht haben. Ende der 90er Jahre schrieb er Rezensionen für das Buchhaus Barnes & Noble. Er war gut bekannt mit Hanif Kureishi, Ray Bradbury und Christopher Isherwood. In Interviews schwärmte er von der „außergewöhnlichen Kraft“ von Kafkas „Verwandlung“ Und als das bedeutendste Ereignis betrachtete er den Moment, als sein älterer Halbbruder Terry Burns ihm von Jack Kerouacs „Unterwegs“ berichtet habe. Wenn es eben ging, verzichtete er aufs Flugzeug, fuhr Bahn. Zu seiner Reiseausstattung gehörte eine spezielle Kofferkonstruktion, die seine mobile Bibliothek beherbergte. Bis zu 1500 Bücher konnte er darin transportieren, heißt es.

Unter den 100 Titeln, die ihm am wichtigsten waren, finden sich Klassiker wie „Madame Bovary“, „Der Fremde“ und „Lolita“. Richtig interessant wird es indes immer dort, wo das Abwegige blüht und die Überraschung wartet. Dass Bowie „Berlin Alexanderplatz“ so mochte, ist faszinierend und wirkt logisch, wenn man an seine Berlin-Alben denkt. Bowie produzierte auch „The Idiot“ von Iggy Pop, und auch auf diesem Album höre man die Maschinensounds, die Alfred Döblin beschreibe, schreibt O’Connell.

Manchmal übers Ziel hinaus

Nun muss man sagen, dass Herausgeber John O’Connell seinen Job super macht, es aber manchmal auch übertreibt. Er schlüsselt jeden der 100 Bände auf, informiert über Inhalt und Autor und macht sich einen Reim darauf, was Bowie an dem jeweiligen Buch gereizt haben könnte. Das ist meistens erhellend. Im Fall von „Letzte Ausfahrt Brooklyn“ von Hubert Selby etwa. Den Roman lernte Bowie über Lou Reed kennen, der sich davon zu „I’m Waiting For My Man“ inspiriert gefühlt haben soll, den Song seiner Band Velvet Underground, den Bowie so grandios fand, dass er ihn bereits coverte, bevor er offiziell erschienen war. Aber manchmal gehen eben auch die Pferde mit O’Connell durch. Dann begründet er Bowies Vorliebe für die „Ilias“ damit, dass die Waffenbrüder Achill und Patroklos eine ähnliche Beziehung gehabt hätten wie Bowie und Iggy Pop.

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Von zwei Autoren stehen je zwei Titel auf der Liste: Anthony Burgess („Clockwork Orange“, „Der Fürst der Phantome“) und George Orwell („1984“, „Im Innern des Wals“). Von „1984“ war Bowie so angetan, dass er bereits ein Musical und eine TV-Serie dazu geplant hatte. Der Witwe Orwells gefiel das jedoch nicht, also machte Bowie Songs aus dem Stoff; man findet sie auf der LP „Diamond Dogs“: „Big Brother“, „1984“, „We Are The Dead“. Viele von Bowies Lieder muten ohnehin wie Kurzgeschichten an; die frühen Stücke „Please, Mr Gravedigger“ und „Space Oddity“ etwa. Und am Set zum Film „Der Mann, der vom Himmel fiel“ erzählte er, er arbeite an einem Band mit Short Stories. Titel: „The Return Of The Thin White Duke“. Ein paar Jahre später druckte der „Playboy“ ein Fragment daraus. Der erste Satz zeigt, dass da noch Luft nach oben war. Er geht so: „Vince war Amerikaner und kam nach England, dann ging er nach Frankreich und wurde ein Star des Klagelieds.“

Lesefrüchte

„Bowies Bücher“ ist bei Kiepenheuer & Witsch erschienen. 384 Seiten kosten 16 Euro.Zu Bowies Favoriten gehörten „Herzog“ von Saul Bellow, „Als ich im Sterben lag“ von Faulkner, „Traumpfade“ von Bruce Chatwin, „Lust und Laster“ von Evelyn Waugh, „Nächte im Zirkus“ von Angela Carter und „Weißes Rauschen“ von Don DeLillo. (EB)

Bowie las alles über sein Idol Little Richard. Er mochte japanische Literatur, verschlang Sachbücher aus dem Grenzbereich zwischen Spekulation, Magie und Wissenschaft, verehrte „Das wüste Land“ von T.S. Eliot und hoffte mit James Baldwin auf eine post-rassische und tolerantere Zukunft. Er las Muriel Spark, Martin Amis, Truman Capote, Michael Chabon und Ann Petry. Er dachte über Fragen nach, die John Cage in seinen Schriften aufwarf („Was ist musikalischer: Ein Lastwagen, der an einer Fabrik vorbeifährt, oder ein Lastwagen, der an einer Musikschule vorbeifährt?“). Und er schmunzelte über die Bonmots der New Yorkerin Fran Lebowitz („Für mich ist Natur das, durch das man hindurch muss, um von seiner Wohnung in ein Taxi zu kommen“).

Man liest diese kommentierte Liste und stellt sich vor, wie das wohl gewesen wäre, mit Bowie über Bücher zu sprechen. Den „Großen Gatsby“ hat Bowie übrigens auch gemocht. Persönlichkeit, heißt es darin, ist „eine ungebrochene Serie geglückter Gesten“. Man hätte gerne gefragt, wie er den Satz findet: „Beautitiful, isn’t it?“ Vielleicht hätte er geschmunzelt. Und genickt.