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TanzFaktur in DeutzWie Köln wieder eine Tanzstadt werden könnte

Lesezeit 4 Minuten
Ein getanztes Gemälde präsentieren Marie Gourdain/tYhle Company mit „Medúza“.

Ein getanztes Gemälde präsentieren Marie Gourdain/tYhle Company mit „Medúza".

Am 12. Juli startet die Sommerakademie in der TanzFaktur in Deutz. Das Haus, das vor allem die freie Szene beherbergt, könnte neben dem Depot ein wichtiger Standort für den Tanz in Köln werden.

Das Depot in Mülheim soll nach dem Umzug des Schauspiels an den Offenbachplatz weiter genutzt werden. Eine dritte Sparte, Tanz, soll nach Beschluss des Rates spätestens bis zur Spielzeit 2025/26 etabliert werden. Die Konzepte für eine neue Tanzkompanie und für die Zusammenarbeit der verschiedenen Betreiber des Depots werden bewusst offen gehalten, so Kulturdezernent Stefan Charles. Denn werde jetzt zu viel vorgegeben, könnte es schwierig werden, an öffentliche Förderungen zu gelangen.

Neben den Gastspielen und dem Engagement einer hauseigenen Kompanie soll auch die Freie Szene die Halle nutzen. Das wird kosten. Ein Name fällt jedoch nie in all den Überlegungen, die von Politik und Verwaltung angestellt werden, und das ist der der TanzFaktur. Ihre Existenz ist nicht das Ergebnis von Gedankenspielen, sondern sie ist real und prosperiert seit zehn Jahren. Slava Gepner hat sie maßgeblich – und zunächst mit eigenen Mitteln – entwickelt, sodass sie zu einer Bildungs-, Produktions- und Veranstaltungsstätte für die freie Szene wachsen konnte.

Tatsächlich wurde die TanzFaktur an der Siegburger Straße in Deutz mit jährlich 130 Veranstaltungen zu ihrer Heimat. Vergleichbares hat es in Köln nie zuvor gegeben. Nun möchte Slava Gepner jene provisorisch genutzte Halle in Deutz herrichten, in der seit drei Jahren neben dem Tanz auch das Theater Der Keller und die Studiobühne aufführen und die sich unmittelbar an der Faktur befindet. Die Halle würde dann über eine Tribüne für 300 Besucher sowie einen Backstage-Bereich, ein Foyer und ein funktionierendes Dach verfügen. Unterstützung vom Land NRW wurde schon signalisiert, die Instandsetzung würde wohl geschätzte fünf Millionen Euro kosten.

Wie vertragen sich diese Begehrlichkeiten mit den angedachten Nutzungen des Depots im Carlswerk? Derzeit verfügt die Faktur über einen Saal für 100 und zwei Studios für jeweils etwa 60 Besucher. Neben Studios für Tanzworkshops, die von Kindern, Studierenden und Senioren genutzt werden, ergibt sich im Zusammenspiel mit der Halle ein maßgeschneidertes Angebot für die Formate der freien Szene, die naturgemäß intimer angelegt sind.

Tatsächlich hat sich im Bereich des Tanzes in den letzten zwanzig Jahren eine demographische Veränderung ergeben. Unter den darstellenden Künsten wird der Tanz für die jüngere Generation immer attraktiver. Nicht nur die großen Gastspiele, die Hanna Koller für tanz köln ins Depot lockt, sind stets ausverkauft, auch die zahlreichen Festivals, die in der TanzFaktur Station machen, füllen die Säle.

Hanna Koller und Slava Gepner unterhalten offenbar einen guten Draht zueinander. Depot und Faktur können sich ergänzen, und so performt die weltberühmte Batsheva Dance Company aus Israel nicht nur im Mülheimer Carlswerk, sondern mit Teilen seines Ensembles auch in der Faktur in Deutz.

Slava Gepner wirft noch eine andere Karte in den Ring. Denn die Faktur befindet sich genau auf jener Achse im Süden von Deutz, auf der das Zentrum des derzeit im Bau befindlichen Hafenquartiers mit Markthalle und zentralem Platz entstehen wird. Kultur wertet Lebensqualität auf, und Köln würde von seinen Industriebrachen profitieren, indem das Rechtsrheinische neben Mülheim mit einem zweiten attraktiven kulturellen Areal aufwarten würde. Mit der Auflösung des Tanzforums in den 1990er Jahren verlor Köln die letzten Reste seines großen Renommees als Tanzstadt.

Nach 30 Jahren könnte sich das Blatt wenden, zumal die Stadt drei Hochschulen beherbergt, in denen Jahr für Jahr Tanzabsolventinnen und Absolventen in die freie Szene entlassen werden. Leuchtturm dieser Vergangenheit war die Sommerakademie, sie wird vom 12. bis 19. Juli wieder mit Kompanien aus Israel, Polen, Belgien, den Niederlanden, Tschechien und der Ukraine in der TanzFaktur eröffnet (siehe Kasten). Nur eines der Festivals, die Köln im Herbst erwarten. „Tanz ist eine universelle Sprache. Wir werden nie genug Wahrnehmung von Körpern haben“, meint Slava Gepner. Zumindest für Köln scheint das zutreffend.


Die Sommerakademie

Zum Auftakt der Sommerakademie ist am 7. Juli, 20 Uhr, die Abschlusspräsentation von Inkubatur-Residenz geplant. Am Mittwoch, 12. Juli, 20 Uhr, startet der israelische Choreograph Tamir Golan mit der Produktion „Egatsoh“.

Donnerstag, 13. Juli, 20 Uhr, folgt die polnisch-ukrainische Kooperation „Every Minute Motherland“. Die Produktion „Dress Code“ von Julian Carlier/Cie Abis bewegt sich am 15. Juli, 20 Uhr, an der Schnittstelle von zeitgenössischem und urbanem Tanz.

Am 17. Juli, 20 Uhr, steht „Medúza“, ein getanztes Gemälde der Filmregisseurin Marie Gourdain, auf dem Programm. Zum Abschluss am 19. Juli, 19.30 Uhr, sind Aufführungen von Rutkay Özpinar, Poernima Gobardhan und der Insha Dance Company zu sehen. (EB)