„Schule muss sich ändern“Comedian „Herr Schröder“ im Interview
Lesezeit 4 Minuten
Köln – Ein ehemaliger Studienrat beweist als „Herr Schröder“ seit Jahren auf der Bühne, dass Lehrer witzig und geistreich sein können. Am 2. August hat Johannes Schröder sein zweites Buch „Instagrammatik“ veröffentlicht. Johannes Spätling sprach mit dem 47-Jährigen, der am 5. September ins Gloria-Theater kommt.
Woher kommt der Name „Instagrammatik“?
Schröder: Das ist ein Neologismus, der für die Zusammenführung von alter und neuer Welt steht. Die Grammatik ist ein Symbol für die alte Welt und den trockenen Deutschunterricht, wir haben aber auch die neuen Medien und die digitale Welt des Lehrens und Lernens als neue Schulrealität. Schule muss sich ändern, wir wissen aber noch nicht genau in welche Richtung es gehen soll.
Welche Probleme sehen Sie hinsichtlich der schulischen Zukunft in Deutschland?
Den Schulen wird nicht genügend Eigenverantwortung zugetragen. Viele Schulen würden gerne eigene Wege gehen, zum Beispiel bei digitalen Plattformen, auf denen sie die Kids erreichen möchten. Auf lange Sicht müssen wir den Beruf der gesellschaftlichen Realität anpassen. Jeder Schüler wünscht sich einen Lehrer, der aus Spaß am Unterricht tätig ist, nicht aufgrund der beruflichen Sicherheit und des Beamtentums.
Wie führte Ihr Weg vom Klassenzimmer auf die Bühne?
Als ich als Comedian anfing, war ich noch verbeamtet. Aus eigenem Antrieb bin ich im Rahmen meines Sabbatjahrs in Kanada vor einer Handvoll Leuten aufgetreten, als der „Funny German“. Das Zurückkommen nach Deutschland war für mich die schwierigste Angelegenheit: Wie wäre wohl Comedy vor der eigenen Haustür? Die zwölf Jahre als Deutschlehrer im Staatsdienst, die Reclam-Heftchen und die Korrekturstapel haben mich dazu gebracht, meine letztendliche Entscheidung zu treffen und Comedian zu werden. Deutschlehrer sind übrigens auch uncooler als Sportlehrer, das war ein weiterer Grund. (lacht)
Welcher Moment war entscheidend im Laufe der weiteren Karriere?
Ein Auftritt bei Nightwash hat dafür gesorgt, dass ich wirklich merkte, wie sehr mir die Bühne Spaß macht. Daraufhin bekam ich auch Kontakt zu Agenturen, und sehr viel positives Feedback.
Was erfährt der Leser in Ihrer Neuveröffentlichung „Instagrammatik“?
Schauplatz ist wieder die Helene-Fischer-Gesamtschule: Eine neue Schulleiterin will die Schule digital runderneuern, G8 trifft auf 5G und der Medienwagen hat jetzt auch Netflix. In diesem Spannungsfeld reflektiere ich im Buch über Sinnhaftigkeit von digitalen Erneuerungen. Wo sind die Schüler in diesem Spannungsfeld, und nehmen wir sie noch mit? Auch wichtige pädagogische und soziale Themen werden angesprochen: Was macht Lernen aus? Wie sieht die Schule der Zukunft aus? Und wer muss am Ende alles nachsitzen?
Inwieweit spiegeln Ihre Bücher und Ihre Auftritte die Realität an Schulen wider?
Ich denke, dass dies sehr deutlich der Fall ist. Ich dokumentiere das Leben der Schüler in ihren Whatsapp-Gruppen und Parallelwelten und zeige auf, wie weit wir Erwachsenen uns bereits von ihnen entfernt haben. Die Schüler haben es verdient, jemanden vor sich zu haben, der sich vollständig für sie interessiert. Diese klugen Geräte und Apps, die uns alles abnehmen, sind auch ein Thema des Buches: Wir lernen, an jeder Stelle faul zu sein, zum Beispiel bei der Rechtschreibung auf Whatsapp oder bei Google, lernen aber nichts mehr dazu. Aus „furchtbar“ wird bei Google schnell „fruchtbar“, aber das sollte nicht Sinn der Sache sein. (lacht)
In welcher Hinsicht sind die Schüler und die junge Generation den Erwachsenen und Lehrern voraus?
Die Schüler gestalten in meinem Buch ihre Lernwelt selbst, durch Erklärvideos, Podcasts und Zusammenfassungen. Dies entspricht auch oftmals der Realität. Die Lehrer werden dadurch beinahe zu Statisten, und die Schüler haben in manchen Bereichen die Nase vorn, gerade im digitalen Umgang. Wir sollten noch viel mehr die Impulse der Generation U20 aufnehmen.
Welche Botschaft möchten Sie letztendlich an die Lehrenden weitergeben?
Als moderner Lehrer sollte man wissen, was die Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler ist: Was ist Snapchat, was Tiktok, wozu nutzt man es? Als moderner Lehrer braucht man digitale Kompetenz, selbst wenn wir bestimmte Plattformen oder Entwicklungen ablehnen. Wir müssen die Mechanismen verstehen, um mit der neuen Generation arbeiten zu können. Selbstdarstellung auf Videos, das Leben online und das regelmäßige Vergleichen der Lebensentwürfe gehören heute dazu, das lässt sich nicht mehr ändern. Sokrates hat die Handschrift abgelehnt, aber sein Schüler Platon hat sich dafür entschieden und letztendlich mehr Follower gehabt. (lacht) Nun müssen wir auch neue Wege gehen, die Augen aufhalten und bewertungsfrei an die digitalen Entwicklungen herangehen.