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Im Haus von Claude LelouchHusch Jostens neues Buch „Eine redliche Lüge“

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Hush Josten.

Köln – Wissen Sie, was Ihr Ehegesponst so treibt? Kennen Sie Ihre Freunde ganz genau? Oder anders gefragt: Kann es respektable Rechtfertigungen für Halb- und Unwahrheiten geben?

Drei Jahre, nachdem ein Literaturprofessor und sein unverhofft auftauchender Mönchsonkel am Ende „Land sehen“ durften, enthüllt Husch Josten mindestens „Eine redliche Lüge“ in einem weiteren Kosmos sorgsam gehüteter Familien- und anderer Geheimnisse. Diesmal entführt die frankophile Kölnerin ihre Leser in die normannische Sommerfrische des Jahres 2019.

Nach ihrem Literaturstudium arbeitet Elise ein paar Monate lang als Hausmädchen für das mondäne Paar Margaux und Philippe, die in ihrer spektakulären Residenz unentwegt illustre Gäste zu Abendessen empfangen. Elise ist fasziniert von der Weltläufigkeit der beiden und ihres Freundeskreises, doch bald schärft sich ihr Blick für den Unterschied zwischen Schein und Sein, den schmalen Grat zwischen Glückssuche und (Selbst-) betrug – bis der Sommer eines Abends mit mehr als einer Enthüllung jäh endet.

Eine Lektion fürs ganze Leben, wie Elise 32 Jahre später von all dem zu berichten weiß. Mit diesem Dreh in die Zukunft wagt sich Husch Josten an eine wackelige erzählerische Konstruktion. Denn wie in allen ihren Büchern beschäftigt sich die ehemalige Journalistin auch hier intensiv mit den Themen des Tages. Wenn es – „was damals sehr in Mode war“ – um Demonstrationen für und gegen Globalisierung, um Gelbwesten, Klimawandel oder die sozial aufgeheizte Atmosphäre geht, mag man an Roger Willemsens gesellschaftskritischen Essay „Wer wir waren“ denken. Die Idee, unsere Zeit aus der Rückschau zu deuten, ist raffiniert, hält aber hier genau der rasanten Entwicklung nicht stand, die sie darstellen will: Die „Zeitenwende“ mit Virus schiebt die Ich-Erzählerin schon nach.

Überhaupt ruckelt Husch Jostens sonst so präziser Erzählmotor, laufen Episoden wie eine lieblose Affäre Elises ins Leere, fehlt es ihrem sonst so klaren Ton an Ironie, wenn die Dame des Hauses auf dem Markt ob des „würzigen Bouquets tiefroter Tomaten in Verzückung“ gerät und jede Zwiebel „geradezu andächtig“ auswählt.

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Immer und immer wieder verweist Elise auf das dräuende Verhängnis, das sich am Ende tatsächlich als redliche, aber daher auch kaum erschütternde Lebenslüge entpuppt. Ein bisschen dick trägt Husch Josten (die sich im Anhang bei Filmlegende Claude Lelouch für die Einladung in sein „unvergleichliches Haus“ bedankt, das für die Domaine de Tourgéville im Buch Pate stand), weltbildungsbürgerliches Aroma auf; kaum verfremdet wirkt der Onkel der Familie wie ein Wiedergänger Daniel Cohn-Bendits. Als enorm erfrischend bleibt dagegen die typische Atmosphäre französischer Sommertage in Erinnerung, die Husch Josten mit leichter Hand zum Leben erweckt.

Husch Josten: Eine redliche Lüge. Piper, 240 S., 20 Euro