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Vorweihnachtliches FamilienstückSchauspiel Köln feiert Premiere von Michael Endes „Momo“

Lesezeit 4 Minuten
Szene aus „Momo“ am Schauspiel Köln

Das Ensemble des Schauspiels im Familienstück „Momo“

Mit viel Humor, aber auch ernsten Untertönen bringt das Kölner Ensemble Michael Endes Kinderbuchklassiker auf die Bühne des Depot 1.

 Zeit ist ein kostbares Gut. Das wird einem spätestens dann wieder bewusst, wenn man durch eine vorweihnachtlich überfüllte Einkaufsstraße hetzt und versucht, seine letzten Weihnachtsgeschenke zusammenzubekommen. Michael Ende hat die Zeit und ihren unermesslichen Wert 1973 in den Mittelpunkt seines Kinderbuchklassikers „Momo“ gestellt.

Eine sehenswerte Bühnenfassung der ungarischen Regisseurin Ildikó Gáspár feierte am Samstag im Depot 1 Premiere, bei der auch viele junge Zuschauer im Publikum saßen. Im Mittelpunkt der Geschichte steht Momo (mit nonchalanter Leichtigkeit verkörpert von Maddy Forst), ein Waisenkind, das in einem verlassenen Amphitheater außerhalb der Stadt lebt.

Momo nimmt den Kampf gegen die „Grauen Herren“ auf

Sie hat die besondere Fähigkeit, anderen Menschen so gut zuzuhören, dass diese ihre Sorgen vergessen und sogar Streit mit anderen beilegen. Dadurch gewinnt sie schnell viele Freunde, darunter den Straßenkehrer Beppo (Andreas Grötzinger), Touristenführer Gigi (Thomas Brandt), Bäcker Nino (Lou Friedman) und den Maurer Niccoló (Leon Wieferich).

Doch die Harmonie, die Momo in die Gemeinschaft bringt, wird bald gestört, und zwar durch die stets Zigarre rauchenden „Grauen Herren“ (gespielt vom Ensemble in wechselnder Besetzung). Diese wollen die Stadtbewohner überzeugen, möglichst viel Zeit zu sparen und diese dann auf eine „Zeitsparkasse“ einzuzahlen — wobei sie ein wenig klingen wie halbseidene Finanz-Coaches, die in den sozialen Medien versuchen, Menschen für ihr Schneeballsystem zu rekrutieren.

Ihr erstes Opfer wird der Friseur Fusi (herrlich zynisch: Yuri Englert). Ihm rechnet ein Grauer Herr punktgenau vor, wie viele Sekunden er pro Tag einsparen könnte, wenn er weniger Zeit mit seiner kranken Mutter, dem Wellensittich, im Kino oder mit seinen Freunden verbringen würde.

Fusi geht auf den dubiosen Vorschlag ein, unwissentlich, dass er von den Grauen Herren betrogen wird — diese geisterhaften Wesen stehlen den Menschen ihre Zeit, da sie sie selbst zum Überleben brauchen. Immer mehr Stadtbewohner fallen auf die Masche der Grauen Herren herein. Kaum haben sie ihre Zeit hergegeben, sind sie plötzlich abgehetzt, stehen unter Dauerstress und nehmen sich keine Zeit mehr für ihre Lieben oder gar Hobbys.

Die einzige, die dem Treiben Einhalt gebieten kann, ist Zuhörspezialistin Momo. Unterstützt wird sie von der Schildkröte Kassiopeia (gespielt von Nicola Gründel, die auch die Rolle der Erzählerin übernimmt) und der weisen Meisterin Hora, ihres Zeichens Verwalterin der Zeit (Anja Laїs). Mit deren Hilfe muss Momo an die Zeitvorräte der Grauen Herren gelangen, um sie ihren rechtmäßigen Besitzern wieder zuzuführen.

Inszenierung hält sich eng an Michael Endes Buchvorlage

Regisseurin Ildikó Gáspár hält sich bei ihrer Inszenierung inhaltlich recht eng an Michael Endes Buchvorlage. Anfangs ist die Bühne, für die Lili Izsák verantwortlich zeichnet, noch beinahe leer und die Fantasie des Publikums ist gefragt, um sich das alte Amphitheater vorzustellen, in dem Momo lebt.

Später wird dann im starken Kontrast dazu viel mit Spiegeln und Videoinstallationen gearbeitet, um etwa die Zentrale der Grauen Herren oder das „Nirgendhaus“, in dem Meisterin Hora residiert, darzustellen. Die Bandbreite des Humors reicht von knochentrocken (etwa in der Szene, in der ein von Englert gespielter, genervter Polizist sich mit seinem Spiegelbild streitet) bis Slapstick (Beppo, der ebenjenen Polizisten beim Herumdrehen versehentlich mit seinem Kehrbesen ausknockt).

Einen Seitenhieb auf das Drama rund um die Bühnensanierung darf natürlich auch nicht fehlen: „Am Ende bin ich auch noch Schuld am Offenbachplatz“, stichelt Maurer Niccoló, als Nico einmal seine handwerklichen Fähigkeiten in Frage stellt. Das mit viel Freude spielende und musizierende Ensemble entlockte den Premierenzuschauern viele herzhafte Lacher.

Doch einen ernsten Unterton hat die Geschichte bei all dem Charme und Witz dennoch. Das Ensemble greift ihn auch noch einmal in der finalen Musiknummer auf: Es lohnt sich, seine Zeit einfach mal bewusst mit schönen Dingen und gemeinsam mit den Menschen, die man liebt, zu verbringen. Vom Publikum gab es für die gelungene Darbietung verdient langen Applaus.

90 Minuten ohne Pause, wieder am 15., 22., 26.12., sowie 11. und 12.1., jeweils 15 Uhr.