AboAbonnieren

Bühneninspektor in Köln zum Offenbachplatz„Das wird einen Wow-Effekt geben“

Lesezeit 4 Minuten
Stephan Juchem (Bühneninspektor und Stellvertretender Technischer Direktor) vor der Premiere von Giuseppe Verdis „Nabucco“.

Stephan Juchem (Bühneninspektor und Stellvertretender Technischer Direktor) vor der Premiere von Giuseppe Verdis „Nabucco“.

Bühneninspektor Stephan Juchem über die Arbeitsbedingungen am Staatenhaus und die Erfahrungen mit dem Haus am Offenbachplatz.

„Babylon Köln.“ Für Bühneninspektor Stephan Juchem ist das gerade der Schauplatz Nummer eins. Am Sonntagabend ist nämlich Premiere von Giuseppe Verdis Erfolgsoper „Nabucco“, in der der babylonische König Nebukadnezar II. als biblisches Sinnbild für Hybris, Strafe und Läuterung steht. Ben Baur, der bereits die Bühne für „Salome“ und „Ein Maskenball“ schuf, stellt sich nun als Regisseur an der Oper vor. Sesto Quatrini leitet als Experte für das italienische Repertoire das Gürzenich-Orchester.

Erfahrungen hinter der Opernbühne

Aber zurück zu Stephan Juchem, der hinter der Bühne die entscheidenden Fäden zieht. Seit 30 Jahren ist er an der Oper Köln, und wo man hinter den Kulissen des Langzeit-Interims und immer neuen Hiobsbotschaften über die Bühnen am Offenbachplatz womöglich einen Gebeutelten, Müden erwartet, verkörpert Juchem die Ruhe und Zuversicht selbst.

Wie bewertet jemand, der das ganze Opern-Desaster in Köln direkt an der Basis erlebt, das Dilemma der Dauerbaustelle? „Man soll kritisch bleiben“, sagt er. Aber es fuchst ihn, dass immer erst von der teuren Oper die Rede sei, dabei sei das Schauspiel auch mit im Boot. Und alle versuchen, über das lange Warten nicht den Mut zu verlieren. „Die Belegschaft ist den ganzen Weg bisher mitgegangen, trotz widrigster Umstände“, sagt Juchem.

Es herrsche immer noch ein Theatergeist, jeder springe für jeden ein. Auch während Corona habe man alles gegeben, was noch möglich war. Juchem und sein Team der 56 Bühnentechniker und Bühnentechnikerinnen haben schon viel mitgemacht. Warten sind sie gewohnt, vertröstet wurden sie nicht nur einmal. Allein die Umzüge in die immer wieder anderen Lagerhallen – man könnte einen Koller kriegen. „Wir sind 27 Mal mit allem Gezeugs umgezogen“, rechnet er zusammen. Dabei sagt man im Volksmund schon „Drei mal umgezogen, ist wie einmal abgebrannt“.

Bühnen Köln: 14 Bühnenarbeiter bei „Nabucco“

Für die Bühnentechnik ist Aufbau, Neubau und Erfindungsreichtum aber tägliches Geschäft. „Nabucco“ wiederum ist da schon eine besondere Herausforderung. 14 Kolleginnen und Kollegen sind im Einsatz, müssen punktgenau Wände verschieben, immer wieder das Bühnenbild verändern. Für Theater ist das Staatenhaus aus den 1920er Jahren eben nicht gemacht. Mit einer Raumhöhe von 6,90 Metern ist man quasi eingezwängt.

Als Michael Hampe, der von 1975 bis 1995 als Intendant eine große Ära an der Oper Köln prägte, 2015/16 mit Giacomo Puccinis „La Bohème“ nach längerer Zeit wieder an die Stätte seines früheren Wirkens zurück kehrte, mussten die Bühnenbilder um drei Meter gekürzt werden, da sie ursprünglich für den Offenbachplatz konzipiert waren. Aus der Eröffnung wurde nichts. Das Staatenhaus habe aber mit manchen Vorzügen überrascht. Sein absoluter Favorit dort war „Turandot“: Lydia Steier inszenierte 2017 Puccinis Story um heiße Liebe mit einem 70 Meter breiten Bühnenbild.

Juchem ist überzeugt, dass genau dieses Projekt auch dazu beitrug, dass Köln die Auszeichnung als bester Opernchor erhielt. Es war aber auch mit Knochenarbeit verbunden: „Da mussten wir drei Mal das T-Shirt wechseln, bis es überhaupt losging.“ Heimweh hat Juchem trotzdem nach dem Offenbachplatz. „Nur noch 14 Kollegen kennen das Haus dort und wollen die Eröffnung wieder erleben, bevor sie in Ruhestand gehen“, sagt Juchem.

Bühnen Köln: Modernstes Haus Europas

Für das gesamte Team mit werde es erst einmal ein Lernprozess, alles auszuschöpfen, was möglich ist. „Innerhalb von einer Minute werden wir ein komplett neues Bühnenbild aufziehen können. Da brauchen dann eher die Darsteller etwas länger, bis sie am Platz sind. “ Er freut sich auch schon, dass die Bühne zum Beispiel hydraulisch komplett schräg gestellt werden kann. Optisch lassen sich Szenen so besser herausstellen, als wenn sie — wie im Staatenhaus — erhöht werden müssen. Anderseits sei die Nähe zum Publikum und Flexibilität der Orchesterbespielung – der Orchestergraben am Offenbachplatz misst 140 Quadratmeter — im Staatenhaus mit möglichen über 400 Quadratmetern unschlagbar.

Doch alles hat seinen Preis. Lange Wege, schweres Heben – alle hoffen, dass es am Offenbachplatz wieder etwas entspannter zugehen wird. Und auch wenn die ganze Stadt über den Problembau schimpft, kann Juchem jetzt schon sagen, dass das eigentliche Herzstück, die Bühnentechnik steht. Regelmäßig sind er und sein Team dort, arbeiten mit der Bühne, halten alles am Laufen.

Auch wenn es Stand 2013 sei, dürfte das Haus nach der Eröffnung als modernstes in Europa gelten, ist er überzeugt. Versenktische, Laststangen, Hinterbühnenwagen, Vollautomatik – die Fachbegriffe sprudeln nur so aus ihm heraus. „Das wird einen Wow-Effekt geben“.

„Nabucco“, Premiere am 1. Dezember, 18 Uhr, Staatenhaus, Saal 1. Einführung 30 Minuten vorher. Vorstellungen bis 12. Januar.