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Pet Shop Boys in KölnSongs für die Unendlichkeit

Lesezeit 4 Minuten
Pet Shop Boys in der Kölner LanXess-Arena auf ihrer „Dreamworld: The Greatest Hits Live“-Tour

Immer noch gut in Form: „Pet Shop Boys“-Sänger Neil Tennant lädt sein Publikum in der Lanxess-Arena zur Synthie-Pop-Party ein.

Die Pet Shop Boys machten auf ihrer „Dreamworld – The Greatest Hits Live“-Tour auch Halt in Köln. Rund 10.000 Fans verfolgten die britische Kultband in der Lanxess-Arena.

Sind das wirklich die Pet Shop Boys? Auf der Bühne stehen unter Straßenlaternen zwei Männer mit Masken aus jeweils einer aufrechten und einer umgedrehten, überdimensionalen Stimmgabel. Sie haben sich Laborkittel übergezogen, einer steht an einer Workstation aus Keyboard und Computer, die minimalistische Präsentation erinnert an die Performances von Kraftwerk. Streifen-Kunst läuft über die rückwärtige Videowand. Es erklingt „Suburbia“, zu hören ist eine unverkennbar näselnde Stimme – das werden sie schon sein, oder? Oder ist das alles Maskerade, Elektronika, KI?

Natürlich sind es doch Neil Tennant und Chris Lowe, die sich bald die Masken abreißen. Die Pet Shop Boys stehen real und leibhaftig in der Kölner Lanxess-Arena. 10 000 Fans sind von nah und fern angereist, denn es ist 2023 der einzige Deutschland-Termin der „Dreamworld – The Greatest Hits Live“-Tour des britischen Duos. 2022 gab es, nach coronabedingter Verschiebung, bereits sieben Termine in Deutschland.

Ikonen und Pioniere des Synth-Pop

„In Dreamworld, the music plays forever“, sagt Neil Tennant zu Beginn, und es ist Versprechen und Drohung zugleich. Unendliches Gedudel – ist das nicht ein Alptraum? Computer brauchen keine Pause, können mit genügend Strom tatsächlich unendlich musizieren. Die Pet Shop Boys, Ikonen und Pioniere des Synthetischen Pop, haben auf Tour aber lebendige Musiker und Musikerinnen mitgebracht, die alsbald hinter der hochfahrenden Videowand auftauchen. Sie bedienen mit elektronischen Percussion-Sets und Keyboards auch wieder elektronische Instrumente, aber das ist immer die Crux, wenn Elektro-Musik live performed werden will. Chris Lowe, der zweite Mann der Pet Shop Boys, hat es leicht: Er zieht sich auf eine Keyboard-Kanzel zurück, wird zum Zeremonienmeister des Abends und bleibt in der eingeübten Rolle des Coolen. Mundwinkel nach unten, Cap tief in der Stirn und Sonnenbrille auf. Manchmal fängt die Kamera seine Hände ein, wie er auf dem Keyboard markante Akkorde greift. „Always on my mind“, das wird er dann schon sein, der echte Chris Lowe.

Sänger Neil Tennant muss schon qua seiner Aufgabe als Frontmann mehr aus sich heraus. Mit 68 ist er ein älterer Herr und hat eine etwas leutseligere Grundhaltung eingenommen. Er erzählt, wie die Idee zu „Domino Dancing“ beim Dominospiel unter karibischem Sternenhimmel entstand oder dass „Jealousy“, der Hit von 1991, in Wirklichkeit der erste Song war, den das Duo gemeinsam geschrieben hat.

Pet Shop Boys (Britisches Popmusik-Duo)
„Dreamworld: The Greatest Hits Live“-Tour 
Die Pet Shop Boys bestehen aus: Neil Tennant (Voc.) und Chris Lowe (Key.)
am 01. Juli 2023
in der Lanxess Arena, Deutz-Kalker Straße 1, 50679 Köln *** Local Caption *** Die Bilder sind grundsätzlich urheberrechtlich geschützt und dürfen ausschließlich einmalig zu journalistischen Zwecken des direkten Auftraggebers genutzt und weder archiviert noch an Zweite oder Dritte weitergegeben werden!

Chris Lowe (Key., r.) und Neil Tennant (Voc.) bilden das britisches Popmusik-Duo Pet Shop Boys.

Zu jedem Hit gibt’s neue Überraschungen auf den Videowänden, mit vielen charmanten Referenzen an Computergrafik und MTV der 1980er Jahre. Dem nostalgieglücklichen Publikum – die meisten kennen die Pet Shop Boys schon vom ersten Hit an – ruft Tennant „Dankeschön!“ zu, breitet die Arme aus oder klatscht in die Hände wie ein Torero. Tennants Stimme ist naturgemäß nicht mehr so ätherisch leuchtend wie in den 80er Jahren, bleibt aber im hellen, nasalen Timbre unverkennbar.

Partys, Urlaube, Lieben und Trennungen hat diese Stimme begleitet, mit immer neuen Hits, aber doch immer typisch Pet Shop Boys. „Se a vida è“, die Vergänglichkeitshymne, ist ein bittersüßes Partystück, „Always on my mind“ und „Go West“ sind zum Mitsingen, „It’s a sin“ oder „New York City Boy“ schön zum Feiern. Vom neuesten Album aus 2020 gibt es zwei Titel als Kostproben. Die Songs gehen bisweilen direkt ineinander über, im Traumland endet die Musik schließlich nie.

In den Umziehpausen – es darf gelegentlich ein neuer Mantel sein – rollen Drum-Soli durch die Halle. Die Band stellt einen wuchtigen, basslastigen Sound in die Halle. Wo ein nachgespielter 80er-Jahre-Synth zu retro wäre, gibt die Band mehr Power, nähert sich einem zeitgenössischen Clubsound an.

Pet Shop Boys in der Kölner LanXess-Arena auf ihrer „Dreamworld: The Greatest Hits Live“-Tour

Neil Tennant nach der Umziehpause im neuen Outfit.

Der ziemlich dick und an manchen Stellen sumpfig eingestellte Sound geht auf Kosten der Höhen, und so sind sowohl die hohen Keyboardtöne als auch die sonst immer so glasklar gesungenen und astrein artikulierten Texte und Ansagen eher schlecht verständlich. Man muss also wissen, dass es nicht nur um Party oder Herzschmerz geht, sondern auch um Konsumkritik, Eitelkeiten, Verlust.

Am Ende der Show geht es zurück zu den Anfängen. Bei „West End Girl“, dem Hit, mit dem alles begann, zeigen die Videowände den jungen Neil Tennant, Chris Lowe trägt die ikonische Cap des Modelabels „Boy London“. Das waren, das sind die Pet Shop Boys. Die letzte Video-Einstellung des Abends zeigt eine Straße, die in die Unendlichkeit führt.


Zum Nachhören

Im Januar 2020 erschien das bislang letzte Studio-Album „Hotspot“ (x2 recordings) mit zehn neuen Songs. Die Songs haben die Pet Shop Boys größtenteils in Berlin geschrieben und produziert – ein Hostspot, an dem sich die britischen Künstler in den vergangenen Jahren häufig aufhalten.