Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Orfeo ed EuridiceCecilia Bartoli und Mélissa Petit begeistern in der Philharmonie

Lesezeit 4 Minuten
Die Sängerinnen Cecilia Bartoli und Mélissa Petit in "Orfeo ed Euridice" von Christoph Willibald Gluck.

Die Sängerinnen Cecilia Bartoli und Mélissa Petit in "Orfeo ed Euridice" von Christoph Willibald Gluck.

In der Philharmonie begeistern die Sängerinnen Cecilia Bartoli und Mélissa Petit in der konzertanten Aufführung der Oper "Orfeo ed Euridice" von Christoph Willibald Gluck.

Die Oper begann mit einem Trauerchor an Euridices Grabmal, und dort endete das Stück auch wieder. Dazwischen lagen jetzt in der Kölner Philharmonie 90 Minuten reinen musikalischen Glücks, der von Christoph Willibald Gluck vertonte heroische Kampf Orfeos um das Leben seiner angebeteten Euridice.

Cecilia Bartoli in der Hosenrolle

Wichtigster Bestandteil der Inszenierung aus Salzburg: Cecilia Bartoli in der Hosenrolle des Orfeo, die große Tragödin in einer „szenisch-konzertanten“ Aufführung. Konzertant an diesem Abend blieben eigentlich nur die Ouvertüre und ein kurzes Orchester-Zwischenspiel, bravourös gestaltet vom Mailänder Dirigenten Gianluca Capuano. Ansonsten war Action angesagt in diesem 3-Personen-Stück für zwei Sängerinnen, das jetzt durch die europäischen Kulturmetropolen reist.

Und dabei beweist, dass Christoph Willibald Glucks Opernschaffen viel zu selten auf die Bühnen gestellt wird, und das große Oper auch im Taschenformat nichts vermissen lässt – wenn ein liebevoller Geist verantwortlich walten darf. 

Seit 35 Jahren erfreut die Bartoli, ein Markenname im Operngeschäft, ihre Fans durch konstante Spitzenleistung. Ihre glaubhafte Begeisterung im Dienste der Musik ließ sie sogar mit gebrochenem Fuß in Gips als Fiordiligi in Mozarts „Cosi fan tutte“ auftreten, das ist zwar zwanzig Jahre her, aber diese Grundeinstellung ist auch heute spürbar.

Perfekt vertonte Emotion

Immerhin birgt Glucks Orfeo nicht die brillanten Koloraturen, für die Cecilia Bartoli berühmt ist. Aber sie hat diesen Orfeo ganz bewusst ausgesucht: Dieser Stoff ist perfekt vertonte Emotion. Christoph Loy hat ihn für die Salzburger Pfingstfestspiele inszeniert, wie jetzt in Köln mit der Sopranistin Mélissa Petit und eben Cecilia Bartoli, die dort 2012 die Künstlerische Leitung von Riccardo Muti erbte.

Ebenfalls in diese Produktion eingebunden war der Chor „Il Canto di Orfeo“ und das Orchester „Les Musiciens du Prince – Monaco“. Letzteres wurde auf Initiative von Cecilia Bartoli gegründet und wird tatsächlich von S.H. Prinz Albert II. und seiner Gattin unterstützt. Als festes Orchester wirkt es an der Oper Monte-Carlo, die seit letztem Jahr erstmals ihrer ersten Direktorin untersteht: Cecilia Bartoli.

Seit Monteverdi kann Orfeo klagen und seufzen wie kein anderer. Der hervorragende Chor assistierte zur Eröffnungsarie, danach bezauberte ein intensiv genutztes sehr originelles Dauerecho eines Fernorchesters. Dem großen Leid trat der Liebesgott Amor zur Seite und entzündete mit dem jugendlich frischen Sopran der Französin Mélissa Petit die Hoffnung Orfeos, seine Geliebte aus dem Totenreich befreien zu können.

Zu diesem Zweck inszenierten das Orchester und der Chor einen klingenden Höllenbrand. Die Alten Instrumente schlugen Funken, das Schlagwerk auf großer Trommel und zischendem Klangblech donnerte und schepperte. Die Choristen positionierten sich zwischen den ebenfalls stehenden Orchestermusikern und bellten dort geballt ihre schauerlichen Gesänge wie der mehrköpfige Höllenhund Zerberus – Orfeo schlich singend um diese durch scharfe Blechstöße mächtig laute Klangkugel.

Chor zieht mit Kerzen ein

Natürlich sang der Chor seine Partie auswendig. Für zwei instrumentale Arien auf Flöte und Oboe traten die Solisten aus dem Orchester hervor. Und wenn die Harfe und Orfeo gemeinsam musizierten, dann führte Cecilia Bartoli ihren Mezzo in einer vertrauten Pianokultur, so gurrend fokussiert, dass selbst ein klagendes Wimmern noch bis in die letzte Reihe trug.

Eine sehr konzentrierte und fordernde Szene stellte höchste schauspielerische Ansprüche an die beiden Solistinnen. Orfeo durfte seine befreite Braut nach Auflage der Götter bei der Flucht keines Blickes würdigen – eine Höchststrafe für Euridice, die auf Orfeos „andiamo e taci“ weder mitzog noch schweigen konnte. Sie mochte zuvor auf optische Tauglichkeit überprüft werden.

Das führte sie nach hochdramatischem Disput erneut ins Grab. Und wieder zog der Chor im Halbdunkel der Lichtregie mit Kerzen ein. Alle spielten begeistert mit in diesem handgemachten Spektakel, das war Bühnenkunst in sparsamster und dabei ehrlichster Bauart – und umso kraftvoller in seiner Wirkung auf die gefesselt ausharrende Gemeinde. Die wartete wahrscheinlich nach dem letzten Ton auf das im Programmheft angekündigte Happy End.

Aber ein Ende mit Schrecken passte auch zunehmend besser in die aktuelle Zeit; nach all dem Elend gab es in der Philharmonie einen riesigen Beifall für ein wunderbares Gesamtkunstwerk.