Nachruf auf Ronnie SpectorNur nicht das Singen verbieten lassen
Die Popgeschichte kennt diese Schicksale zuhauf: Vornehmlich Sängerinnen, die von Produzenten in Knebelverträge gepresst werden, gerne auch in Kombination mit amourösen Verstrickungen, die im Drama enden. Und die hoffnungsvoll gestartete Gesangskarriere verläuft im Laufe der geschäftlichen und privaten Auseinandersetzungen im Sande. Ronnie Spector ist eines der besten Beispiele dieses Dilemmas.
Zusammen mit ihrer Schwester Estelle und Cousine Nedra gründet die gebürtige New Yorkerin 1957 die Ronettes. Nach einer Reihe erfolgloser Platten bewirbt man sich 1963 bei Phil Spector. Und der Produzent ist gleich bei der ersten Audition Feuer und Flamme, stellt er sich doch gerade einen Stall von Sängerinnen zusammen. Es gibt bereits die Chrystals oder auch Darlene Love: schwarze Frauen mit furiosen Stimmen, die sich locker gegen Phil Spectors genialen Überproduktionen, seine „Wall of Sound“ behaupten.
Und zunächst scheint auch alles bestens zu laufen: Gleich die erste Single der Ronettes unter seiner Führung wird ein Riesenhit: „Be my baby“, es folgen „Baby, I love you“ oder „Walking in the rain.“ Eingängige Melodien, überzeugender Harmoniegesang und optisch ein Gegenentwurf zu den unschuldigen, fast antiseptischen weißen Sängerinnen, die bis dahin das Popgeschehen prägten.
Woran es lag, dass weitere Singles eher mau oder gar nicht mehr liefen, lässt sich nicht endgültig klären. Aber so wie man es in Erzählungen von Darlene Love gehört hat, ist es auch den Ronettes ergangen: Ein Teil der Songs, die sie im Studio aufgenommen hatten, wurden unter anderen Namen veröffentlicht. Andere landeten direkt in Spectors Giftschrank. Und die Verträge erlauben es den jungen Frauen nicht, sich anderweitig zu orientieren.
Von Ehemann Phil Spector „gefangen gehalten“
Bei Ronnie Spector kam hinzu, dass sie ab 1968 mit Phil Spector verheiratet war. In ihrer Autobiografie schildert sie später, das dieser sie praktisch im gemeinsamen Haus gefangen gehalten habe. 1972 gelingt die Flucht, barfuß und mit der Hilfe ihre Mutter – da werden Erinnerungen an Tina Turners ähnlich verlaufende Trennung von ihrem gewalttätigen Ex-Mann Ike wach. Auch Cher stand, nachdem sie Sonny Bono verlassen hatte, vor dem Nichts. Doch im Gegensatz zu diesen beiden nahm Ronnie Spectors Karriere nie wieder an Fahrt auf. Sie veröffentlichte ein paar Platten, arbeite mit Joey Ramone, Eddie Money oder Keith Richards, ließ sich vor allem das Singen nicht verbieten oder gar vermiesen. Kritiker waren angetan, Plattenkäufer fanden sich nicht.
1988 verklagte sie Phil Spector auf nachträgliche Tantiemenzahlungen, der Rechtsstreit endete erst 2002 mit einer Zahlung von einer Millionen Dollar des Produzenten an seine Ex.
Zuvor hatte er lange Zeit versucht zu verhindern, dass die Ronettes in die Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenommen wurden. 2007 wurden den dreien diese Ehre dennoch zuteil – während Phil Spector auf den Beginn seines Mordprozesses wartete: Er hatte 2003 die Schauspielerin Lana Clarkson erschossen und wurde 2009 zu 19 Jahren Haft verurteilt. Am 16. Januar vergangenen Jahres starb er an den Folgen einer Covid-Erkrankung, die er sich im Gefängniskrankenhaus zugezogen hatte.
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Ronnie Spector überlebte ihn nur um zwölf Monate: Die legendäre Sängerin erlag am 12. Januar einem Krebsleiden – friedlich im Kreise ihrer Familie.