12 Glasscheiben aus dem Mitteltaler wurden von Kiew nach Köln gebracht und im April im Museum Schnütgen ausgestellt.
Museum SchnütgenGlaskunst aus Kiew wird in Köln restauriert – Schau im April

Carola Hagnau (Kustodin Museum Schnütgen) Dr. Yuliya Vaganova (Direktorin des Khanenko Museums) und Dr. Manuela Beer (Stellvertretende Direktorin des Museum Schnütgen) hinter der mittelalterlichen Glasmalerei Prophet Ezechiel, aus der Kathedrale von Soissons.
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Der Prophet Ezechiel schaut aus großen Augen herab. Als er in höchster Form der Glaskunst um 1212-1220 für die Kathedrale im französischen Soissons angefertigt wurde, war klar, dass sein Blick auch mit einigem Abstand, aus einem neun Meter hohen Kirchenfenster, den Betrachter treffen soll. Viele Menschen wird er in den Jahrhunderten mit seiner spontanen Anmutung angesprochen haben.
Arbeit für die Dombauhütte
Und seine ganz spezielle Geschichte rührte auch gestern Kunstexpertin Elena Kosina zu Tränen, als sie davon erzählte, wie man die spätromanische Scheibe mit Hilfe des Corpus Vitrearum Deutschland, der internationalen Forschungseinrichtung für mittelalterliche Glasmalerei in der Trägerschaft der Akademie der Wissenschaft, auf eine abenteuerlichen Reise von der ukrainischen Hauptstadt Kiew nach Köln brachte. „Licht in dunklen Zeiten“ lautet der Titel der Ausstellung, die das Museum Schnütgen am 2. April eröffnen wird.
Die Lichtgestalt des Ezechiel ist eine von insgesamt 12 Scheiben – darunter ein Großformat, das sich noch einmal in 12 Teile gliederte, die aus dem Khanenko National Museum in die Restaurierungswerkstatt für Glasmalerei der Kölner Dombauhütte gebracht wurden. Deren Leiterin Katrin Wittstadt, die auch vier Fenster der Pariser Kathedrale Notre-Dame restaurierte, gab gestern schon einmal ein hoffnungsvolles Signal: „Alles ist heil angekommen.Wir werden intensiv draufschauen, was zu tun ist.“
Erschütterung durch Bomben
Yuliya Vaganova, Direktorin des Museums in Kiew musste sich nach Einschlag einer russischen Rakete in 20 Meter Entfernung des Museums Sorgen machen. Auf die Erschütterung reagierte manches Glaskunstwerk mit feinen Rissen, die vor Ort mit Klebeband gesichert wurden. Wittststadt erklärte, dass sehr sorgsam gearbeitet wurde. Nichts sei verloren gegangen. Für die Ausstellung, die ab April für ein Jahr im Schnütgen gezeigt werden soll, werde man jetzt kleinere Maßnahmen durchführen. Umfassend und auf Dauer werde anschließend restauriert. Auch Manuela Beer, stellvertretende Direktorin des Schnütgen, die mit Kustodin Carola Hagnau die Ausstellung kuratiert, erzählt vom langen Bangen, das mit der achttägigen Reise im Lkw über Polen verbunden war.„Der Anlass ist traurig, aber ich bin sehr dankbar, dass diese Werke jetzt hier sind.“
Und Elena Kosina kann berichten, dass es kein normaler Warenverkehr gewesen sein. Ihr Kollege Ivo Rauch ließ in Wien Spezialkisten für den Transport anfertigen, welche Erschütterungen maximal abfederten und auf die unterschiedlichen Maße variabel eingestellt werden konnten. „Die größte Herausforderung war es, die erwartbare Improvisation zu planen“, sagt Rauch.
Und bis zuletzt blieb es spannend, wie die zeitweise mit Militär begleitete Fracht beim Auspacken ausschauen würde. „Innerlich haben wir uns auf viele Scherben gefasst gemacht“, sagt Kosina. Was sie und ihre Kollegen am meisten bewegte, war jedoch die über Grenzen hinweg entstandene Kollegialität der Kunstsachverständigen.
Ukraine-Förderinitiative
Hier wiederum half die Ukraine-Förderinitiative der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Hermann Reemtsma Stiftung. Unmittelbar nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine setzte das Projekt darauf, Kunstobjekte aus der Ukraine zu erhalten und vor allem Restauratoren, Kunsthistoriker und Wissenschaftler aus der Ukraine zu schützen. „Damit können wir etwas Licht in dem Raketenhagel vermitteln“, sagt Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung. 40 Museumsinitiativen wurden schon auf den Weg gebracht, viele Kunsthistoriker können in Deutschland weiterarbeiten, wurden teilweise von den hiesigen Museen übernommen. Stipendiatin Daria Boieva macht ein Praktikum in der Dombauhütte und schreibt ihre Masterarbeit im digitalen Studiengang des Heimatlandes.
Durch die Arbeitssituation in der Ukraine, den Bemühungen, die Kulturgüter kriegssicher zu lagern, hat sie eine Menge Erfahrung gesammelt — im Keller bei Luftangriffen am Laptop weiterarbeiten. Museumsdirektorin Vaganova ist überzeugt, dass die Kunst gesehen werden muss. Auch das sei eine Form des Widerstands. In ihrem Museum sind die Wände leer. Aber mit Lesungen, Konzerten und Performances lockt man die Besucher: „Sie stehen Schlange: Studenten, Soldaten, Jugendliche, Alte. Alle. Die Kultur ist lebenswichtig.“
Die Sammlungen
Bohdan und Varvara Khanenko sammelten zeitgleich wie Alexander Schnütgen Kunst und stellten sie Anfang des 20. Jahrhunderts der Öffentlichkeit zur Verfügung. Die Glaskunst ist ein Teil des Fundus, der von der Kunst Ägyptens bis zur Gegenwart reicht, der stark gefährdet ist. Die Unesco berichtet (Stand 2022), dass im ersten Kriegsjahr 186 Kultureinrichtungen beschädigt wurden: 79 religiöse Gebäude, 13 Museen, 17 Denkmäler und 9 Bibliotheken sowie 36 historische Gebäude und 32 Einrichtungen für Kulturaktivitäten.