Das Museum Schnütgen zeigt seine Sammlung in neuem Gewand, dabei gibt es überraschende Perpektiv-Wechsel.
Museum SchnütgenNeue Sammlungspräsentation erzählt Kunst lebendig

Der Torso des "Georgskruzifixus', Weide, um 1065-1100, im Hintergrund. Vorne die ‚Trauernde Maria‘, Alpenraum, um 1220-1230, Buche farbig gefasst.
Copyright: Thomas Brill
Ursula schaut den Besucher an. Und auch wenn die Büste mit dem Kruseler, einer Kopfbedeckung aus dem Mittelalter, vielleicht nicht der heutigen Mode entspricht, ist die Anmutung sehr gegenwärtig, lebendig. Vielleicht ist es auch das Material, das die Wärme vermittelt. Die Büste, die um 1350 in Köln entstand, ist aus Walnussholz.
700 Exponate
Ausdrucksstark schaut auch die trauernde Maria unweit des Georgskruzifixus. Unter dem Titel „Kunst erzählt. Neue Wege durch die Sammlung“ präsentiert das Museum Schnütgen 700 Exponate neu. Teilweise wurden Kunstwerke aus dem Depot geholt, anderes wurde einfach neu arrangiert.
In 15 Kapiteln wecken Museumsdirektor Moritz Woelk und sein Team die Neugier. Einsteiger wie Kenner dürfen sich gleichermaßen angesprochen fühlen. Handlicher kleiner Führer für „Materialbegeisterte“ Kleine Kurzführer in der Größe eines Reclam-Heftes richten sich an Zielgruppe wie „Detailverliebte“, „Kreative Köpfe“ oder „Materialbegeisterte“.
Auch wenn es ein bisschen geheimnisvoll anmutet, aber Woelk und sein Team haben es geschafft, dass die Werke ihre Geschichte und ihren Ausdruck von allein vermitteln. Zwar gibt es erläuternde Texte, die schon einmal die Größe eines Türblatts haben. Aber immer treten diese in respektvolle Distanz zur Skulptur, dem Steinfragment, Bildnissen, Glasmalerei, Kruzifixen oder Textilien.
Der „Erklärbär“, wie Woelk die Verlockung für Historiker jeglicher Couleur bezeichnet, ausufernd zu werden, wurde bewusst bezähmt, textlastig ist hier nichts. Und nicht selten macht die Kombination der Exponate einen eigenen Reiz aus. Kustodin Karen Straub und Christina Clever-Kümper, Leiterin der Kunstvermittlung, demonstrieren das am Beispiel von Giovanni Baptista Ferraris (Jesuit und Botaniker in Rom, 1582 bis 1655) ersten Buch über Zitruspflanzen.
Colonia um 1493
Der Einband ist kunstvoll verziert, direkt daneben liegt die Prägerolle, mittels derer die Muster damals in das erhitzte Leder gewalkt wurden. Auch der Buchschnitt ist mit Zitronen verziert. Wenige Schritte weiter liegt die Schedelsche Weltchronik von 1493 in der Vitrine. Die aufgeklappte Doppelseite zeigt Colonia in Panoramaansicht. Da steht ein Kran am Dom, am Rhein herrscht wuseliges Treiben, aber es sind auch noch unbebaute Plätze zu sehen.
Wie Moritz Woelk erklärt, war es Ziel, die kostbaren Kunstwerke in ihrer Bedeutung neu zu erschließen, unterschiedliche Perspektiven auf die Objekte direkt erlebbar zu machen. Die thematisch gegliederten Bereiche sind von A, wie „Alexander Schnütgen“ bis S, wie „Skulptur im Spätmittelalter“ unterteilt. Und bei Schnütgen (1843 - 1918) fängt es im ersten Raum auch tatsächlich an. 1906 vermachte der katholische Theologe und Priester seine Kunstsammlung der Stadt Köln. Auf Raumhöhe sind Fotos seiner Wohnung, Margarethenkloster 5, vergrößert.
Davor gibt es Sessel und Tische, an denen sich die Besucher es gemütlich machen dürfen, um einen der Kunstbände aus verschiedensten Jahrgängen zur Hand zu nehmen. Keinen freien Platz hatte Schnütgen in seiner Wohnung. Messgewänder hingen dicht an dicht, und in einem Raum gab es 500 goldgeschmiedete Kelche. Heute würde mancher Besucher aus so einer Wohnung womöglich rückwärts wieder rausgehen, so gedrungen wirkt es.
Mit der Nadel gemalt
Das Schnütgen-Team reduzierten. Auch mit fünf Kelchen lässt sich eine Menge erzählen, ein kunsthistorischer Bogen spannen. Und die Messgewänder wirken in der Vitrine wie „mit der Nadel gemalte Gemälde“, so der Museumsdirektor. Im Gartenzimmer, das früher den Chefs des Museums vorbehalten war, können die Besucher sich nun kurze Videos anschauen, die launig in die Bildgeschichte einführen. Für die Kinder gibt es Kritzelblöcke, und vieles lässt sich auch mittels QR-Codes vertiefen, Bildausschnitte können vergrößert werden. Kurzum: Didaktisch und wissenschaftlich ist man ganz auf der Höhe der Zeit.
Cornel Soltek, Vorstand des Freundeskreises Museum Schnütgen, zeigte sich zudem erleichtert, dass der kürzlich von der Verwaltung in den Raum gestellte Umzug des Römisch-Germanischen Museums aus dem Interim im Belgischen Haus in das Kulturzentrum am Neumarkt wieder vom Tisch ist. Der Platz wird dringend gebraucht. Für 2027 plant das Schnütgen nämlich eine Ausstellung über Drachen.
Vom 6. bis 8. Dezember lädt das Museum Schnütgen mit einem abwechslungsreichen Programm zur Neueröffnung ein. Von heute 14 Uhr, bis Sonntag, 16 Uhr, gibt es unterschiedliche Führungen, einen – allerdings gebührenpflichtigen – Workshop zu Weihnachtsengeln für Kinder und eine musikalische Reise, bei der Kunstwerke auf ihre Popzwillinge treffen. Bei der Brettspielnacht am 6. Februar, 17 bis 22 Uhr, ist der Eintritt ebenfalls frei. Gespielt wird zum Beispiel „Baumeister von Köln“. Und es gab eine Überarbeitung des während der Pandemie entwickelten virtuellen 360-Grad-Rundgangs durch das Museum. Geöffnet von Di bis So 10 – 18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Cäcilienstr. 29 – 33.