Geschöpf aus einer fernen GalaxieSo begeisterte Lady Gaga am Sonntag in Düsseldorf
Düsseldorf – Erinnert sich noch jemand an „Pleasantville“? Das Besondere an diesem Film: er beginnt in Schwarzweiß und wird allmählich immer farbiger. Lady Gaga scheint sich gut daran zu erinnern. Denn das Konzept für ihre Welttournee „The Chromatic Ball“, die Sonntag in Düsseldorf startete, ist das gleiche. In nicht ganz zwei Stunden lassen sich Fans in der mit rund 50 000 Plätzen komplett ausverkauften Merkur Spiel-Arena nur zu gerne davon überzeugen, dass das Leben bunt ist. Oder wieder bunt werden kann.
Die Schauspielerin
Stefani Joanne Angelina Germanotta alias Lady Gaga ist nicht nur als Sängerin und Songschreiberin immens talentiert, sondern auch als Schauspielerin. Das konnte sie zuletzt 2021 im Film „House of Gucci“ unter Beweis stellen. Ihre Darstellung der Patrizia Reggiani, die ihren Ehemann Maurizio Gucci, den Chef des gleichnamigen Modehauses, ermorden ließ, wurde hoch gelobt. 2018 spielte sie an der Seite von Bradley Cooper in der Neuverfilmung von „ A Star is Born“. Beide waren für einen Oscar nominiert. Aber weder wurde Gaga zur besten Hauptdarstellerin gekürt, noch Cooper zum besten Hauptdarsteller. Leer ging Gaga trotzdem nicht aus. Das von ihr komponierte und gesungene Stück „Shallow“ siegte in der Kategorie Bester Song. Und durfte deshalb auch beim Düsseldorfer Konzert nicht fehlen. (schu)
In ihren abgestuften Grautönen wirken die Mauern, Absätze und Wände, die als Kulisse auf der Bühne emporragen, zugleich bedrückend und bedrohlich. Aus schwarzen Türöffnungen strömt Tristesse, vergitterte Fensterrahmen künden von Freudlosigkeit. Fassaden einer Stadt, die Babylon heißen könnte, so wie im Song auf dem neuen Album „Chromatica“. „Wir sehen uns in Babylon“ hat Gaga kurz vor Tourbeginn getwittert.
„God bless you. God bless your families and your friends.”
In Grau sind auch die 14 Tänzer und Tänzerinnen gewandet, während die Lady in einer weißen Roboterverschalung steckt, mit silberner Verblendung über den Augen. Wie aus einer Matrioschka wird sie sich daraus entpuppen, Hülle um Hülle, bis sie mit zurück gegelten blonden Haaren im hautengen Latex-Suit vor uns steht.
„Bad Romance“? Eher der Beginn eine neuen intensiven Liebesbeziehung mit ihrem rasend begeisterten Publikum, dem sie am Ende versichert: „I will always remember Düsseldorf!“ Gefolgt vom dreifachen Segensspruch „God bless you. God bless your families and your friends.” Ungläubig ist sie nicht, die Tochter italoamerikanischer Eltern, die auf die katholische Mädchenschule ging, bevor sie sich aufs Songschreiben, Tanzen und Karriere-Machen konzentrierte.
Die Show ist in Akte unterteilt
Was 2008 mit ihrem Debüt „Fame“ begann und nun, nach fünf weiteren Studioalben, fünf Welttourneen und einem Langzeit-Engagement in Las Vegas (weswegen die Chromatica- Tour nur 18 Stationen umfasst, lediglich fünf davon in Europa) auf dem Zenit angekommen scheint.Das einzige Konzert in Deutschland ist ein Selbstläufer. Mit Catwalk, einer Mittelbühne und dem Gang durchs Publikum, Feuerfontänen, die bis auf die Ränge hinauf die Illusion verbreiten, sich in der Nähe eines Hochofens zu befinden, rasanten Tanzeinlagen, knappen Outfits und dem Wechsel von Krachern zu stillen Momenten, folgt die 36-Jährige New Yorkerin den A-Standards ihrer Liga.
Auch das Prinzip, eine Show thematisch in Akte zu unterteilen, die jeweils von Einspielern eingeleitet werden, ist gängig. Aber: Gagas Tanzeinlagen sind noch ausgefeilter, als die der anderen.Ihre Outfits sind nicht immer nur knapp, sondern auch extrem fantasievoll, wenn nicht gar exzentrisch. Riesige elisabethanische Keulenärmel in steif plissiertem Goldlameé, hochgegürtete Marlene-Hosen in Latexausführung oder ein spitz zulaufender lila Hut, den schwarze Leopardenflecken und zwei lange, insektoide Fühler zieren und mit dem sie aussieht wie eine Kreuzung aus Dalmatiner-Fan Cruella de Vil und Angelina Jolie als Maleficiant, machen ihrem Namen alle Ehre.
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Und die Einspieler, die sie mal als geschundenes Alien-Wesen, mal als Rokoko-Blumenkönigin oder von Schleiern umwehte Ophelia zeigen, sind poetischer als die Pausenfüller der Konkurrenz. Fast möchte man glauben, Gaga sei wirklich nicht von dieser Welt. Sondern ein gestaltwandlerisches Geschöpf, geboren in einer fernen, sehr farbigen, Galaxis.Zwölf der 20 Stücke stammen vom neuen Album, dazu gibt es Unverzichtbares wie „Bad Romance“, „Poker Face“ und „Monster“, „Telephone“ oder „Born this way“. „Always remember us this way“ legt im tausendfachen Licht der Handy-Taschenlampen überragend Zeugnis einer Stimme ab, die die Höhen und Tiefen des Lebens so fühlbar macht, dass es wohl und weh zugleich tut. Dem kommt allenfalls die Zugabe „Hold my hand“ nahe. „Es gab eine Zeit, da dachte ich, ich würde nie wieder auf einer Bühne stehen, ich habe euch so vermisst“, hat Gaga vorher gesagt. Und, als Dank, einen Rat hinterhergeschickt: „Wenn du denkst, da gibt es etwas, dass du nicht tun kannst – du kannst es tun.“ So wie sie.