Konzert in KölnKettcar kehren krachend und poetisch zurück auf die Bühne
Köln – Wenn das Meer den Wind in die Stadt trägt, wird das Herz schon mal schwer. Marcus Wiebusch singt seit 21 Jahren Lieder voller Melancholie und lässt die Gitarren derb dazu krachen. "Auch wenn es nicht so aussieht, ich bin total gut drauf", schnoddert er an diesem Abend ins Mikrofon. Mit Kettcar gastierte Wiebusch nach langer Pandemie-Pause im gut gefüllten E-Werk in Mülheim.
Das Vorprogramm durfte Thees Uhlmann spielen. Ende 2019 hat er vor der Pandemie eines der letzten Konzerte im benachbarten Palladium gespielt. Erst vor zwei Wochen trug er ein hinreißendes Geburtstagsständchen für Wolfgang Niedecken in der Arena vor ("Ich würde Dir ein Jahr meines Lebens schenken, wenn das alle hier machen, wirst Du 12.000 Jahre alt").
Nun begleitet er sich mit der Akustikgitarre zu "Fünf Jahre nicht gesungen", kann sich ein "Verdamp lang her" nicht verkneifen und wummert sich enthusiastisch in den Rhythmus dieses Abends, der eine große Rückkehr ist.
Darf man feiern, wo in der Ukraine Krieg herrscht?
Wie so viele Kollegen haben auch Kettcar viel zu viel Zeit gehabt, auch diesen Auftritt verschoben und fragten sich nun: Darf man hier rocken, wenn in der Ukraine der Krieg tobt? Man glaube, ja, weil es allen gut tut, sagt Bassist Reimer Bustorff, der zweite Texter der Hamburger Band, der mit Wiebusch und Uhlmann das Label Grand Hotel van Cleef gegründet hat.
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Dann geht es los: "Money left to burn", "Im Taxi weinen" und "48 Stunden". Die trockene Präsentation ist Kettcar-Style, das textsichere Publikum dürstet nach den schönen Zeilen von früher. Bevor gute Laune aufkommt, moderiert Wiebusch "die nächste Todesballade" aus dem Hause Kettcar an.
2017 hat die Band das letzte Album "Wir vs. Ich" veröffentlicht, später noch die EP "Der süße Duft der Widersprüchlichkeit". Es geht um Konsum, Wohlstand und Digitalisierung, vorgetragen mit ironischer Selbstreflexion, kleine Witze über analoge Rückbezüge sind unter Rockern im fortgeschritten Alter nicht unüblich.
Der "Sommer '89" erzählt von der Öffnung der Grenzen vor gut 30 Jahren. "Humanismus ist nicht verhandelbar", sagt Wiebusch, das ist das Statement dieses Songs, der angesichts des Krieges und der neuen, nun alles andere als kalten Ost-West-Konfrontation eine andere Note bekommt. Thees Uhlmann kommt nochmal zurück, und ein wenig mehr hätte man sich von seinem Esprit gewünscht, um dem Abend einen richtigen "flow" zu geben. Natürlich noch die hinreißend schöne Ballade "Balu".
Das Programm endet standesgemäß hanseatisch mit "Landungsbrücken raus", später die Zugabe mit "Deiche". "Deiche brechen richtig oder nicht", singt Wiebusch. Das schwere Herz ist in der milden Nacht längst weich geworden.