Komödie mit Tiefgang am Schauspiel Köln: „Jeeps“ widmet sich der Frage, wie man ererbten Reichtum gerechter verteilen könnte.
Komödie mit TiefgangMit „Jeeps“ zeigt sich das Schauspiel Köln von seiner lustigen Seite

Energiegeladenes Quartett: Nikolas Benda, Anja Laïs, Maddy Forst und Yuri Englert.
Copyright: Thomas Aurin
Spätestens, wenn ein Abend, dessen Ende für 21.40 Uhr angekündigt war, am Premierenabend auf die Minute genau endet, weiß man: Hier ist exakt gearbeitet worden. Und tatsächlich, in dem Uhrwerk, das Regisseurin Fritzi Wartenberg für ihre Inszenierung von „Jeeps“ im Depot 2 des Schauspiels Köln entworfen hat, sorgen Anja Laïs, Maddy Forst, Yuri Englert und Nikolaus Benda mit Verve dafür, dass ein Rädchen ins andere greift und die Komödie von Nora Abdel-Maksoud wie am Schnürchen läuft.
Hier wird gespielt, was das Zeug hält – und vor allem werden die Anteile „Boulevard-Theater“, die dem Stück seinen Schwung verleihen, nicht in Frage gestellt, sondern mit Spass an d'r Freud' bedient. Der Gerechtigkeit halber muss man aber auch sagen, dass Abdel-Maksouds Text eine richtig gute Vorlage liefert.
Tschüss, Eierstocklotterie!
Als „Eierstocklotterie“ bezeichnet die Autorin die Tatsache, dass Erbschaften nicht gerecht verteilt seien und so letztlich die Reichen reicher, die Armen ärmer würden. „400 Milliarden Euro werden pro Jahr vererbt, jedes fünfte Kind in Deutschland ist arm“ heißt es direkt zu Anfang. 69 Prozent derer, die eine Million oder viel haben, seien männlich, im Schnitt 56 Jahre alt, nur 14 Prozent hätten eine Migrationsgeschichte.
Für „Jeeps“ hat sich Abdel-Maksoud eine Reform des bisherigen Rechts ausgedacht: Es wird ausgelost, ob man erbt oder nicht und ob der Nachlass von Wert ist oder aus Schulden besteht. Organisiert wird das neue Losverfahren vom Job-Center, was dadurch zum Ort wird, an dem die bisherigen Armen (weil arbeitslos und auf Bürgergeld angewiesen) auf die neue Schicht der frisch Verarmten trifft. Ihre jeweiligen Wartesäle trennt nur ein Flur.
Gesichtsblinder Sachbearbeiter
Zwei Sachbearbeiter versuchen, der Lage Herr zu werden: der viril-übergriffige Armin (Nikolaus Benda) und der nerdig-verstrahlte Gabor (Yuri Englert). Letzterer ist mit einer Gabe gesegnet, die ihn angeblich für den Job prädestiniert: Er ist gesichtsblind, das heißt „er arbeitet im wahrsten Sinne des Wortes „ohne Ansehen der Person“.“ Und so stempelt er mit Wonne Anträge ab, nachdem er sie befürwortet oder abgelehnt hat. Bis eine Kundin eine Waffe zückt…
Maud (Anja Laïs) war lange erfolgreichen Groschenroman-Autorin, bis sie sich dank Drogenmissbrauch eine Wortfindungsstörung eingehandelt hat und nun versucht, mit dem Bürgergeld über die bescheidenen Runden zu kommen.
6,50 Euro hat sie täglich für Essen und Trinken zur Verfügung, 2,03 Euro stehen im Monat für Bildung zur Verfügung: Ein Besuch beim Bäcker und „ich habe mir meine monatlichen Zwei-Euro-Drei für Bildung an einem einzigen Morgen einfach wegschnabuliert…“
In ihrem Schlepptau tobt Silke (Maddy Forst), eines der ersten „Opfer“ der Erbrechtsreform, die darauf gehofft hatte, mit Papas Geld ihr Start-up am Laufen zu halten: Sie vertreibt „Handtaschen aus zertifiziertem Ziegenlammleder aus der Hennes-Dynastie“. Damit hat sie zwar „einen Nerv der Stadt“ getroffen, aber für einen angemessenen Lebensstil reicht es dennoch nicht. Nun will sie ihr „Los“ zurück.
Faxenmacher in Höchstform
Und so geht es hin und her und in der Zeit vor und zurück. Mit einem Fingerschnippen werden immer wieder die Aktionen eingefroren, um Hintergründe und Motivationen einzuflechten. Nach dem nächsten Schnippen hat man das Gefühl, die Handlung geht noch einen Schlag aufgedrehter weiter.
Das Quartett gibt Gas, geht aufs Ganze und hat keine Angst vor Albernheiten. Vier Faxenmacher in Höchstform, zwei Mütter und zwei Väter der Klamotte!
Dennoch ist der Abend kein ungetrübter Blödsinn. Klar, das Lamento über die ungerecht verteilten Ressourcen ist schlicht, aber letztlich nicht von der hand zu weisen. Und Autorin Nora Abdel-Maksoud spinnt genügend überraschende Fäden, sodass sich ihre spielerisch überzeichneten Charaktere ganz plötzlich in zutiefst menschliche Wesen verwandeln. Für Momente mutiert das Stück dann zum Melodram. Doch ein Fingerschnippen genügt, und der Klamauk geht weiter.
So oft musste man am Schauspiel erleben, dass als Komödie angekündigte Inszenierungen sich selbst im Weg standen und das Lachen im Hals des Anspruchs, also in der Abgrenzung zum klassischen Boulevard-Theater, stecken blieb. Fritzi Wartenberg und ihr Bühnen-Team zeigen, dass das auch genussvoll anders geht.
Und so geht man beschwingt nach Hause, im Hinterkopf die Frage: Was wäre, wenn Erbschaften wirklich per Los verteilt würden?
140 Minuten keine Pause. Die Vorstellungen am 7. und 23. März sind ausverkauft. Der Vorverkauf für die Aufführungen am 10. und 16. April (jeweils 20 Uhr) beginnt am 5. März.