Das musikalische Spektrum der Gruppe reicht von ausgelassen über tiefgründig-philosophisch bis melancholisch, wobei die politisch ausgerichteten und gesellschaftskritischen Texte in diversen Sprachen Besonderheit hervorheben.
Konzert an der SüdbrückeKölner Band Bukahara rührt Publikum zu Tränen
Manche Fragen beantworten sich von selbst. Oder sind schon längst beantwortet worden. Wie die, mit denen Max von Einem am Donnerstag das Publikum auf dem Open Air-Gelände an der Südbrücke begrüßt: „Hallo, Köln, was geht ab? Wie geht es euch?“ Offensichtlich blendend. Es sei denn, man würde den fetten Applaus nach dem Intro „Border“ und den stürmischen Jubel, der von Einems Worte begleitet, als Ausdruck schlechter Laune missverstehen. Nicht nur die vor der Bühne, sondern auch die darauf – die Musiker der Kölner Band Bukahara – haben allen Grund zur Freude: „Die Festivalsaison hört jetzt auf, jetzt machen wir unser eigenes Festival heut’ Abend.“
Und auch an dem, der danach folgt und an dem danach und sonntagnachmittags dann noch ein weiteres Mal. Schon letztes Jahr, ebenfalls an der Südbrücke, war das Konzert von Bukahara zweimal ausverkauft. In diesem Jahr verdoppeln die Kölner das noch: an insgesamt vier ausverkauften Abenden werden gut 11 000 Menschen die Band erlebt haben. Fehlt nicht mehr viel, und es reicht für eine volle Lanxess Arena. Aber so richtig vorstellen kann man sich das Quartett da nicht. Zu ihrer Weltmusik, diesem Kontinente verbindenden, vibrierenden und vexierenden Mix aus Orient und Okzident, passt das wilde, freie und fantastisch dekorierte Gelände am Rheinufer perfekt.
Mit „Border“ fängt es an. Mit „Eyes Wide Shut“ hört es auf. 97 Minuten, die in Nullkommanix vorbei sind und die wechselhafter kaum sein könnten. Bukahara decken mit ihrer Musik und ihren englischen, deutschen und arabischen Texten die große Gefühlspalette ab. Von ausgelassen-fröhlich und ekstatisch-feierwütig über tiefgründig-philosophisch und nachdenklich-fragend bis hin zu nostalgisch- melancholisch und tieftodtraurig-klagend.
Bei dem Lied „An Abb Wa Binto“ fließen Tränen
Und auch dafür, eine eindeutige Meinung zu haben, Stellung zu beziehen und ihre Mitmenschen mit ins Boot der Solidarität zu holen, sind sie da. Soufian Zoghlami (Gesang, Gitarre, Schlagzeug), Ahmed Eid (Bass, Percussion), Daniel Avi Schneider (Geige, Mandoline) und Max von Einem (Posaune, Trompete, Sousaphon, Schlagzeug) sind keine Wald-und-Wiesen-Folk-Pop-Band. Sie sind zutiefst politisch. Und bringen deshalb mit „No!“ ein Stück, das sie lange nicht mehr gespielt haben. Aber das in der heutigen Zeit des Rechtrucks, wo die AfD immer weiter auf dem Vormarsch ist, wieder unverzichtbar wird. „Im Hinblick auf das, was vor uns liegt an Grabenkämpfen, müssen wir alle zusammenhalten und dafür sorgen, dass der Faschismus nicht wieder Einzug hält“, sagt Sänger Soufian Zoghlami.
Grabenkämpfe auch bei Bukahara? Ahmed Eid, der Palästinenser aus Ramallah, und Daniel Avi Schneider mit den jüdisch-schweizerischen Wurzeln, dessen Vater Israeli ist, sitzen Seite an Seite. Eid singt mit schmerzlicher Zerrissenheit das Klagelied „An Abb Wa Binto“ (Von Vater und Tochter). Es handelt von einem palästinensischen Vater, der all seine Kinder durch Bomben verlor. Nur eine Tochter ist ihm geblieben. Und Schneiders Geige weint dazu.
Nicht bloß die. Auch im Publikum fließen Tränen. Bei anderen Stücken wie „In my Mind” und „Same Kind of People“ oder „Happy” und „We Are Still here” ist Mitsingen, -klatschen und Abtanzen angesagt. Und auch das unverwüstliche „A Child’s Tale“ von 2017 kommt erneut zu Ehren. „Das wollen wir schon seit Jahren raus haben, weil es schon so alt ist“, verrät Zoghlami. Die Aussichten dafür sind miserabel: wann immer die im Publikum etwas auswählen dürfen, dann ist es dieses Stück.
Die Spielfreude der vier Bandmitglieder, die sich 2009 beim Jazzstudium an der Musikhochschule kennenlernten, ist ungebrochen. Man gönnt ihnen den Erfolg von Herzen. Aber das mit der Arena? Nee. Lieber wieder Südbrücke.