Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen richtet große Teile der Sammlung im K21 neu ein und präsentiert mehr als 150 Neuerwerbungen.
K21 in DüsseldorfDas sind die neuen Werke in der Kunstsammlung NRW

Henrike Naumanns Installation im K21.
Copyright: Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
Ein Hund aus der Region Tschernobyl taucht bei Ursula Schulz-Dornburg immer wieder auf. Die Düsseldorfer Fotografin und Künstlerin hat ihn im Bild festgehalten: streunend, zerzaust, ein freilebendes Tier, in dessen Gene sich der Reaktorunfall eingeschrieben hat.
Vitrinen aus DDR-Beständen
Nach dem Mauerfall reiste Schulz-Dornburg wiederholt in postsowjetische Staaten, fotografierte dabei menschenleere Gegenden in Kasachstan und Armenien. Gleich Meteoriten liegen industriell gefertigte Stahlteile für Brücken mit aufgemalten Nummern in der Steppe und rosten. Die Künstlerin hielt Transitorte, Grenzlandschaften fest. Sie besuchte aber auch Moskau und Sankt Petersburg. Dabei entdeckte sie historische Museen mit oft über Jahrzehnte unveränderten Zeugnissen einer kontinuierlichen Tradition an kriegerischen Auseinandersetzungen, Terror, Tod und Zerstörung. Erstmals zeigt die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen nun diese Exponate in Vitrinen aus DDR-Beständen.
Puppen und Rettungshunde vermitteln indirekt die unentwegte Arbeit der Sanitäter – verstaubte Museumsbestände mit verstörender Aktualität. „Es ist eine Leihgabe aus ihrem eigenen Bestand. Ihr ist es wichtig, diese Bilder nun zu zeigen“, erklärt Kurator Falk Wolf. Dass es zu dieser Zusammenarbeit mit der Kunstsammlung NRW kam, lag daran, dass große Teile im K21, im Haus für Gegenwartskunst, neu eingerichtet wurden. Darunter mehr als 150 Neuerwerbungen internationaler Künstler wie Henrike Naumann, Hito Steyerl, Anys Reimann, Simon Denny, Sabrina Fritsch, Sabine Moritz, Marcel Odenbach oder Reinhard Mucha.
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Zu Beginn der Sammlungspräsentation zeigt das K21 Werke der 1969 in Quedlinburg geborenen Künstlerin Barbara Moritz. Die Kunstsammlung erwarb über einhundert Blätter der Zeichnungsserie „Lobeda“, benannt nach der Plattenbausiedlung in Jena. Moritz dokumentierte darin Anfang der 1990er Jahre die Welt ihrer Kindheit und Jugend. 1985 war sie mit ihrer Mutter in den Westen übergesiedelt. Vier Jahre später begann sie ein Kunststudium in Offenbach und wechselte von dort aus an die Düsseldorfer Kunstakademie, lernte bei Markus Lüpertz und ihrem späteren Ehemann Gerhard Richter.
Trabantenstadt
In der funktionalen Trabantenstadt laufen dinosaurierförmige Spielgeräte über Betonbrücken. Beherrschend sind die Bilder aus Laboren, in denen ihr Vater arbeitete, und dort auch bei einem Arbeitsunfall im Zentralinstitut für Genetik und Kulturpflanzenforschung tödlich verunglückte. Vielschichtig und hochaktuell sind die zeitgenössischen und diversen Positionen, vergessene und unterdrückte Geschichte wird neu verhandelt. Bilder aus Hochglanzmagazinen und dem Internet, schwarze und weiße Körperteile verarbeitet die 1966 in Düsseldorf geborene Anys Reimann in ihren Collagen. Ihre Porträt-Serie basiert auf dem Film „La Noire de...“ (Die Schwarze aus..) des senegalesischen Regisseurs Ousmane Sembène.
Mit ihren stolzen Porträt-Darstellungen als weiblich gelesener Personen widersetzt sich Reimann dem im Film verfolgten Schicksal eines Dienstmädchens aus Dakar in einer französischen Familie. Ziel der neuen Präsentation ist es, zeitgenössische Künstler zu integrieren und die Sammlung schrittweise um nicht westliche, junge und politisch-engagierte, künstlerische Perspektiven zu erweitern. Wie Kurator Wolf erläutert, ist die 1977 in Johannesburg geborne Künstlerin Senzeni Mthwakazi Marasela die erste Preisträgerin des neuen Kunstpreises „K21 Global Art Award“ der Freunde der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Ihr ist ein Doppelraum gewidmet, in dessen Zentrum ein ornamental bedrucktes Iseshweshwe-Kleid steht.
In der südafrikanischen Xhosa-Kultur wird es von verheirateten Frauen getragen. Marasela hat es mit der Geschichte ihres fiktiven Alter Egos Theodora Mthetyane verknüpft. Die textilen Werke der Serie „Waiting for Gebane“ von 2018 sind Relikte ihrer sechsjährigen Performance, in denen sich Erinnerungen, Erfahrungen und traditionelle Vorstellungen Theodoras spiegeln.
Tiere und Güter
Raumgreifend ist die Installation „Wartesaal“ von 1997 des 1950 in Düsseldorf geborenen Reinhard Mucha. Sechs Buchstaben haben alle Namen – wie Kassel oder Telgte – seiner 242 selbstgemalten Schilder, die er einem Tarifverzeichnis der Deutschen Bahn entnahm. Die durch die Eisenbahn verbundenen Städte sind Wegmarken eines Verbindungsnetzes, das im 19. und 20. Jahrhundert wirtschaftlichen Aufschwung und Industrialisierung, aber auch den industriell organisierten Massenmord in der Nazizeit möglich machte. „Das Tarifverzeichnis für Tiere und Güter ist ein Dokument aus der Nachkriegszeit“, erklärt Wolf. Es stehe für die Kontinuität eines durchgetakteten Staatsbetriebs. Apparate, die einem das Fürchten lernen, zeigt Simon Denny eine Etage drüber. Der 1982 in Neuseeland geborene Künstler stellt einen Käfig aus, der auf einem 2016 eingetragenen, umstrittenen Patent des Versandhauses Amazon basiert. Er wurde aufgrund von Protesten nie verwirklicht und war dazu gebaut worden, Arbeiter zu schützen, die Bereiche betreten, in denen von Algorithmen gesteuerte Roboter tätig sind.
Arbeiten aus dem globalen Süden zeigt die Kunstsammlung NRW und gibt gleichsam dem innerdeutschen Diskurs Raum. „Das Deutschlandgerät“ von Reinhard Mucha beschließt den Rundgang in der neu eingerichteten zweiten Etage, 1990 für den deutschen Pavillon auf der 44. Biennale von Venedig entstanden. Die Installation „Das Reich“ von Henrike Naumann zeigt, wie Wohnmöbel als skulpturales Material genutzt werden. In einer Videocollage greift Naumann die pseudo-germanische Bildrhetorik der Neuen Rechten auf.
K21, Di bis So 11-18 Uhr, Ständehausstraße 1, Düsseldorf.