Janosch wir 90 Jahre altWas wir von Tiger, Ente und Co fürs Leben lernen
- In drei Porträts beleuchten wir, was wir von seinen Figuren lernen können.
Berlin – Janosch - ist das nicht der mit der Tigerente? Ja, ist er. Doch sein Werk umfasst viel mehr, auch dunkle Seiten und viele kleine Lebensweisheiten. Viele von Janoschs Geschichten besitzen etwas Tröstliches. Als der kleine Tiger in einer davon klagt, wie schlecht es ihm geht, sagt der Bär: „Halb so schlimm (...) Ich mach dich gesund“. Er kocht ihm Bouillon und zum Nachtisch gibt es Himbeeren aus dem Garten. Es ist diese herzenswarme, idyllische und einfache Welt, die seit Jahrzehnten Kinder und Erwachsene begeistert.
Eine Art Seelenpflaster für die Leser – und für Janosch selbst, der eine Welt schuf, von der er als Kind nur träumen konnte. Jahrzehntelang hatte er düstere Gedanken mit Alkohol betäubt, auch während er Bücher schrieb. Er habe mit dem Verstand aus seinem Kopf aussteigen müssen, vertraute er seiner Biografin Angela Bajorek an. Viele Werke stecken dennoch voller Lebensweisheiten und vergnüglicher Betrachtungen.
Doch es gibt auch eine dunkle Seite, die in Janoschs Romanen für Erwachsene zutage tritt und Einblicke vor allem in die harte Kindheit des Autors und Illustrators gibt, der heute in seiner spanischen Wahlheimat Teneriffa seinen 90. Geburtstag feiert.
In drei Porträts beleuchten wir, was wir von seinen Figuren lernen können.
Der Rebell wider die Vernunft
Wer während der Kindheit Popov und Piezke in Janoschs „Traumstunde für Siebenschläfer“ kennenlernen durfte, der hat ein aufregendes Abenteuer durchlebt, mit Figuren, die tolle Namen wie Plümm Pelzki oder Jonny Schnapsglas tragen. Herrlich anarchisch ist diese Geschichte und ein echter Krimi in wenigen Worten. Da wird geschossen und entführt, ein bisschen geschimpft, aber über allem steht diese seltsame Freundschaft zwischen einem Mann und einem Siebenschläfer. Der schnauzbärtige und herzensgute Popov kann richtig gut fliegen und der Siebenschläfer Piezke kann richtig gut schlafen.
Das ist ganz typisch für Janosch: Das Lob des Müßiggangs, die schrägen Charaktere, der alte Mann, der sich vor dem Fliegen feinsäuberlich die Schuhe auszieht. Aber hier wird auch eine kurze Geschichte auf mehreren Ebenen erzählt: Piezke träumt selig vom Fliegen, während ein Greifvogel ihn als Beute durch die Luft trägt. Und der Bär Plümm Pelzki ist ohne sein Flugzeug viel stärker, was Jonny Schnapsglas bitter zu spüren bekommt.
Natur und Technik, Mensch und Tier, die vielen Querverweise sind genial. Und am Ende wird natürlich Piezke, die faule Socke, belohnt, denn er hatte den schönsten Tag seines Lebens, weil er vom Fliegen geträumt hat.
Das alles sind gute Gründe, dieses Buch auch als Erwachsener in die Hand zu nehmen. Janosch ist ein Rebell wider die Vernunft der gesellschaftlichen Ordnung. Ein kleiner Anarchist mit Stift, der vielen vermeintlich erwachsenen Menschen in seinen Büchern den Spiegel vorhält. Und Sätze wie „Ein alter Mann ist keine Schwalbe“ sind für die Ewigkeit. Wer den Wahrheitsgehalt dieser klugen Worte prüfen möchte, muss nicht gleich vom Fliegen träumen. Aber er kann es.
Das Unheimliche, das Schöne
Nur wer lange fort war, weiß das eigene Heim wirklich zu schätzen. Das ist die Botschaft von Janosch´ 1978 erschienenem Evergreen „O wie schön ist Panama“. Das ist ein Buch wie eine wärmende Lieblingsdecke. Unter solchen Decken sollte man allerdings nicht zu lange liegenbleiben. Ihre einlullende Wärme macht ebenso träge wie die ein Buch mit allzu einfachen Botschaften. Das Heim, die Freundschaft – so kann nichts schief gehen im Leben. Meint Janosch. Zum Glück gibt es neben manchem etwas simpel klingenden Glücksspruch von Tiger und Bär auch einen Satz, der aufhorchen lässt. Er steht in dem 1980 publizierten Kinderbuch „Post für den Tiger“. Er lautet: „O Bär“, sagte der Tiger, „ist das Leben nicht unheimlich schön, sag!“ „Ja“, sagte der kleine Bär, „ganz unheimlich und schön.“ Der kleine Bär hätte das Leben auch unheimlich schön finden können. Dann wäre alles in Butter gewesen. Man hätte unter der Kuscheldecke weiter dösen können. Zum Glück steht das Wörtchen „und“ in dem Satz. Das Leben ist unheimlich und schön. Es darf und soll genossen werden. Zugleich hat es aber auch seine befremdlichen Seiten. Es muss ausgehalten und bewältigt werden.
Das Leben ist eben kein Kinderbuch: Genau diese Botschaft macht aus diesem Satz den besseren Janosch. Decke weg! Das Leben ist Bewegung.
Lebenskluger Herr Wondrak
Würden wir unser Leben an den Maximen ausrichten, die Herr Wondrak aufgestellt hat, wäre die Welt sicher eine andere und womöglich sogar eine angenehmere. Der untersetzte Herr stellt sich den großen Fragen der Menschheit und des Lebens und findet Antworten von bestechender Schlichtheit. Deshalb hat er ja seinen Platz im Magazin der Wochenzeitung „Die Zeit“ gehabt: Woche für Woche schürft das Blatt metertief nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens. Während die aber oft etwas bleiern ausfallen, antwortet Herr Wondrak nicht weniger tiefgründig, aber mit jener Leichtigkeit, die Probleme in Luft auflöst. Geschenkt wird einem aber nichts; entweder, man trägt Gene des Wondrak-Schöpfers Janosch in sich, oder die Leichtigkeit des Seins will hart erarbeitet sein.
Dauerleihgaben
Den weltweit größten Bestand an Janosch-Originalzeichnungen hütet das Troisdorfer Bilderbuchmuseum in der Burg Wissem. Janosch hatte sich 1999 im Anschluss an eine große Werkschau im Bilderbuchmuseum dazu entschlossen, seine Bilderbuch-Originalillustrationen als Dauerleihgabe an das Museum der Stadt Troisdorf zu geben.
Arbeiten aus allen Schaffensperioden des Künstlers werden in kleinen Kabinettausstellungen gezeigt, sofern es das Ausstellungsprogramm zulässt. (kmü)
Zur Übung mag die Frage nach dem Paradies auf Erden dienen: Herr Wondrak setzt bei Sartre an und endet mit der Botschaft, man könne „ruhig in der Küche sitzen bleiben.“ Ist das nicht tröstlich? Die nächste Stufe wäre dann wohl über den Kleidungsstil zu erzielen: Wer ganz selbstverständlich im gelbgestreiften Tigerlook und mit Pantoffeln durchs Leben gehen kann, den erschüttert nichts so schnell.
Die Kraft zu all den Wondrak’schen Maximen wächst dabei aus der Ruhe. Um große Dinge anzugehen, betrachtet er die Welt aus einer anderen Perspektive, „also im Liegen“, und zwar auf seinem grünen Sofa, das wunderbar zu gelben Tigerhose und zur Tigerente passt. Morgendliche Müdigkeit begreift er nicht als Plage, sondern er gibt sich ihr hin, Verzeihung braucht eine Pause und den Satz, „nun verstehen wir uns wieder so gut wie zuvor, oder?“
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Glücklich zu werden schafft allerdings nicht einmal Herr Wondrak allein: Sein schönes Leben lebt er innig verbunden mit seiner Luise. (mit dpa)