Der Gründungsintendant der Kölner Philharmonie, Franz Xaver Ohnesorg, ist plötzlich im Alter von 75 Jahren verstorben.
Ehemaliger Philharmonie-IntendantTrauer um Franz Xaver Ohnesorg
Die Fliege passend zum Einstecktuch, hellwache Augen und seinem Gegenüber immer zugewandt: Die Persönlichkeit von Professor Franz Xaver Ohnesorg prägte sich ein und war für die Musikwelt ein doppelter Gewinn: Ein Manager mit Musenkuss, mehrfach ausgezeichneter Flötist und Kaufmann mit einem Studium der Betriebswirtschaftslehre, Theaterwissenschaften und Kunstgesichte.
Gründungsintendant der Philharmonie
Im vergangenen Jahr entschied er sich für das Leitmotiv „Lebenslinien“ beim Klavier-Festival Ruhr, dessen Intendant er war. Auch, um damit die Bindung weltberühmter Solisten wie der beiden Klavier-Urgesteine Martha Argerich und Alfred Brendel und junger Interpreten wie Fabian Müller oder Jan Lisiecki zum Rheinland zu unterstreichen. Die eigene Lebenslinie des am 9. März 1948 im oberbayrischen Weilheim geborenen Sohns eines Bäckermeisters war so vielseitig wie spannend. Abrupt endete sie nun. Völlig überraschend sei der 75-Jährige am Dienstag gestorben, wie der Sprecher des Klavierfestivals in Essen bestätigte.
„Mit großer Bestürzung haben wir vom plötzlichen Tod unseres Gründungsintendanten erfahren. Unsere Gedanken sind bei seiner Frau Franziska und den beiden gemeinsamen Kindern“, erklärt das Team der KölnMusik. Philharmonie-Chef Louwrens Langevoort: „Ich bin Franz Xaver Ohnesorg unendlich dankbar für den Grundstein, den er als Gründungsintendant der Kölner Philharmonie gelegt hat und auf den ich ebenso wie meine Vorgänger aufbauen konnte. Er hat das Fundament geebnet für die Offenheit der Stadtgesellschaft für unser musikalisches Angebot, so dass wir hier die Festivals Acht Brücken und Fel!x erschaffen konnten und mit unseren Musikvermittlungsprojekten wie zum Beispiel Veedel in den Kölner Stadtvierteln präsent sein können. Er wird uns als Freund und Gast fehlen.“
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Zeitgenössische Musik etabliert
Mit der Gründung der MusikTrienale Köln 1994 sei es Ohnesorg gelungen, ein Festival für zeitgenössische Musik zu etablieren. Das Avantgardefestival war ein Mix aus Klassik, Jazz und Weltmusik. 2010 fand es zum letzten Mal statt. Mitte März noch schenkten ihm Martha Argerich, Anne-Sophie Mutter, Michael Barenboim, Mischa Maisky und Daniel Müller-Schott ein Geburtstagskonzert in der Kölner Philharmonie, das Ohnesorg wiederum in ein Benefizkonzert zugunsten des Kölner Kammerorchesters widmete, dessen Vorstandsvorsitzender und Kurator er war. „Ich bin vor allem eines: Kölner geblieben“, sagte er im Rundschau-Interview zu seinem 70. Geburtstag.
Und Konzertbesucher dürften ihn eng mit der Anfangsphase der Philharmonie verbinden, als er 1983 von München, wohin ihn Dirigent Sergiu Celibidache als Generalmusikdirektor geholt hatte, nach Köln wechselte. Neben der Direktion übernahm er hier auch die Geschäftsführung. Hustenbonbons ließ er im Foyer aufstellen, jeder konnte sich aus den Gläsern kostenlos bedienen. 16 Jahre blieb er dem Haus treu und der Stadt als unverkennbare Marke. Auf den beliebten Karnevalsfeiern der Rundschau haute er gerne auf die Trumm.
Die Stimmungskanone verstand sich gleichzeitig auf die leisen, verbindenden Töne. Ihm gelang es mit seiner Einladung an Isaac Stern 1999, dass der Jahrhundert-Geiger Meisterkurse an der Kölner Musikhochschule gab. Bis dahin hatte Stern als persönliche Reaktion auf den Nazi-Terror nie in Deutschland konzertiert. Die versöhnliche Geste des Geigers kam an.
Legendäre Künstlerbetreuung
Legendär war seine persönliche Künstlerbetreuung. Doch er polarisierte auch, war zu Konflikten bereit. Das bekamen Kulturdezernent Peter Nester, Dirigent Marek Janowski und Intendant Günter Krämer zum Beispiel zu spüren. Ohnesorg legte ein strammes Reformtempo vor. 1999 wechselte er an die New Yorker Carnegie Hall. Das war quasi der Olymp – auch wenn das berühmte Haus 1891 in einem Vorort Manhattans namens Ziegenhügel gebaut worden war. Gegen den neuen Manager gab es bald Anfeindungen. Der Kurs des deutschen Direktors, der schwierige Personalentscheidungen traf, stieß auf Kritik.
Isaac Stern, damals Präsident der Carnegie Hall, stellte sich hinter ihn. Nach zweieinhalb Jahren kehrte er aber als Intendant der Berliner Philharmoniker wieder nach Europa zurück und wirkte an der Umwandlung des Orchesters in eine Stiftung mit. Chefdirigent wurde Simon Rattle. Kontinuierlich baute er „sein“ Klavierfestival Ruhr aus, das er 1996 als Nothelfer übernommen hatte.
Für Ende dieses Jahres hatte Ohnesorg seinen Rückzug angekündigt. Die Vorbereitungen für das Festival 2024 wurde mit seiner Unterstützung in die Hände der neuen Intendantin Katrin Zagrosek gelegt. Zu seiner Verabschiedung hatte das Klavierfestival mehrere große Benefiz-Konzerte organisiert, die er selbst moderierte. Beim letzten dieser Konzerte wollten am 25. November unter anderem der bekannte Pianist Lang Lang und Geigerin Anne-Sophie Mutter in der Essener Philharmonie auftreten.