Zwischen Fantasy und Perry RhodanBestseller-Autor Robert Corvus im Interview
- Er schreibt Fantasy, tanzt Tango, hört Heavy Metal und geht sonntags in die Kirche.
- Beim Interview trinkt er weder Absinth noch einen doppelten Espresso.
- Sondern Kakao.
Warum haben Sie Corvus, lateinisch „der Rabe“, als Künstlernamen gewählt?
Corvus Weil ich Dark Fantasy schreibe und „Corvus“ zwei dunkle Vokale enthält. In der germanischen Sagenwelt ist der Rabe Odins Bote und überbringt düstere Nachrichten.
Ihre früh erwachte Liebe zur Fantasy-Literatur haben Sie Ihren Klassenkameraden mit den Nibelungen zu erklären versucht.
Fantasy war damals kaum jemandem ein Begriff, die Nibelungensage hingegen Schullektüre bei uns. Sie kommt der Fantasy in vieler Hinsicht nah: Es gibt den Helden, Zauberer, Zwerge und den Drachen natürlich.
Zur Person
Robert Corvus wurde als Bernd-Otto Robker 1972 in Bramsche geboren. Seine Eltern führten eine Gastwirtschaft. Nach Abitur und Bundeswehr zog er nach Münster und studierte bis zum Diplom Wirtschaftsinformatik.
Bei internationalen Konzernen arbeitete er als Unternehmensberater und Projektleiter. Im Jahr 2000 zog er nach Köln – einer Liebe wegen, die dann aber nur noch ein paar Tage hielt, wie er auf seiner Website schreibt.
Mehrere Bände legendärer Perry-Rhodan-Reihe verfasst
2005 veröffentlichte er seinen ersten Fantasyroman Sanguis B., der in Köln spielt. Bis heute erschienen von ihm rund 30 Bücher aus dem Bereich Fantasy und SciFi, die zum Teil auf der Spiegel-Bestsellerliste landeten. Besonders stolz ist der Perry-Rhodan-Fan darauf, dass er auch mehrere Bände dieser legendären Reihe verfassen durfte.
Neben seinem Job als Schriftsteller begeistert sich Corvus für Tango, Standard- und Lateinamerikanische Tänze und für Heavy-Metal-Musik. Außerdem ist er Karatekämpfer und besucht regelmäßig die Messe im Kölner Dom.
Robert Corvus lebt in Sülz.
Spielt die germanische Sagenwelt in der Fantasyliteratur von heute eine Rolle?
Nein, gar nicht. Innerhalb der Szene gilt Tolkien als der Übervater und George R. R. Martin mit „Game of Thrones“ als das Maß aller Dinge.
In Game of Thrones gibt es einen dreiäugigen Raben – Ihre Lieblingsfigur?
Dieser Rabe steht für die Weisheit, für den Blick auf die Welt als Ganzes. In Tyrion Lennister, den Zwerg, hat sich der Autor selbst hineingeschrieben. Ich denke, dass der nicht nur für mich der Show Runner ist.
Wie erklären Sie einem unbedarften Leser den Unterschied zwischen Fantasy und Science-Fiction?
Das Lesegefühl ist anders: Science-Fiction ist kalt, Plastik, Stahl, und Welt ist nicht magisch, sondern im Kern erklärbar. Fantasy ist warm, hat Lagerfeueratmosphäre, und die Welt ist magisch. Das muss nicht erklärt werden, weil es auf den Willen der Götter zurückgeht.
Wie in der Bibel.
Genau, Tolkien war ja auch ein sehr gläubiger Mensch. Viele Studien weisen nach, dass sich seine katholische Weltsicht in den Büchern deutlich spiegelt.
Wofür ist Fantasy, jenseits von Unterhaltung, gut?
Sie hilft, sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu konzentrieren, zu ergründen, was das Menschsein eigentlich ausmacht. Nehmen wir einen Begriff wie Ehre: Will ich ehrenhaft handeln, muss ich tun, was ich als richtig erkannt habe. Auch wenn keiner hinguckt. Würde dieser Wert unsere Gesellschaft durchdringen, hätte es beispielsweise keine Finanzkrise gegeben.
Andererseits beruft sich auch jeder Straßenschläger auf seine „verletzte Ehre“.
Gerade deswegen ist es wichtig, den Begriff zu hinterfragen – persönlich und gesamtgesellschaftlich.
Was ist Ihr persönliches Verhältnis zur Realität?
Ich bin ein sehr realistischer Mensch. Bevor ich Schriftsteller wurde, war ich Unternehmensberater. Da muss man die Sachverhalte so sehen, wie sie sind, und nicht, wie man sie gerne hätte. Die Fähigkeit zur intensiven Analyse habe ich mir, glaube ich, bewahrt. Und sie hilft mir als Schriftsteller.
Gehörten Sie zu den Bösen, die Arbeitsplätze wegrationalisieren und Menschen arbeitslos machen?
Ich habe Geschäftsabläufe designt, die Arbeitsplätze zukunftssicher gemacht haben.
Klingt toll. Eine ganz andere Vorbildung von Ihnen ist der dritte braune Gürtel im Karate.
Das hilft bei der realistischen Darstellung von Kampfszenen, zumal ich mich auch ganz gut mit Jiu Jitsu, Aikido usw. auskenne. Karate schult die Fokussierung, das hilft auch beim Schreiben. So ein Roman ist immer ein Marathonlauf, da muss man sich quälen können.
Auf Ihrer Website erwähnen Sie Iron Maiden. Die Heavy Metal-Welt und die der Fantasy scheinen mir nah beieinander zu liegen.
Das stimmt. Hier wie da geht es um starke Seelenbilder und Archetypen wie Helden und Zauberer. Heavy Metal beschäftigt sich weniger mit Beziehungsproblemen als andere Musikrichtungen. Stattdessen geht es eher um archaische Verhaltensweisen. Denken Sie nur an Manowar und deren Songs über düstere Schlachten, in denen sie sich bewähren müssen. Die haben sogar ein gemeinsames Projekt mit Wolfgang Holbein gemacht, dem Fantasy-Autor.
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Hier wie da dominieren bei den Männern lange Haare. Wofür steht denn Ihre Matte?
Für Freiheit! Schon in der germanischen Kultur waren lange Haare das Zeichen der Freiheit. Wer hingegen im Dienst eines anderen stand, dem wurden die Haare abgeschnitten.
Und wenn man als alter Germane Haarausfall hatte?
Dann hatte man Pech. (lacht)
Mit Bernhard Hennen zusammen schreiben Sie die Phileasson-Saga, die mittlerweile sieben Bände umfasst.
Das ist die Adaption eines Rollenspiels, das man klassischerweise am Tisch sitzend nachspielte. Man kann sich das als Theaterstück ohne festes Drehbuch vorstellen: Es gibt einen Spielleiter, und die Teilnehmer erzählen sich die Geschichte wechselseitig. Und aus dieser Spielidee haben wir in den letzten Jahren eine Romanreihe entwickelt, die am Ende zwölf Bände lang sein wird.
Wie schreibt man zu zweit?
Das können nur die Allerbesten, ganz klar. (lacht) Es geht um die Wettfahrt zweier Kapitäne. Bernhard schreibt aus der Sicht des dunklen, des Plünderfahrers, ich aus der Sicht des positiven Entdeckers Phileasson. Vor jedem neuen Roman erstellen wir einen Szenenplan und bestimmen die Passagen unserer beiden Figuren.
Wie geht man in so einem Duo mit Kritik um?
Anfangs waren wir sehr vorsichtig. Da standen Bemerkungen am Rand wie: „Vielleicht könnte man hier doch ein wenig anders . . .“ Inzwischen sprechen wir je nach dem sehr direkt von „totalem Schrott, ich hab das mal umgeschrieben.“ Insgesamt ein sehr spannendes Ping-Pong-Spiel, wie ich finde.
Außerdem haben Sie die 2824. Fortsetzung von Perry Rhodan geschrieben.
Die Hefte sprachen mich schon als kleiner Junge an. Die habe ich mir ganz klassisch aus dem Drehständer im Supermarkt geholt. Irgendwann fing ich an, mir auf dem Flohmarkt Plastiktüten voller alter Hefte zu kaufen, bis ich auf etwa 400 gelesene kam. Als ich dann zum ersten Mal beim Perry Rhodan-Stammtisch in Köln war, galt ich damit natürlich als totaler Anfänger.
Wie frei ist man beim Inhalt?
Bei Perry Rhodan gibt es immer ein redaktionelles Team, das den roten Faden vorgibt. Und an dem entlang schreibt man dann seinen Band.
Die Reihe gilt als der umfangreichste Fortsetzungsroman der Weltgeschichte. Was haben Sie beigesteuert?
Also mit Styx habe ich einen komplett neuen Planeten geschaffen, eine Dunkelwelt. Und ich habe mal eine Nebenfigur eingebracht, eine Hofdame, die dann von einer Perry Rhodan-Kollegin noch einmal aufgegriffen wurde.
Ihr erstes veröffentlichtes Buch „Sanguis B“ spielt in Köln. Ist das eine in Fantasy-Hinsicht inspirierende Stadt?
Ich bin 2000 nach Köln gekommen und wollte mir diese neue Stadt erschreiben und ihr dadurch näherkommen. Heute empfehle ich jedem einen Besuch der Goldenen Kammer von St. Ursula mit ihren tausenden Knochen. Als religiöser Mensch gehe ich aber auch gern zur Messe in den Dom. Es gibt Sonntage, da bin ich in der Stimmung für ein prächtiges Hochamt mit Chorgesang. Und an anderen, leiseren Tagen gehe ich lieber frühmorgens in die Sakramentkapelle.
Beeinflusst die Stadt Ihr Schreiben?
Köln hat eine reiche, noch sichtbare Geschichte, angefangen bei den Römern. Und die Kölner empfinde ich seit meinen ersten Hinterzimmerlesungen als sehr aufnahmebereit. Die buhen dich nicht von der Bühne, sondern sagen sich: Na ja, lass den Clown mal machen, jede Jeck es anders.
Im Februar erscheint Ihr nächstes Buch namens „Ruinen der Macht“. Worum wird es da gehen?
Das ist der letzte Teil meiner Trilogie „Gezeiten der Macht“, eine Revolutionsgeschichte. In „Ruinen der Macht“ geht es um einen beherrschenden Berg, in dem die zauberische Macht regiert. Und dann gibt es eben die Rebellen, die dieses unterdrückerische System stürzen wollen, um der Welt die Freiheit zu bringen.
Ein gutes Stichwort! Wenn Sie Ihrer Fantasy mal freien Lauf lassen: Wie entwickelt sich die Welt 2020?
Ich denke, es wird unaufgeregt. Vieles, was zuletzt hochgepusht wurde, wird sich in nächster Zeit wieder beruhigen. Und wir werden uns wundern über unsere Aufregung.
Im Sinne von: Et hät noch immer jotjejange?
Genau. (lacht)