„Das wird ein riesiges Gestricke“Wie die Kölner Bühnen nach Lösungen suchen
- Die Corona-Krise trifft die Kölner Kultur auch weiter hart, sie bleibt im Wartestand.
- Als digitaler Ersatz wird ab dem heutigen Freitag ein Theaterstück gestreamt.
- Mit den Verantwortlichen hat Hartmut Wilmes gesprochen.
Köln – Schauspiel-Chef Stefan Bachmann findet die politische Entscheidung zu den Corona-Lockerungen „ehrlich gesagt nicht überraschend“. Es komme nun darauf an, kreative Lösungen etwa für den Umgang mit Abstands- und Hygienevorschriften zu finden. „Das ist im Theater schwierig, weil so viele Gewerke beteiligt sind, die alle ganz spezifisch arbeiten. Der Maskenbildner muss in Kontakt zum Schauspieler kommen. Da müssen wir uns Zeit nehmen und überlegen, wie man damit umgeht.“
Ein globales Experiment
Bachmann glaubt, „dass wir uns alle in einer Art globalem Experiment befinden, in dem ohne die letzte wissenschaftliche Sicherheit auf Sicht gefahren wird. Wenn es anders kommt, bin ich der Erste, der wieder aufmacht, aber ich habe mich innerlich schon damit abgefunden, dass wir vor den Sommerferien nicht mehr spielen werden.“
Und wenn doch? „Wir haben noch eine Unmenge von Stücken, die wir nicht komplett durch die Abonnements gebracht haben. Und dann gibt es ausgefallene Premieren von Produktionen, die in den Endproben waren: ,Nora‘, und ,Der endlose Sommer‘, auch die Arbeit an Schillers ,Jungfrau von Orleans‘ hatte schon gut angefangen.“ „Der Wilde“ (Regie: David Gaitan) wurde aufgrund des Einreisestopps, der hier die beteiligten Künstler aus Mexiko betrifft, schon verschoben.
Ein Hauptproblem liege darin, „dass Proben natürlich das Gegenteil von dem sind, was im Augenblick gefordert ist“. Es wäre allerdings wichtig, „dass wir vor den Ferien noch Vorproben in einer anderen als der gewohnten Form organisiert bekämen, um einigermaßen am Spielplan für die nächste Saison festhalten zu können“. Dessen Vorstellung stünde eigentlich bald an, aber die Ungewissheit ist noch zu groß. „Man kann zudem nicht alles einfach zwei Monaten nach hinten verschieben, weil die künstlerischen Teams ja auch mit anderen Theatern verabredet sind. Das wird ein riesiges Gestricke.“
Alle sehnen sich nach dem normalen Betrieb
Die Nähe zu den Mitarbeitern sei gegenwärtig enorm eingeschränkt, „aber bei einer Zoom-Konferenz mit 27 Teilnehmern kam vor Ostern schon heraus, dass sich alle sehr nach einem normalen Theaterbetrieb zurücksehnen. Doch Geduld ist momentan die größte Tugend, die man erlernen muss.“ Es sei „schon enorm schwierig, in diesem spekulativen Modus zu leben und zu arbeiten. Aber ich wünsche mir auch keine Regierung, die irgendwelche Lockerungen vornimmt, um dann in einem Vierteljahr einen Super-GAU zu erleben.“
Bei der Oper Köln möchte Intendantin Birgit Meyer „Anfang Juni den Spielplan für 2020/21 vorstellen, den wir eigentlich schon im Mai bekanntgeben wollten. Einige der jetzt ausgefallenen Premieren können wir in die nächste Spielzeit schieben“, auch Katie Mitchells Inszenierung von „Miranda“.
All dies muss im Austausch mit den Gastkünstlern eingetütet werden, „ebenso wie zwei kleine Reihen in den sozialen Medien, die momentan ja das Fenster zur Welt sind“. Außerdem plane man eine Reise mit dem hauseigenen „Ring“. „Sie sehen also, wir arbeiten. Und wir bleiben optimistisch.“
Was ist denn nun ein Großereignis?
Philharmonie-Intendant Louwrens Langevoort nimmt an, „dass als verbotenes Großereignis mindestens das gilt, was vor sechs Wochen galt: eine Veranstaltung mit mehr als 1000 Personen. Und da in unseren Saal 2200 Personen passen, gehe ich davon aus, dass ich bis 31. August nicht spielen darf.“ Außerdem sei auch damals die zu große Nähe der Musiker auf dem Podium moniert worden.
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„Zwar sind wir kein Fußballstadion und keine Lanxess-Arena, aber wenn es voll ist, kommen zu 2200 Leuten eben noch 50 unserer Mitarbeiter und vielleicht ein Orchester von 100 Personen.“ Aber was wäre mit einem meist schwächer besuchten Kammerkonzert? „Da müsste man erst einmal sehen, wie man den Abstand etwa durch herausgenommene Stühle hinbekommt. Aber man ist dann eben auch zwei Stunden beisammen, und ich werde um den Musikgenuss zu bewahren sicher nicht Ventilatoren durch den Saal tragen lassen.“
Und die Lage der Philharmonie? „Wir haben ziemlich hohe Verluste und fragen jetzt auch Kurzarbeit an – eine psychologisch schwierige Sache. Dann kommen wir einigermaßen über die Runden.“ Das gelte auch für subventionierte Orchester wie Gürzenich und WDR, aber es gibt Barockorchester, Ensembles für moderne Musik und Solisten, die eben nicht Anna Netrebko heißen. Um die müssen wir uns auch kümmern. Schwere Zeiten, gewiss, aber wir müssen nicht nur gesund, sondern auch fröhlich bleiben.“
Kommentar: Kultur im Wartestand
Hartmut Wilmes über die politischen Entscheidungen
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