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Chef-Optimist im InterviewZuversicht kann man lernen

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Lutz Peter Eklöh ist Vorsitzender im Hamburger Club der Optimisten.

Hamburg – Für viele Menschen war 2021 wieder ein Jahr zum Vergessen. Woher noch die Zuversicht nehmen in der zermürbenden Corona-Dauer-Krise? Lutz Peter Eklöh weiß es. Der 60-Jährige ist Vorsitzender im Hamburger Club der Optimisten. Und siehe da: Das mit der positiven Einstellung wirkt. Jedenfalls lacht pünktlich zum gemeinsamen Spaziergang durch die Teichwiesen in Hamburg-Volksdorf die Sonne vom sonst so grauen Dezemberhimmel.

Herr Eklöh, spielen Sie Lotto?

„Nein.“

So groß ist der Optimismus dann doch nicht?

(lacht)„Ich hab’ mal BWL studiert. Die statistische Wahrscheinlichkeit ist mir doch zu gering. Aber vielleicht sollte ich mal anfangen.“

21 Monate Corona – wie kann man da noch optimistisch sein?

„Man muss.“

Warum?

„Wir haben in Deutschland mehr als 70 Jahre keinen Krieg gehabt, hatten mehrheitlich alle immer zu essen, zu trinken, ein Dach über dem Kopf, ein funktionierendes Rechtssystem, intakte Krankenhäuser und, und, und. Wir leben an einem der besten Orte der Welt. Zugleich liegt es in der Natur der Sache, dass Menschen sich auch mit Krisen auseinandersetzen müssen. Es kann nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen herrschen.“

Trotzdem: Corona bereitet sehr vielen Menschen große Sorgen und Ängste, auch in Hamburg. Was sagen Sie denen?

„Wer keine Angst hat, lebt nicht richtig. Ja, die Pandemie ist eine Wahnsinnsbedrohung, das macht auch mir Angst. Aber ich bin mir sicher: Wir kommen da durch.“

Sie führen ein Unternehmen. Hatten Sie Probleme durch Corona?

„Ja. Wir hatten einen Einbruch um mehr als 50 Prozent bei Umsatz und Ertrag. Ich war und bin heilfroh über die Corona-Hilfen von Stadt und Bund, um das einigermaßen zu überstehen. Aber: Als Unternehmer müssen Sie eben auch mal aufs Gehalt verzichten. Es nützt ja nichts, den Kopf in den Sand zu stecken: Man muss nach vorn gucken.

Gerade diese Zuversicht bringen viele in der langen Krise nicht mehr auf… Sicherlich gibt es Menschen, die sich von den negativen Umständen niederdrücken lassen. Und die finden auch Menschen, die sich ebenso niederdrücken lassen. Dann gilt oft Murphy’s Law: Alles, was schiefgehen kann, geht auch schief.“

Was raten Sie denen?

„Sich einen positiven Menschen zu suchen. Und sich an positiven Umständen und Augenblicken zu erfreuen. Zwei Enten auf dem Teich zum Beispiel. Oder wenn ein Sonnenstrahl durchs Geäst bricht, solche Sachen.“

Mehrmals dachten wir, das Schlimmste in Sachen Corona überstanden zu haben. Jetzt kommt Omikron. Und nun?

„Ich glaube, wir sind jetzt trotzdem auf einem guten Weg. Es wird! So viele Menschen lassen sich impfen, das ist ein ermutigendes Zeichen. Und: Wir haben einen Wechsel in der politischen Führung. Egal, was man davon halten mag, dieser Wechsel birgt alles für einen Neuanfang. Wir müssen nicht in den bisherigen, verkrusteten Hierarchien weitermachen. Auch der neue Gesundheitsminister muss und darf jetzt zeigen, dass er’s kann.“

Ist Optimismus erlernbar?

„Unbedingt. Man kann auch sehr spät zum Optimisten werden, sogar gelernte Pessimisten. Denn die werden auf Dauer in ihrer Welt ja nicht glücklich.“

Wie lernt man das?

„Indem man sich mit positiven Menschen umgibt und sich sagt, dass auch Krisen mit Optimismus leichter zu bewältigen sind als mit Pessimismus. Wir haben doch alle schon Situationen erlebt, in denen es uns schlecht ging. Und haben dabei gelernt, dass genau diese Erfahrung uns später hilft, mit Krisen leichter, geduldiger und relaxter umzugehen.“

Sind Sie ein Zweckoptimist?

„Nein, im Gegenteil. Zweckoptimist ist einer, der nur glaubt, wenn es ihm richtig schlecht geht und den lieben Gott bittet, ihn aus der Notlage zu befreien. Optimismus ist aber eine Haltung in allen Lebenslagen und eine Ansichtssache im doppelten Wortsinn. Es kommt nämlich darauf an, wie ich eine Sache betrachte und dass ich darin immer auch das Schöne sehe. Der Spruch von dem halb vollen und halb leeren Glas trifft das ganz gut.“

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Klingt ein bisschen nach Gottvertrauen. Spielt Glaube eine Rolle?

„Bei mir durchaus, ja. Man kann es Gott nennen oder Buddha oder irgendein anderes höheres Wesen. Oder auch nicht. Ich nenne es Gott, ich bin protestantischer Christ.“

Wie viele Menschen sind eigentlich Optimisten?

(lacht) „Ich hoffe, mindestens die Hälfte. Das Interessante ist: Menschen sind manchmal zufriedener, je weniger sie haben. Sie genießen das Wenige viel mehr. Daraus resultiert eine optimistische Haltung. Zum Beispiel in Bhutan (Kleinstaat im Himalaya, d. Red.). Das ist das Land der Glückseligkeit, dort gibt es sogar einen Glücksminister.“

Wie kam’s zur Gründung des Clubs der Optimisten?

„Das war 2005 die Idee der Werbeunternehmer Barbara Kunst und Klaus Utermöhle für eine Kundenveranstaltung. Die Beteiligten haben festgestellt, welche Kräfte das freisetzt und wie toll das ist. So ist es dabei geblieben.“

Zum Club gehören in erster Linie Unternehmer. Nehmen Sie auch andere Mitglieder auf?

„Na klar. Hinter dem Club steht kein unternehmerischer Zweck. Wir haben Mitglieder aus fast allen Berufen. Im Prinzip kann jeder beitreten.“

Gibt es eine Aufnahmeprüfung?

„Das nicht. Es gibt eine monatliche Zusammenkunft, zu der auf Empfehlung Interessierte dazukommen können. Dann gucken wir, ob der- oder diejenige zu uns passt. Neulich kam jemand, der sah so grimmig, so schlecht gelaunt aus. Ich hab’ zu ihm gesagt: „Sie wirken wie der Gegenentwurf zum Optimisten.“ Er hat entgegnet: „Ich wäre aber gern einer.“ Dann ist er geblieben.“

Gehen Sie mit Ihrem Daueroptimismus Leuten nicht auch auf die Nerven, die sagen: „Seht doch, wie schlecht es um die Welt steht!“?

„Ja, das hören wir jeden Tag. Ich sage solchen Menschen dann: „Behalten Sie Ihren Pessimismus doch für sich.“ Ist mir völlig wurscht. Ich möchte mich mit Leuten umgeben, die positiv sind. Mindestens ein bisschen. Denn es ist ja auch nicht so, dass Optimisten dauergrinsend durch die Gegend laufen und nur sagen: 'Wie ist die Welt so schön.'“

Sind Hamburger optimistischer als andere Deutsche?

„Zumindest glaube ich, dass es manchmal einfacher ist, Optimismus in der Stadt zu lernen als auf dem Land.“

Warum?

„Weil es in der Stadt unendlich viele Möglichkeiten gibt, andere Menschen kennenzulernen und dadurch neue Blickwinkel. Norddeutsche brauchen allgemein einen kleinen Anstoß, um auf andere zuzugehen. Dann aber sind sie sehr offen. Nicht von ungefähr ist nirgends in Deutschland die Italien-Begeisterung so groß wie in Hamburg. Wir sehnen uns doch alle nach ein wenig südländischer Leichtigkeit.“

Was tut der Club der Optimisten konkret, um eine positive Lebenseinstellung zu fördern? „Wir küren einmal im Jahr „den Optimisten/die Optimistin des Jahres“. 2021 ging der Preis an zwei Frauen aus Afghanistan, Hilu und Walu Limar, die vor vielen Jahren nach Hamburg geflüchtet sind und jetzt von hier aus in Afghanistan Hilfe für Benachteiligte organisieren, zum Beispiel für blinde Frauen. Das ist echter Optimismus. Das Preisgeld von 10.000 Euro setzen die Gewinnerinnen dann für eines ihrer Projekte ein.“

Wie ist die Bilanz des Clubs nach 15 Jahren: Hat der Optimismus in Hamburg tatsächlich zugenommen?

„Das lässt sich ja nicht valide messen. Ich kann aber Folgendes sagen: Wenn ich mich als Mitglied im Club der Optimisten vorstelle, entwickelt sich jedes Gespräch sofort ganz anders. Viel positiver.“

Die entscheidende Frage an den Ober-Optimisten Lutz Peter Eklöh: Wie wird 2022?

„Besser als 2021. Das ist kein Kunststück.Und besser als 2020 (lacht). Aber im Ernst: Es wird wirtschaftlich vermutlich sogar schwerer als 2021, wegen der Probleme mit den Lieferketten. Aber trotzdem bleibe ich optimistisch. Insgesamt geht es uns nach wie vor richtig gut. Ich bin übrigens sicher, dass wir nicht dieselbe Welt zurückkriegen wie vor der Pandemie. Die Krise zwingt uns auch zur Selbstbesinnung und damit zu einer neuen Selbstentwicklung. Und das ist doch gut so.“