NeuerscheinungFür Pink zur Hochzeit gespielt
Köln – „Mit zwölf Jahren sagte ich meinen Eltern, dass ich von Beruf Musiker werden wollte. Mein Vater fand, dass sei keine besonders gute Idee. Musik könnte man auch als Hobby machen, aber als Beruf? Undenkbar.“ Die Eltern lagen falsch. Seit 30 Jahren kann der Kölner Martell Beigang (54) davon leben, genau das zu machen, was er liebt: Musik.
Rainbirds und Rosenstolz
Als Rock- und Jazzschlagzeuger war er nicht nur an mehr als 100 Alben – darunter solche von den Rainbirds, Rosenstolz oder Ulla Meinecke – beteiligt, sondern hat auch mit m. walking on the water Indie-Rockgeschichte geschrieben.
Beigang rief Bands wie Eisen oder Schank ins Leben, für die er jeweils eigene Stücke schuf. Und: er ist auch Buch-Autor. Nach den Romanen „unverarschbar“ (2007), „Zu Gast im eigenen Leben“ (2011) und „Viel Lärm um mich“ (2015) ist nun „Musik ist King“ erschienen. Ein zwar am Lebensweg des gebürtigen Ratingers orientierte Liebeserklärung an seine erste große Liebe „Mademoiselle Musique“ aber keine Biografie im klassischen Sinne: „Musik lässt sich nur schwer in Worte fassen, deshalb gibt es zu meinem Text die passenden Tracks“.
Playlist zum Buch
122 Stücke – quer durch den Musikgarten von Klassik über Rock und Jazz, Pop, Punk und Rockabilly – dienen zugleich als Leitlinien, Kapitelüberschriften und Hörbeispiele dieser „Audiobiografie“. „Vor Corona hatte ich nicht die Muße, um so etwas zu tun“, sagt Beigang, „aber nach dem Lockdown ging's relativ schnell. Die Idee mit der Playlist kam mir wegen Spotify, vorher wäre so ein Format nicht drin gewesen. Die Freigabe für eine Zusammenstellung all dieser Stücke zu bekommen? Aussichtslos!“
In weniger als einem Jahr war das Buch fertig: „Es ist einfach toll und interessant, ein Stück wieder zu hören – und plötzlich wieder ganz genau zu wissen, wie das war an diesem Tag.“
Auch für Leser und Leserinnen ist es toll, Beigang auf seinem Weg zu begleiten. Seit er 1988/99 nach Köln kam, um sich an der Musikhochschule zum Staatlich Diplomierten Jazz- und Popularmusiker ausbilden zu lassen, hat er viele Höhen und Tiefen erlebt. Mit ihm ist man hautnah dran und drin im Musikgeschäft, das eigenen, nicht immer netten, Regeln folgt. So endete die steile Karriere mit Sashas Projektband Dick Brave & The Backbeats, die Beigang sogar Doppel-Platin einbrachte, abrupt, als der prominente Frontmann beschloss, jetzt doch lieber wieder als er selbst in Erscheinung zu treten: „Wir spielten also ein letztes Konzert in der Dortmunder Westfalenhalle. Und das war´s.“
Kleine Clubs und große Hallen
Nicht ganz. Für ein Gastspiel 2006 in Costa Rica wurde die wiederbelebte Band nebst Sänger von Pink engagiert: „Sie meinte, sie hätte unser Konzert so geil gefunden, dass sie uns gerne als Hochzeitsband hätte.“ Mit dem Autor reist man durch kleine Clubs und große Hallen, ist unterwegs auf Tour durch Zentralasien oder erlebt, was passieren kann, wenn man beim Gipfeltreffen Hamburger Unterweltgrößen auftritt, wo der Chef-Lude selbst zum Mikro greift: „Jungs, so schön haben meine Songs noch nie geklungen.“
Auch viel Kölner Couleur ist dabei, angefangen von der Künstler-WG auf der „schäl sick“ in einer einstigen Chemiefabrik, die einem Autobahnzubringer weichen muss, über Gigs im Tingel Tangel, im Senftöpfchen oder im E-Werk bis hin zur Annäherung an den bis dato verschmähten Fastelovend: „Alle lagen sich in den Armen, alle sangen Karnevalslieder von denen es echt saugute gibt, und jeder fühlte sich als Teil eines größeren Ganzen. Ab da feierte ich jedes Jahr mindestens einen Abend mit.“
Im Belgischen Viertel unterwegs
Trotz der Einbußen durch Corona ist der 1,95 Meter große Hüne, der heute im Belgischen Viertel lebt, seiner ersten Liebe treu geblieben: „Ich hatte weiterhin das Gefühl, dass Musik mich und ich sie magisch anzog und das gab mir große Zuversicht für die Zukunft.“ Und diese hält bis heute an.“
Martell Beigang: Musik ist King. Audio-Biografie. Dabbelju Verlag, 191 S., 15 Euro.