AboAbonnieren

Kölner Bürger OrchesterAutor Jan Sting ist mit Geige und Notizblock dabei

Lesezeit 4 Minuten

Das Orchester bei der Probe.

Köln – Es ist verdächtig still unter den gut 100 Musikern des Kölner Bürger Orchesters. Kein Tuscheln, kein Brabbeln, schon gar kein nachträgliches Üben – stattdessen herrscht höchste Aufmerksamkeit, eine Menge Disziplin. Der Blick geht in Richtung Dirigentenpult und dort erzählt einer gerade Ungeheuerlichkeiten: Vom Tremolo, also dem Zittern und Beben bei der schnellen Wiederholung eines Tons, spricht der französische Dirigent François-Xavier Roth. Die Tremolo-Bewegung soll nach Meinung des Maestros vor allem intensiv sein, gar nicht mal so schnell. „Nicht wie beim Anrühren von Mayonnaise“.

Meditation der Stille

Der Generalmusikdirektor des Gürzenich-Orchesters arbeitet mit den Laien in einer der letzten Proben vor dem Konzert am Sonntagabend in der Philharmonie. Das Bild aus der Küche bleibt nicht das einzige, das verblüfft. Roth entführt in Bizets „Carmen“ in die Arena, lässt die Musiker Elgars „Nimrod“ in einer Art Meditation der Stille gedanklich vorwegnehmen, und stellt nach dem vierten Satz von Dvořáks „Aus der Neuen Welt“ die rhetorische Frage: „Habt ihr gemerkt, wie schön es war?“

Das Projektorchester, das kurz vor Corona loslegte, und während der Pandemie per Zoom probte, genießt das Zusammenspiel sichtlich und hörbar. Profis aus dem Gürzenich-Orchester spielen mit und es mischt sich wunderbar. Als Autor dieses Artikels habe ich mich an ein Pult in den imposanten Klangapparat hinein gesetzt, um mitzumachen. Womöglich habe ich einen Heimvorteil, denn meine Geige habe ich vor zehn Jahren von einem Orchestermitglied gekauft. Offenbar weiß sie immer noch einiges vom ganz eigenen Gürzenich-Klang, denn es spielt sich wie von selbst. Angesichts der kollegialen Betreuung durch die Profis von den Streichern, den Blech- und Holzbläsern und der charmanten Anregungen des Dirigenten wachsen alle über sich hinaus. Die Verbindung des Kölner Bürger Orchesters zu „seinem Gürzenich“ ist greifbar, man identifiziert sich mit dem Ensemble, das 1888 in städtische Dienste übernommen wurde.

Anmeldung hat begonnen

Am Sonntag, 19. Juni, 21 Uhr, spielt das Bürger Orchester in der Philharmonie. Die Karten kosten 27,50 Euro, ermäßigt 16,40 Euro. Für die neue Projektphase können sich Musiker unter www.guerzenich-orchester.de/de/buergerorchester oder unter spielmituns@guerzenich-orchester.de bewerben.

Für seinen Bürgerchor sucht das Gürzenich-Orchester noch Tenöre und Bässe für das Eröffnungskonzert am 28. August in der Philharmonie. Auf dem Programm steht Beethovens 9. Sinfonie. Bewerbung mit Name, Telefon, Stimmgruppe, Alter und Chorerfahrung unter buergerchor@web.de. (EB)

Klaus Jaster, technischer Angestellter in Rente und Mann an der Bassposaune, hatte 1962 bei einem Gürzenich-Geiger seinen ersten Unterricht. Zum Blechbläser wurde er später – autodidaktisch. Er spielte über ein Vierteljahrhundert in der Jungen Sinfonie Köln, in der Weihnachtszeit ist er auch bei den Sinziger Turmbläsern dabei. Dass die Profis den Amateuren schon mal mit Skepsis begegnet wären, habe er noch nicht erlebt. „Das geht hier auf Augenhöhe“, sagt Jaster. „Und das Schöne bei François-Xavier Roth ist, dass er die Stücke erklärt.“ Lampenfieber gibt es nach Ansicht von Bratschistin Mareike Bruns nicht. „Ich würde es eher Vorfreude nennen.“ Roth lasse Bilder entstehen. „Und das mitunter so lebensnah, dass die Hitze Sevillas unmittelbar zu spüren sei“, sagt Bruns. Sie sattelte von Violine auf Viola um und sagt: „Das ist ganz mein Ding.“ Das Orchesterspiel genießt die Grundschullehrerin. Beruflich könne jeder profitieren: „Man lernt, aufeinander zu hören. Zuzuhören, abzuwarten und Geduld zu haben.“ Und: „Sobald man Musik macht, ist man ganz man selbst, ganz unverfälscht.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Bruns und Jaster hoffen wie viele andere Hobbymusiker auch, dass sie in der nächsten Probenphase wieder mitmachen können. Die Anmeldungen sind jetzt wieder möglich. Es gibt kein Probespiel, das Los entscheidet. Beim ersten Projekt des Bürger Orchesters haben sich etwa 400 Personen beworben. Ausgewählt wurde praktisch nur durch die Termine, an denen man können musste. „Übrig geblieben sind dann 200, mit denen wir das erste Projekt begonnen haben“, sagt die Projektleiterin des Bürger Orchesters Clara Friedrichs. „So wurden alle genommen, die sich beworben hatten und die Termine einrichten konnten.“

In diesem Jahr sind es rund 100 Teilnehmende. „Wir haben geschaut, wie viele Personen wir normal sitzend auf die Bühne bekommen und daran haben wir die Zahlen festgemacht und gelost. Wir mussten zum Glück nicht so vielen absagen“, so Friedrichs. Nicht jeder spiele jedes Stück mit. So gibt es auch am Sonntag in der Philharmonie manchen fliegenden Wechsel.