Die Jahresausstellung „Artist at Work“ im Kölner Diözesanmuseum Kolumba erkundet die Vielfalt kreativer Spielarten
„Artist at Work“Das bietet die neue Ausstellung im Diözesanmuseum Kolumba in Köln
Ist der Titel nicht blanker Hohn? „Artist at Work“, da erwartet man doch einen Kreativen im Schweiße seines Angesichts und nicht diesen angezogenen Faulpelz im Bett. Mladen Stilinović wollte 1978 mit seiner Aktion im Zagreber Atelier das Bild vom Künstler als marktgerechten Produzenten vom Sockel stoßen – und Kolumba zeigt nicht nur acht Fotos dieser Provokation gegen Pollock & Co., sondern benennt gleich seine Jahresausstellung danach.
Der Gag zielt direkt ins Herz des Konzepts, denn Stefan Kraus und sein Kuratorenteam wollen das breite Spektrum der Strategien, Ziele und Zwecke von Kunst auffächern. Wie gewohnt kollidieren dabei die sakralen mit den profanen Schätzen der Sammlung. So wird Stilinovićs Müßiggänger von den „Vier Gekrönten“ vom Epitaph des Kölner Dombaumeisters Konrad von Bueren aus dem 15. Jahrhundert konterkariert: Die vier Patrone des Bauhandwerks halten (zum Teil verlorene) Instrumente in den Händen und zeigen in Habitus wie edler Kleidung, dass für sie Kunst von Können kommt.
Sakrale und profane Werke
Apropos Hände: Im Treppenhaus führen uns 24 Fotolithografien mit den Händen berühmter Künstler von Andy Warhol bis Roy Lichtenstein. Lässt sich Talent aus der Hand lesen? Aber geht es überhaupt um Virtuosität? Georg Herolds Holzsockel samt Plastik-Eimer schielt nicht unbedingt auf Bildhauerei à la Rodin. Wie gewohnt besticht die Jahresschau mit Scharfsinn wie ästhetischer Finesse – eine geglückte Tiefenbohrung ins schillernde Wesen der Kunst. Die kann eben konzeptuell oder spontan, schön oder bewusst hässlich, aufmüpfig oder schulmäßig sein.
In Raum sieben zeigen Paul Theks tänzerisch arrangierte Modezeichnungen, dass Künstler auch Geld verdienen müssen. Das klappt nicht immer: Giampaolo Babettos Modelle für Lippenstifthülsen sind glitzernde Kleinskulpturen, die am Markt nicht zum Einsatz kamen. Und auf dieses Dilemma blickt Bettina Gruber in fotografischer Verfremdung als junger Dandy.
Kunst darf alles, aber kann sie es auch? Die Lindenholzskulptur „Christus in der Rast“ (um 1480) fängt die Verzweiflung kurz vor der Endstation des Passionswegs eindrucksvoll ein, ringt aber als rundum zu betrachtende Skulptur mit technischen Tücken. Dazu passen perfekt die Proportionsskizzen von Andor Weininger.
Wieviel Vorarbeit in geglückten Werken steckt, illustriert auch das Kabinett, in dem eine fantastisch glasierte Vase von Norbert Prangenberg vor Konstruktionszeichnungen des Künstlers drapiert ist. Magisches Dunkel lockt dann in Raum neun, wo Michael Kalmbach seine 130-teilige Installation „Der kleine Pinsel (Menschensuppe)“ als Schenkung selbst aufgebaut hat. Ein märchenhaftes Gewimmel von Gipsfigürchen, eine eigene Welt, durch die der schlumpfhafte Titelheld auch in einem Animationsfilm streift.
Fülle der Eindrücke überwältigt
Zu den (fast) monografisch bespielten Räumen zählt jener, in dem Muttergottes-Figuren auf ihren Sockeln die Perspektivwechsel der Kunst bezeugen. Ist Maria im 12. Jahrhundert noch statuarischer „Thron der Weisheit“, wird sie später zur menschlichen Miterlöserin. Neben dem eher verkopften Duett von John Cage und Terry Fox sieht man immer wieder bezwingende Inszenierungen: Der (bekleidet) gekreuzigte Christus aus Erp blickt wohlgefällig auf Susanne Kümpels starkfarbige Malerei, während sich die maschinellen Erfindungen von René Zäch und Konrad Klapheck mit Stefan Lochners „Muttergottes mit dem Veilchen“ zur aparten Dreifaltigkeit gruppieren.
Kraus erklärt zwar, dass man diesmal deutlich weniger Werke zeige, und doch überwältigt die Fülle der Eindrücke: In einem der lichten Turmzimmer verblüffen die Nacken- und Kopfstützen aus Äthiopien, im anderen Inge Schmidts wundersam beseelte Kleinskulpturen, denen die Kölner Künstlerin den idealen Titel gibt: „Winzlinge, die miteinander flüstern“.
Brauchen Künstler heutzutage überhaupt ein Atelier? Terry Fox schon, wie man in einem langen Video von extremer Ereignisarmut sieht. Bei Valeria Fahrenkrog ist das anders. Ihr dreidimensionaler „Kiosk“ wurde vor Ort mit Fundstücken aus dem Museumskeller möbliert, soll monatlich für Veranstaltungen genutzt und dann wieder abgebaut werden.
Wie spielerisch Kunst sein kann, beweist die gigantische „Kugelbahn“ von Manos Tsangaris: eine von einer Person zu entfesselnde Klang- und Bewegungsskulptur. Daneben Jeremias Geisselbrunns wunderbar gelöste „Muttergottes mit Kind vom Marienaltar in St. Kolumba“ zu stellen – schlichtweg genial.
Ab 15. September bis 14. August 2025. Mi bis Mo 12—17 Uhr. Kolumbastr. 4. Taschenbuch zur Schau im Eintrittspreis inbegriffen.
Kolumbas Stärke
Die vom Erzbistum Köln eingeleitete Erhebung zur Wirksamkeit seiner Einrichtungen findet Direktor Stefan Kraus angesichts absehbarer Mindereinnahmen gerechtfertigt. „Man ist angesichts dieser Lage gut beraten, nach Schwerpunkten zu fragen.“ Für Kolumba sieht er dem Ergebnis gelassen entgegen.
Das 2007 am heutigen Ort eröffnete Haus habe sich „als Instrument der Seelsorge in einer pluralistischen Gesellschaft“ bewährt. Es stehe mit seinem modernen Konzept glaubhaft in der Gegenwart. „Nur Corona hat uns daran gehindert, schon die Marke von einer Million Besuchern zu überschreiten“, man liege knapp darunter. Vor der Pandemie seien jährlich 60 000 gekommen, danach 50 000.
Allein der Wert der Schenkungen der Renate-König-Stiftung, vor allem ihrer bedeutenden Handschriften-Sammlung (2017), übersteige schon die Baukosten. Für die aktuelle Schau wurden etwa die „Vier Gekrönten“ für 140 000 Euro restauriert. Ein weiteres Exponat, „Christus in der Rast“, wurde von derselben Mäzenin für eine halbe Million Euro für Kolumba erworben. Nicht zuletzt sprächen die Besucherreaktionen für sich. „Wir würden ja auch die negativen Stimmen abbilden, aber es gibt sie einfach nicht.“ (Wi.)