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„Art Against War“Ein Abend im Kölner Schauspiel im Zeichen der Ukraine

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art against war

Köln – „Das Land wird eine totale Ruine sein, aber der Patriotismus rettet uns.“ Der ukrainische Schriftsteller Jurij Andruchowytsch gestand, noch unbeholfen zu sein mit dem für ihn neuen Gefühl der Vaterlandsliebe. Aber der riesige Erfolg der Armee und der Gesellschaft, die sich gegen Putin stellten, mache ihn stolz.

Andruchowytsch war zugeschaltet, als das Schauspiel am Aschermittwoch unter dem Titel „Art Against War“ zum Solidaritätshappening einlud. Das Depot 2 war voll besetzt. Alle lauschten gespannt, bis in der Schalte endlich der Ton zu den wackligen Bildern aus dem Arbeitszimmer des Dichters und Übersetzers kam, der als eine der wichtigsten kulturellen und intellektuellen Stimmen seines Landes gilt.

Andruchowytsch kritisiert verspätete Empathie

Derzeit erlebt er einen medialen Marathon. Alle wollen seine Meinung hören – Korrespondenten aus Polen, Spanien, Frankreich, Deutschland, Taiwan oder Hongkong. Nervenzehrend sei der Alarm, aber er wohne in einem nicht so dicht besiedelten Gebiet im Umkreis von Lwiw (Lemberg). Ein Militärflughafen sei gleich zu Kriegsbeginn bombardiert worden. Es gab Explosionen. „Aber alle unsere Flugzeuge waren in der Luft.“ Es gebe viele Flüchtlinge, doch sei der große Krieg weiter entfernt.

Stimme erheben

Kölner Autoren erheben Sonntag, 6. März, 18 Uhr, die Stimme für Frieden und Demokratie. Im Literaturhauses (Großer Griechenmarkt 39) lesen sie ukrainische Schriftsteller wie Jurij Andruchowytsch oder Natascha Wodin. Eintritt: Zehn Euro.

„Singen für den Frieden“, heißt das Konzert der Oper am Montag, 7. März, 19.30 Uhr, im Staatenhaus. Der Eintritt ist frei, Anmeldungen unter 0221/ 221 28400 oder tickets@buehnen.koeln. Spenden sind erwünscht.

Gegen den Krieg gibt die Gesellschaft für Alte Musik am Freitag, 11. März, 19.30 Uhr, ein Konzert im Ventana (Elisabeth-von-Mumm-Platz). Musiker unterschiedlicher Nationen spielen. Es wird um Spenden gebeten. (EB)

Als Andruchowytsch vor drei Wochen noch bei einer Solidaritätsabend in der Tanzfaktur sprach, war die internationale Aufmerksamkeit für die bedrohte Ukraine gering. Die Empathie komme verspätet, aber nicht umsonst, erklärte der Autor. Ein bisschen Süffisanz blitzte auf, als er von gut tausend Solidaritätsmails am Tag sprach, die ihn erreichten, teilweise von Menschen, die er 20 Jahre nicht sah. Regisseur André Erlen, Mitbegründer des Theaterprojekts „Futur3“ , und seine Frau, die ukrainische Sängerin Mariana Sadovska, moderierten den Abend. Wiederholt entschuldigten sie sich, dass alles mit heißer Nadel gestrickt sei. Dafür gab es Herzblut.

Aus dem Programm fiel eine Videoschalte mit der jüdischen Synagoge in London. Die Gemeinde baut ebenfalls eine Brücke in die Ukraine, weil dort viele Juden leben. Die Sängerin Tamara Lukasheva aus Odessa hat auch jüdische Wurzeln. Sie erzählte von ihrer Oma und ihrem Schäferhund, einer Kindheit mit paradiesischen Tomaten im Gemüsegarten. „Die müsst ihr alle probieren kommen, wenn der Krieg vorbei ist.“

Mitreißend sind die Lieder, die ukrainische Hymne, mit der Lukasheva und Sadovska am Dienstag bereits beim Benefizkonzert im Stadtgarten eine Eindruck von der großen Musikliebe des Landes, von seinen Erzählungen und Trachten gab.

Möglichst viele Bücher der Ukraine lesen

Zugeschaltet war auch Schriftsteller Andrej Kurkow, der nun aus Kiew in den Westen floh. Er riet, möglichst viele Bücher aus der Ukraine zu lesen. Es gebe so viel zu entdecken, zum Beispiel die krimtatarische Literatur. Sie war vor zehn Jahren im Fokus der Leipziger Buchmesse. Zu einer De-Ukrainisierung, wie sie Putin vorschwebe, wird es nach Ansicht Kurkows nie kommen.

Er erzählte von Zeiten, als er im Heinrich-Böll-Haus in der Eifel lebte – 1993 war das. Aber seither ist viel passiert. Kritiker des Kremls sieht Kurkow in der Minderheit. „Vielleicht sind es tausend aus der Kultur. Aber was ist das gegenüber 140 Millionen Einwohnern?“ Beklemmend waren die Berichte eines Regisseurs, der via Telegram aus der Ukraine berichtete. Er ist mit seiner alten Mutter und dem kleinen Sohn eingekesselt. Auf die Straße zu gehen, sei lebensgefährlich. Zivilisten würden brutal bekämpft. Doch als er Videos vom Krieg nach Deutschland geschickt habe, sei er von Bekannten abgewiesen worden. Sie wollten das nicht sehen.

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Zum Ende des Abends gab es ein Interview mit einem jungen Schriftsteller in Moskau, der von seiner Festnahme berichtete. Sein Nein zum Krieg hatte er mit rotem Klebeband auf den Rücken seiner Lederjacke angebracht, als er aus der U-Bahn kam, wurde er festgenommen mit der Begründung, er sei ein Vaterlandsverräter. Es gab eine Geldstrafe von umgerechnet 200 Euro mit der Warnung, dass er das nächste Mal ins Gefängnis wandere. Demonstrationen würden nicht genehmigt.

Ob es Hoffnung gebe, wollte Erlen wissen. Sein Gesprächspartner wirkte verzagt, zündete sich eine Zigarette an: Komme es zur wirtschaftlichen Katastrophe aufgrund der scharfen Sanktionen, setzten sich die verarmten und verelendeten Menschen vielleicht doch zur Wehr.