Köln – „Putin glaubt, dass er uns einschüchtern und zum Schweigen bringen kann, wir werden das Gegenteil beweisen“, sagt der Flötist aus dem Jugendorchester der Ukraine. Er und seine Musikerfreunde zeigen Flagge, ihre Dirigentin, Oksana Lyniv, hat sich die Fahne in den Farben Gelb und Blau umgebunden und schaut selbstbewusst vor leeren Rängen in die Kamera. Sie und ihr Jugendorchester rufen die Europäische Union in einem Appell anlässlich der russischen Aggression zur Unterstützung und zum Frieden auf.
Oksana Lyniv feierte bei den Bayreuther Festspielen im Sommer Premiere als erste Dirigentin in der 145-jährigen Geschichte der Bayreuther Festspiele.
Tief ist sie in den Stoff von Richard Wagners Oper „Der Fliegende Holländer“ eingestiegen, in das Schicksal Kapitän Fokkes, dem es nicht gelang, das Kap der Guten Hoffnung zu umfahren und der verdammt war, auf einem Geisterschiff die Welt zu umkreuzen.
Das Jugendorchester mit Musikern aus 32 Städten der Ukraine spricht eine klare Sprache: „In den letzten Jahrzehnten seiner Regierung hat der Diktator in Russland einen Polizeistaat aufgebaut – aber das werden die Ukrainer nie werden! Sie wollen jetzt das ukrainische Militär und die Großstädte vernichten, um später dort russische Marionetten einzusetzen“, erklären die Musiker im Alter zwischen zwölf und 22 Jahren. „Aber das werden sie nie schaffen. Weil wir da sind – eine starke neue Generation, die keine Gewalt mehr ertragen wird!“
Die Münchner Philharmoniker und Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sprechen deutliche Worte gegen den Chefdirigenten und Putin-Freund Waleri Gergijew aus: „Ich habe gegenüber Waleri Gergijew meine Haltung klargemacht und ihn aufgefordert, sich ebenfalls eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg zu distanzieren, den Putin gegen die Ukraine und nun insbesondere auch gegen unsere Partnerstadt Kiew führt“, sagte Reiter laut Mitteilung vom Freitag in München. „Sollte sich Waleri Gergijew hier bis Montag nicht klar positioniert haben, kann er nicht länger Chefdirigent unserer Philharmoniker bleiben.“
Der Intendant der Hamburger Elbphilharmonie, Christoph Lieben-Seutter, drohte ebenfalls mit der Absage von Konzerten unter der Leitung von Waleri Gergijew wegen dessen Nähe zu Wladimir Putin.
Die Freundschaft mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bringt Gergijew immer wieder in die Kritik. Im Jahr 2014 unterschrieb er einen Künstler-Appell zur Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland und bekannte sich damit offiziell zur Politik Putins.
Kulturträger vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels bis zum Deutschen Bühnenverein, Festivalmacher der Berlinale oder Theaterregisseure erklären ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine: „Wir müssen die Parole „Nie wieder Krieg“ neu mit Leben füllen. Gleichzeitig dürfen wir die kulturellen Brücken nach Russland auf keinen Fall abreißen lassen“, sagte der Intendant des Thalia Theaters, Joachim Lux, dem „Hamburger Abendblatt“. Die Vorstellungen von „Der schwarze Mönch“, die der russische Regisseur Kirill Serebrennikow mit einem Team von deutschen und russischen Schauspielern inszeniert hat, sollen Anfang März wie geplant stattfinden.
Nach langem Hausarrest durfte Serebrennikow im Januar überraschend für Proben nach Hamburg reisen.
Bildende Künstler und Schriftsteller melden sich zu Wort. Wie die in Moskau aufgewachsene Sasha Marianna Salzmann. Der Zeitschrift „Theater heute“ sagte sie: „Menschen werden flüchten. Das heißt, wir müssen Platz machen. Wir müssen Geld spenden.“
Das Festival Sommerblut, Köln schreibt: „Alle Partner des internationalen Theaterprojekts „Face to Faith“ verurteilen die unrechtmäßige Aktion und rufen die Regierungen unserer Länder auf, die Ukraine auf allen Ebenen zu unterstützen. Wir stehen in Solidarität mit den Menschen in der Ukraine, insbesondere mit unseren Kollegen vom Jam Factory Art Center in Liv.“
Oscar-Preisträger Sean Penn arbeitet laut dpa in Kiew an einer Dokumentation über den Ukraine-Krieg. „Sean Penn zeigt den Mut, der vielen anderen, auch westlichen Politikern, fehlt“, lobte die ukrainische Regierung.
Der Facebook-Mitteilung zufolge reiste Penn bereits im November in die Ukraine, um sich unter anderem mit ukrainischen Soldaten zu unterhalten. 2012 wurde er auf dem Treffen der Friedensnobelpreisträger in Chicago für sein humanitäres Engagement in Haiti ausgezeichnet. Dort traf Sean Penn auf Michael Gorbatschow, der 1986 den Prozess zum Umbau und zur Modernisierung der Sowjetunion, die Perestroika, einleitete. (mit dpa)