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Die „Rolle seines Lebens“Mit dieser Comedyserie wurde Wolodymyr Selenskyj berühmt

Lesezeit 3 Minuten
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Wolodymyr Selenskyj als Wassyl Holoborodko

Köln – Ein Komiker in der Politik? Erst Kandidat, dann Präsident? Wolodymyr Selenskyj, Staatschef der Ukraine, lässt einen derzeit durch seinen Mut gegen Moskau alle Politikmüdigkeit der vergangenen Jahre aus den Augen reiben. Nach seiner Wahl im Mai 2019 löste er bei den Ukrainern aber noch zwiespältige Reaktionen aus. Jetzt ist jedoch alles anders: „Mir geht es in diesen Tagen wie sehr vielen anderen, die ihn nicht gewählt haben: Wir sind stolz auf unseren Präsidenten“, schreibt Oxana Matiychuk, Germanistin aus Czernowitz, im Ukrainischen Tagebuch, das die „Süddeutsche Zeitung“ veröffentlicht.

Tapsiger Typ mit Reibeisenstimme

Der ukrainische Staatschef, der nach seinem Jurastudium als Komiker und Schauspieler arbeitete, tritt in seinen Videobotschaften mit einer Stimme wie ein Reibeisen vor die Kamera und gewinnt immer wieder aufs Neue. Ein Komiker, der die Lebensdevise des Altmeister des schwarzen Humors, André François Chaval, verinnerlicht zu haben scheint: „Humor ist die Höflichkeit der Verzweiflung.“

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In der Rolle des Wassyl Holoborodko wurde Wolodymyr Selenskyj bekannt.

Der Sender „Arte“ zeigt Wolodymyr Selenskyj in der Serie „Diener des Volkes“, die ihm geradezu auf den Leib geschnitten ist: Der tapsige Geschichtslehrer Wassyl Holoborodko vergisst sich eines Tages im Klassenzimmer, da der Mathematik an seiner Schule eindeutig mehr Bedeutung beigemessen wird. Bei seiner deftigen und zotigen Schimpftirade über die ukrainische Politik filmt ihn ein Schüler, lädt alles bei YouTube hoch und schon bald geht die Tirade im Internet ab wie Schmitz’ Katze.

Serie in 51 Episoden und drei Staffeln

Die Fernsehserie „Diener des Volkes“ ist erstmals Mitte Oktober 2015 veröffentlicht wurden und hat 51 Episoden in drei Staffeln. In der letzten Staffel kommt der Herrscher über ein Milchimperium an die Macht und lässt den Geschichtslehrer Holoborodko (Wolodymyr Selenskyj) verhaften. Doch er kommt wieder frei und wendet im Film eine finanzielle Katastrophe der Ukraine ab und eint das Land. (EB)

Wie im Märchen kommt es dann, wie es kommen muss: Der geschiedene Schöngeist, der mit dicken Schmökern über die Antike auf der nackten Brust einschläft, wird entdeckt, zum heimlichen Helden. Seine Schüler sammeln das nötige Geld für den „Präsidentschaftskandidaten“ per „Crowdfunding“ und der Lehrer wird über Nacht zum Präsidenten der Ukraine. Soviel zum Plot, dem die Politik noch folgen sollte.

Vor sieben Jahren wurde die Serie im ukrainischen Fernsehen ein voller Erfolg. „Es ist die Rolle seines Lebens“, folgert „Arte“. Denn knapp vier Jahre später gewinnt Selenskyj mit seiner nach der Fernsehserie benannten Partei die Parlamentswahlen und wird Präsident der Ukraine. Heimelig ist das Interieur der Serie. Die Eltern des Geschichtslehrers leben hinter schweren Vorhängen, das Sofa erinnert an Gelsenkirchener Barock und es gibt Ärger im Hinterhof wegen Falschparken und Müll. Immer wieder geht die Kamera zurück zu Holoborodkos Alltag als braver Pädagoge, der Wahrheiten sagt, die Geschichte auf die Jahreszahl genau zitiert und trotzdem den Geburtstag seiner Nichte Natascha vergisst.

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Wolodymyr Selenskyj in einer Szene der Serie

Der ehrliche Lehrer tritt als frisch gewählter Präsident den Kampf gegen die Korruption an, erfährt aber gleichzeitig, wie sich viele im Gefüge der Macht nun ihm gegenüber ehrerbietig zeigen. „Diener des Volkes“ lebt von hinreißender Situationskomik. Zum Beispiel, wenn die Band, von der sich Natascha zum Geburtstag eine CD wünscht, als zauselige Combo aus einer Torte springt. Der Bodygard des neuen Präsidenten konnte nicht, wie gewünscht, eine CD der Gruppe „Dzidzio“ organisieren, wohl aber die Band zum Auftritt im Wohnzimmer der Familie des Präsidenten zitieren.

Und wie der beliebte Pädagoge aus seiner Serie agiert Selenskyj im weltweiten Netzwerk mit Oscarpreisträgern und Spitzenpolitikern. So hatte er auf Instagram ein Video geteilt, in dem er sich mit Sean Penn unterhält. Penn erklärte in dem Statement: „Präsident Selenskyj und das ukrainische Volk sind zu historischen Symbolen für Mut und Prinzipien geworden.“ Auf die Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte aus Bundeswehrbeständen antwortete Selenskyj auf Twitter: „Weiter so, Kanzler Olaf Scholz.“