„Andy Warhol Now“Museum Ludwig wirft einen neuen Blick auf Pop-Art-Star Andy Warhol

Kurator Stephan Diederich (l.) und Direktor Yilmaz Dziewior vor der Mao-Tapete von Andy Warhol.
Copyright: Hyou Vielz
Köln – Als Katalogcover haben sie nicht das späte Selbstporträt als Feuerkopf genommen, sondern Andy Warhol mit blonder Frauenperücke. Überhaupt wollen Direktor Yilmaz Dziewior und Kurator Stephan Diederich mit „Andy Warhol Now“ im Museum Ludwig einiges tun, um unser Bild des Künstlers (1928 – 1987) zu erweitern und ins Wanken zu bringen.
Am 12. Dezember soll dies beginnen und bis 18. April 2021 dauern. „Wir haben bisher Glück gehabt“, sagt Dziewior und meint die gelungene Verschiebung der Schau. Man baut die Präsentation auf - und hofft aufs Ende des Lockdowns am 30. November. „Niemand kann in die Zukunft schauen, aber ich bin Optimist“, erklärt der Direktor und fügt hinzu: „Wir wer den die Ausstellung auf jeden Fall zeigen und zwar sobald es geht.“
Reduzierte Besuchermenge
Diederich sieht das Haus „mit Online-Ticketing und Zeitfenstern von jeweils zwei Stunden“ gut aufgestellt. Als kleinen Ausgleich für die notwendige Reduzierung der Besuchermenge werden die Öffnungszeiten in der Woche bis 20 Uhr, freitags und samstags bis 22 Uhr verlängert. Doch selbst bei ausgebuchten Zeitfenstern wird man rund ein Drittel weniger als die mehr als 100.000 angepeilten Besucher haben. Und das bei höheren Kosten.
Die ökonomische Seite, so Dziewior, sei problematisch, „doch gerade in dieser Krise müssen wir als Museum unser Potenzial zeigen: mit einer Ausstellung, die unglaublich viel Spaß macht, in der man viel lernen und fantastische Werke sehen kann“.
Warhol ein „Jahrhundertkünstler“
Momentan scheint Warhol überall gefragt, Lüttich wollte ihn zeigen, das Wiener mumok stellt ihn ins Schaufenster, und es erscheint eine neue Biografie. „Er war eben ein Jahrhundertkünstler“, sagt Diederich schon mit Blick auf das weithin bekannte Werk. Doch dem will die Schau einige sonst unterbelichtete Facetten hinzufügen. Da ist der queere Warhol, der Sohn russinischer Einwanderer, den die Religiosität der Familie prägte, der Außenseiter, der seinesgleichen einbezog.

Kurator Stephan Diederich (l.) und Direktor Yilmaz Dziewior vor Kuh-Tapete von Andy Warhol.
Copyright: Hyou Vielz
Dziewior sieht ihn neben Duchamp und Beuys in jenem Dreigestirn, das die moderne Kunst maßgeblich geprägt hat. „Bei Warhol ist alles schon da: Das Infragestellen der Aura des Kunstwerks, die Vorwegnahme des heutigen Celebrity-Kults, die Banalisierung der Motive bei gleichzeitiger enormer ökonomischer Aufladung der Werke. Dabei sind ihm Arbeiten gelungen, die heute noch unserem Lebensgefühl entsprechen.“
Bewegte Kunst
So zeigt man im Museumskino seine Filme, aber auch im letzten Raum seine Fernsehproduktionen für MTV in den 80er Jahren. Außerdem jene Interviewmagazine, in denen er einerseits queerer Subkultur früh ein Forum gab und zugleich Superprominenz wie Bianca Jagger präsentierte. „Diese Mischung zwischen High und Low sehen Sie in der Ausstellung sehr pointiert“, verspricht Dziewior.
Gleich im Entree des Parcours wartet eine Überraschung: der „Warhol vor Warhol“, figurative Arbeiten, die er vor dem Umzug nach New York noch in Pittsburgh gemalt hat und die noch im Familienbesitz sind. „Gerade diese Werke verraten schon viel über seine Persönlichkeit“, erläutert der Kurator. „Da gibt es etwa den ,Nosepicker‘, wohl ein Selbstporträt, bei dem der Dargestellte mit dem Finger in der Nase bohrt. Da zeigt sich sowohl Warhols Unzufriedenheit mit sich selbst wie auch seine Widerständigkeit und Kraft.“
Aktzeichnungen
In der Chronologie folgen die Zeichnungen der 50er Jahre, wobei man überwiegend nicht die Modeentwürfe des erfolgreichen Werbegrafikers zeigt, sondern die privaten Porträts, auch Aktzeichnungen junger Männer, womit er damals eher aneckte.
Natürlich fehlen die Inkunabeln der eigenen Sammlung wie „Two Elvis“, das Jackie-Triptychon oder die Brillo-Boxen nicht, doch es wird eben auch unbekanntes Terrain vermessen. Etwa mit der Serie „Ladies and Gentlemen“, „in der er Schwarze und Latinx, Drag Queens, Transfrauen aus New York porträtiert hat“, wie Diederich erklärt. Eine auf den ersten Blick eher spekulativ-spektakuläre Auftragsarbeit, doch der Künstler gab den Dargestellten gleichwohl Persönlichkeit und Würde.
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Inhaltlich wurde die Ausstellung von der Londoner Tate Gallery und dem Museum Ludwig konzipiert und wandert danach ins kanadische Toronto und nach Aspen (USA). Dziewior schwärmt von der „fantastischen Zusammenarbeit“ mit den Tate-Kollegen, die viele Leihanfragen für Köln mitgestellt haben.
London war die erste, auch schon vom Lockdown betroffene Station der Tournee, so dass man in Köln froh war, mit der eigenen Verschiebung au ch den englischen Kollegen zu helfen. Dafür musste Toronto ebenfalls einwilligen. „Wir haben bisher Glück gehabt“, wiederholt der Direktor, „denn wenn wir wie geplant im Oktober geöffnet hätten, hätten wir jetzt schon einen Monat abschreiben müssen.“